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BERICHT/047: Tanzfluß nach innen - Gathered (SB)


"Gathered" - Ein vielversprechendes Gesamtpaket

Premiere der Hamburger Tanzkompanie "Kompanie Feuße genannt Strakenbrock"
am 17. Mai 2013 im Hamburger Sprechwerk

Am Abend des 17. Mai 2013 ging wieder eine neue Hamburger Tanzkompanie mit ihrer Premiere des Stücks "Gathered" auf die Bühne des Hamburger Sprechwerks. Orthia Feuße, die im letzten Jahr diplomierte Tanzpädagogin, Choreographin und seit Dezember 2012 auch Gründerin der nach ihr benannten "Kompanie Feuße genannt Strakenbrock", stellte ihr erstes Stück mit ihren 7 Tänzerinnen und Tänzern vor und begeisterte damit die knapp 130 Zuschauer restlos.

Das Thema zwischenmenschlicher Begegnungen, des Voneinander-Lernens und Miteinander-Umgehens zog sich teilweise sehr deutlich durch das in die zwei Choreographien aufgeteilte, abendfüllende Stück "Gathered" (deutsch: versammelt). Die Bewegungsabfolgen und die choreographische Zusammensetzung verbanden die sechs Tänzerinnen und den einzigen Tänzer zu einer Gesamtheit, die eine perfekte Grundvoraussetzung für den Ausgangspunkt der Choreographie darstellte: das zeitliche und emotionale Timing der anderen Mittänzer als Impuls für die eigenen Bewegungen zu nutzen. Dies bedeutete, dass alle Tänzer durchweg Blickkontakt hielten, um durch die Bewegungen der anderen den Impuls für ihre eigene Bewegung zu erhalten. Jedoch ließ dieser ständige Blickkontakt die Tänzer viel von ihrer Aussagekraft dem Zuschauer gegenüber einbüßen, da sie sich mehr auf den Startmoment der Bewegungen als auf ihre Intention dahinter zu konzentrieren schienen.

Das erste Stück "Safety in Numbers" tanzten vier Akteure, mit einem hauptsächlichen Zusammenspiel von drei Frauen, die sich sehr vertraut miteinander bewegten, während der einzige Mann der Kompanie auf der Bühne viel Zeit abseits der Gruppe verbrachte und allenfalls technisch durch seine hohen Beine überzeugte, nicht jedoch durch seinen Ausdruck. Auch traf die Choreographie nicht unbedingt das, was sich der Zuschauer des Stücks unter dem Titel vorgestellt hatte. So wurde beispielsweise nicht deutlich, worauf die Choreographin mit der "Sicherheit in Zahlen" hinauswollte, da keinerlei Timing in den Bewegungen zur Musik vorgegeben war. Trotzdem war die Choreographie für jemanden ohne Hintergrundgedanken mit schönen, dynamisch-ästhetischen Momenten gespickt.

Drei Tänzerinnen in Aktion und ein Tänzer als Beobachter auf der Bühne - Foto: © 2013 by Hinrik Schmoock

Verschiedenste Bewegungen verbanden die drei Tänzerinnen zu einem Ganzen
Foto: © 2013 by Hinrik Schmoock

Im zweiten Stück dagegen ("How to Disappear") konnte man einen eindeutigen roten Faden und einen klaren Zusammenhang zwischen dem Titel und den Bewegungen erkennen. So standen beispielsweise 5 Tänzerinnen in einer Ecke, sahen ihrer Mittänzerin bei deren Solo zu und übernahmen danach ihre Tanzfolge in einem Synchronteil, welcher ausdrucksstark den Zusammenhang zum Thema deutlich werden ließ, da alle 6 Tänzerinnen nun in einer Gruppe vereint waren und keine mehr heraus stach.

Fünf Tänzerinnen sehen der Solistin zu - Foto: © 2013 by Hinrik Schmoock

Das Individuum verschwindet in der Gruppe?
Foto: © 2013 by Hinrik Schmoock

Orthia Feuße erarbeitete mit ihrer Kompanie zwei sich in den Bewegungen ähnelnde, prozessorientierte Stücke, die inklusive einer Pause insgesamt zu einem gut eineinhalb-stündigen Abendprogramm führten. Die Zuschauer bekamen von dem Moment an, als sie durch die Eingangstüren traten, während sich die Tänzer auf der Bühne bereits bewegten, durch gut ausgewählte Soli und viele Gruppenformationen, die, bedingt durch das Thema, nicht durch Synchronizität, sondern eher durch teilweise besonders ausdrucksstarke Tänzer beeindruckten, ein Bild von Kraft und Grazilität geboten, welches jedes einzelne Mitglied der Kompanie voll und ganz verkörperte.

Drei Tänzerinnen agieren zusammen - Foto: © 2013 by Carsten Thun

Die Harmonie untereinander war deutlich zu spüren.
Foto: © 2013 by Carsten Thun

Wie nach dem Prinzip Mary Wigmans, der deutschen Pionierin des 20. Jahrhunderts für den Ausdruckstanz, die die Musik nicht als Ausgangspunkt, sondern als Unterstützung für ihre Bewegungen nahm, legte Orthia Feuße die Musik so unter ihre beiden Choreographien, dass deren Bewegungsmuster zwar zu den sparsamen, eher mystischen Klängen und Rhythmen passten, trotzdem jedoch von den Tänzern impulsiv und in Bezug auf ihre Mittänzer gesteuert blieben.

Alles in allem gelang der Kompanie KFGS mit Esther Bücken, Jamila Franzen, Kristina Krieger, Ann-Leonie Niss, Irma Preller, Jerome Zeltner und Fiona Zinder, ein in sich stimmiges Programm auf die Bühne zu bringen, auch wenn es für den Zuschauer einige kleine Rätsel, beispielsweise in Bezug auf den ersten Titel oder auch in Bezug auf manche Tänzereinsätze, aufgab. Nichts desto trotz lohnte es sich, einen Abend mit dem Ensemble zu verbringen, da viel Persönlichkeit, manche vielleicht noch auszureifende Idee und doch auch klare Aussagen hinter dem gesamten Stück stecken, welche es wert sind, sie für sich selbst zu ergründen.

31. Mai 2013