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BERICHT/002: "Männer und andere Irrtümer" im Theater "Die Komödianten" in Kiel (SB)


Zwischen Frust und Freiheit

Premiere von "Männer und andere Irrtümer"
im Theater "Die Komödianten" in Kiel

Bühnenbild

Bühnenbild zu "Männer und andere Irrtümer"


Eine ganz normale Katastrophe. Da verläßt ein Mann im besten Alter und offensichtlich deshalb in der Krise seine Frau - wegen einer Jüngeren. Kennt man bzw. frau ja. Und die Frau durchlebt alles, was frau in solchen Situationen durchmacht: Wut, Frust, Trauer und Verzweiflung, Rückzug und Rachegedanken, die Erfahrung, daß Nachbarn und Freundinnen in Krisenfällen eben keine sind, aber auch die Erkenntnis einer wiedergewonnenen Freiheit und der Möglichkeit, den eigenen Alltag neu zu entwerfen.

Aus diesem Stoff, den das Leben so vielen schreibt, haben Michèle Bernier und Marie Pascale Osterrieth ein Stück fürs Theater gemacht, das am Donnerstag, den 5. Februar 2009 um 20 Uhr im Theater "Die Komödianten" in Kiel Premiere hat.

Es ist das zweite Solostück, in dem Anke Pfletschinger bei den Komödianten zu sehen ist. Nach "Sex - aber mit Vergnügen" sei man auf der Suche nach einem weiteren Frauensolo gewesen, so Petra Bolek, die zu einem Pressegespräch kurz vor der Premiere in das kleine Privattheater in der Wilhelminenstraße geladen hatte.

Obwohl oder gerade weil es ursprünglich ein Frauenstück, ein Stück 'von Frauen für Frauen' sei, konnte der Theaterdirektor Markus Dentler sich dafür nur einen Mann als Regisseur vorstellen, weil nur ein Mann die notwendige Distanz zum Stoff mitbringe, um die richtige Mischung von Spielerischem und Theatralischem, von Tragik und Komik zu finden, so Christian Lugerth, der das Angebot gerne annahm.

Ob sich diese Einschätzung als richtig und für die Umsetzung des Stückes als gewinnbringend erwiesen habe, wurde der Regisseur gefragt, der angesichts gründlicher Bearbeitung und Kürzung der aus dem Französischen übersetzten Vorlage, die allein schon wegen der unterschiedlichen Sprachen und Sprachgewohnheiten unabdingbar gewesen sei, aber auch wegen der Textmenge, die keiner Schauspielerin zumutbar gewesen wäre, meinte: Männer wie Frauen seien gleichermaßen und in ähnlicher Weise von den Problemen einer gescheiterten Beziehung und den damit verbundenen Leiden und Turbulenzen betroffen. "Auch als Mann etwas zu lernen und zu begreifen und dies in der Rolle dieser Frau gespiegelt zu sehen, das finde ich reizvoll." So gesehen ginge es in dem Stück um das Entwicklungspotential von Mann und Frau.

Auf die Frage des Schattenblick, ob es angesichts des gender mainstreaming überhaupt noch zeitgemäß wäre, das Männer-Frauen-Thema immer wieder neu zu generieren, antwortete Lugerth, das Stück bediene zwar auch einige diesbezügliche Klischees, man habe sich bei der Umsetzung aber darum bemüht, von eben diesen wegzukommen. Da gebe es kein 'hier tolle Frauen' - 'da dumme Männer' und auch ein bloßer Ratgeber im Stile einschlägiger Frauenzeitschriften, die für solche Krisensituationen geeigneten Strategien in Kurzform anempfehlen, wolle das Stück nicht sein. Keiner komme ungeschoren davon, weder Ehemann, noch Ehefrau, weder die 'besten Freundinnen' noch die neuen Liebhaber, und auch nicht die Eltern oder der kleine Sohn. Wenn eine Beziehung scheitert, haben, wie die Protagonistin einsehen muß und wie es auch ihre Darstellerin bestätigt, "alle was verbockt".

"Schön finde ich an dem Stück", so Lugerth, "daß es am Schluß nicht um Rache geht, sondern darum, wie die Frau, mal abgesehen davon, daß die Leute Spaß haben und sich amüsieren und lachen können, gestärkt und gewachsen und mit Würde aus der Katastrophe hervorgeht. Wenn es eine Botschaft gäbe, dann wäre es eben diese."


Der Schauspielerin Anke Pfletschinger, die in diesem Jahr ihr 10jähriges Bühnenjubiläum feiert, wird einiges abverlangt, bringt sie doch in gut 90 Minuten mehr als 20 Personen verschiedenen Alters und beiderlei Geschlechts auf die Bühne. Eine so große Vielzahl und Vielfalt von Rollen abrufbar zu halten, ist nicht nur eine große künstlerische Herausforderung, sondern sei, so die Schauspielerin, auch das Ergebnis harten Trainings und hoch entwickelter Technik. Die vielen kontrastierenden Gefühlszustände glaubhaft zu transportieren und das Publikum mit auf diese Reise zu nehmen, erfordere eine unablässige Konzentration, die nicht auch nur für einen Moment abfallen dürfe, so Frau Pfletschinger.

Die anspruchsvolle Spielform des Solos kommt der Intention von Regisseur und Akteurin sehr entgegen. Der Zuschauer nimmt mit der Hauptdarstellerin und so mit der Hauptfigur zusammen die Perspektive jeder anderen Figur ein. Er muß beweglich bleiben, will er der Handlung und den immer neu entstehenden inneren und äußeren Konflikten folgen. Das Ziel Lugerths und Pfletschingers sei es gewesen, in ihrer Bühnenarbeit eine so hohe Intensität zu entwickeln, daß am Ende, obwohl nur eine Schauspielerin physisch anwesend ist, "eine ganze Welt entsteht".



Regisseur Christian Lugerth und Schauspielerin Anke Pfletschinger


Bei einer ersten öffentlichen Probe des neuen Stücks "Männer und andere Irrtümer" saßen im Publikum - bis auf wenige und an einer Hand abzählbare Männer - ausschließlich Frauen, was, so Petra Bolek, allerdings wohl an der Art der Einladung gelegen habe. Man könne sich auch eine ganz andere Zusammensetzung vorstellen, denn das Stück sei ein Stück "für alle".

Das Herz und den Kopf ansprechen, so Frau Bolek in einem anschließenden Interview, sei das Credo der Komödianten, die mit ihrem Ensemble seit nunmehr 25 Jahren die Klein-Theater-Szene in Schleswig-Holstein, aber auch weit über die Landesgrenzen hinaus bis nach Kaliningrad oder New York beleben, und dank der Experimentierfreudigkeit des Gründers und Leiters Markus Dentler auch schon fernab der Musentempel in Wohnzimmern und Landgasthöfen, in einem Schwimmbad, in Bus und Schiffen, auf der Straße oder den Halligen gastiert haben. Modernes Theater wolle man machen mit überwiegend zeitgenössischen Autoren, "Themen dieser Zeit mit den heutigen Mitteln umsetzen", kritisch, ja, aber mit viel Freiraum für ein mündiges Publikum.



Petra Bolek


Ob es dem Stück, dem Regisseur und der Akteurin auf der Bühne am Ende gelungen ist, jenseits des bereits Bekannten, wenngleich im Wiedererkennen durchaus Amüsanten und Unterhaltsamen, zu einem Nachdenken über ein allzu menschliches Problem, nämlich dem vom Verlassenwerden und Verlust (auch der eigenen Gewohnheiten) beizutragen, wird das Publikum bei der Premiere am kommenden Donnerstag entscheiden.


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Premiere:
Donnerstag, 5. Februar 2009, 20:00 Uhr

Vorführungen:
Do., Fr., Sa.: 6., 7., 12., 13., 14., 19., 20., 21., 26., 27., 28. Februar
und 5., 6., 7. März um 20:00 Uhr



Theater "Die Komödianten" in Kiel


2. Februar 2009