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MELDUNG/108: Brasilien - Karneval verschlingt Millionen, Unternehmens-Sponsoring in der Kritik (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2013

Brasilien: Karneval verschlingt Millionen - Unternehmens-Sponsoring in der Kritik

von Fabiana Frayssinet


Bild: © Vila Isabel

Probeauftritt von Tänzern der Sambaschule Vila Isabel für den diesjährigen Karneval in Río de Janeiro
Bild: © Vila Isabel

Río de Janeiro, 20. Februar (IPS) - Fünf Millionen US-Dollar soll der deutsche Chemieriese BASF für das Sponsoring einer Tanzgruppe beim Karneval in Río de Janeiro ausgegeben haben. Während die einen die Finanzspritzen von Unternehmen für den brasilianischen Karneval kritisieren, sehen andere sie als Lösung im Kampf gegen die organisierte Kriminalität.

Die Sambaschule Vila Isabel ging als Siegerin des diesjährigen Karnevals von Río hervor. Die rund 3.800 Tänzer hatten ihre Choreographie, die sie am 12. Februar im 'Sambódromo da Marquês de Sapucaí' zeigten, der Landwirtschaft und der Produktivität der Böden gewidmet. Sie war eine von zwölf Sambaschulen, die im Rahmen der 'Spezialgruppe' jedes Jahr ihr Können im Sambódromo, der in der brasilianischen Metropole eigens eingerichteten Tribünenstraße vorführen.

Die Schirmherrschaft für die Sambaschule hatte der deutsche Chemiekonzern BASF übernommen. Fünf Millionen Dollar soll ihn das Sponsoring gekostet haben. BASF ist in Brasilien mit seinen Düngemitteln und Pestiziden groß im Agrargeschäft. Zurzeit muss sich das Unternehmen gemeinsam mit dem Ölkonzern Shell vor dem brasilianischen Arbeitsgericht verantworten. Fast zeitgleich mit der Bekanntgabe des Gewinners des diesjährigen Karnevals ließ das Gericht mitteilen, dass zwischen den beiden Unternehmen und Anwohnern in der Nähe einer Fabrik im Bundesstaat São Paulo, in der im Jahr 2002 ein Chemieunglück passierte, keine Einigung erzielt werden konnte.

Damals sickerten Pestizide aus der Fabrik in das Grundwasser. 1.000 Menschen waren von dem verschmutzten Wasser betroffen, 62 sind an den Folgen gestorben, wie es in einem während des Gerichtsverfahrens präsentierten Gutachtens heißt.

Die Landlosenbewegung MST hatte die Finanzierung der Sambaschule Vila Isabel durch das Unternehmen bereits im Vorfeld kritisiert. Nachdem Vila Isabel als Gewinnerin des Umzuges ausgerufen wurde, sagte MST-Vorstandsmitglied João Pedro Stédile gegenüber IPS: "BASF will einfach nur Profit machen. Dass der Konzern eine Sambaschule ausnutzt, um sich zu profilieren, bedauern wir sehr."

Die Choreographin von Vila Isabel, Rosa Magalhães, spielt die Kritik herunter. Das Sponsoring hätte keine so große Polemik ausgelöst, wenn ihre Choreographie nicht als bester Auftritt gewertet worden wäre, meint sie. Nach Ansicht der Juroren überzeugte die Sambaschule mit dem besten Auftritt, den schönsten Kostümen und gelungensten Rhythmen.

"Wir singen für Brasilien, die Kornkammer der Welt", war der Auftritt von Vila Isabel übertitelt. "Wir stillen den Hunger, indem wir Pflanzen säen... wir beackern und kultivieren den Boden und schauen zu, wie der alte Traum, die Welt zu ernähren, Wirklichkeit wird", hieß es in dem Lied, das während der Show gespielt und eigens für den Auftritt geschrieben wurde.


"Ohne BASF kein Sieg"

"Ohne die Unterstützung von BASF hätten wir nicht gewinnen können", sagte Wilson da Silva, Präsident von Vila Isabel. "Das Unternehmen hat an uns geglaubt und uns von Anfang an unterstützt und keine Kosten gescheut, damit wir die besten Siegesschancen haben."

Für die Landlosenbewegung, die gemeinsam mit anderen Gruppierungen die Kampagne gegen Pflanzenschutzmittel ins Leben gerufen hat, ist BASF eines von drei transnationalen Unternehmen, die die meisten Pflanzenschutzmittel in Brasilien verkaufen. 10.000 Brasilianer sollen pro Jahr an Pflanzengiften sterben. 25.000 Menschen erkranken pro Jahr an den Folgen, so das brasilianische Gesundheitsministerium.

Jedes Jahr bricht eine Diskussion um das Sponsoring der Sambaschulen aus. Auch andere Schulen sollen rund fünf Millionen Dollar für ihren Auftritt ausgegeben haben. Ein Teil der Ausgaben wird durch die Einnahmen aus der Fernsehübertragung finanziert, ein anderer Teil durch den Verkauf der Eintrittskarten. Auch die Stadtverwaltung von Río de Janeiro schießt Geld dazu. Doch die Gelder reichen nicht aus, um die aufwändigen Shows zu bezahlen, Kostüme zu nähen und die vielen Tänzer zu unterhalten.


'Karneval der Unternehmen'

An dieser Stelle beginnt der sogenannte 'Karneval der Unternehmen'. In diesem Jahr sollen acht der zwölf in der Spezialgruppe aufgetretenen Sambaschulen von Unternehmen Geld erhalten haben. Neben BASF waren das weitere Unternehmen aus Deutschland und Südkorea sowie eine brasilianische Zeitschrift und eine Vereinigung von Pferdezüchtern.

Noch bis vor 20 Jahren wurden die Auftritte fast ausschließlich von Verbrecherbanden finanziert, die mit dem sogenannten 'jogo do bicho' ihr Geld verdienten. Dieses Lotteriespiel ist bereits seit längerem in Brasilien verboten, wird aber weiterhin vor allem in der armen Bevölkerung gespielt und bringt den Organisatoren teils große Geldsummen ein. Die heutige Finanzierung des Karnevals durch öffentliche und private Gelder gilt daher vielen als gute Lösung, um die illegale Finanzierung der Auftritte zu verhindern. (Ende/IPS/jt/2013)


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http://www.gresunidosdevilaisabel.com.br/
http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102329
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=102384

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IPS-Tagesdienst vom 20. Februar 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2013