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KOMMENTAR/026: Beachvolleyball im Dienste von Krieg und Propaganda (SB)



Als Prof. Carl Diem, einer der renommiertesten Vertreter der bundesdeutschen Sportbewegung, 1940, nachdem die deutsche Wehrmacht in einem Blitzkrieg Frankreich erobert hatte, den "Sport als Büchsenspanner des Krieges" hochleben ließ, erlebte die geschichtlich ungebrochene Instrumentalisierung des Sports für herrschaftliche Zwecke eine ihrer schwärzesten Stunden. Damals wurde der organisierte Sport von den nationalsozialistischen Machthabern gnadenlos für die Wehrertüchtigung und die Rekrutierung von Soldatenmaterial sowie für die Kriegspropaganda "zweckentfremdet", würde man heute sagen, was freilich eine Sichtweise widerspiegelt, die den Sport in Friedenszeiten als probates Mittel zur Reproduktion der Arbeitskraft heiligt und zudem unterstellt, daß Staat und Kapital in Friedenszeiten keine kriegsrelevanten Ziele verfolgten. So nimmt es nicht Wunder, daß die Lesart, im Kapitalismus ist der Frieden die Vorbereitung für den Krieg und der Krieg wiederum die Vorbereitung für den Frieden, nicht gerade zu den bürgerlichen Schulweisheiten gehört.

Vor dem Hintergrund jedoch, daß deutsche Soldaten zum dritten Mal nach 1914 und 1941 wieder einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien führten, dem mehr als 2000 Zivilisten zum Opfer fielen, und des seit 2001 in Afghanistan wütenden Krieges mit Bundeswehrbeteiligung sowie der logistischen Unterstützung Deutschlands beim Irak-Krieg 2003 sollte sich die Frage schon stellen, inwiefern auch der Sport in die schleichende Militarisierung der Gesellschaft eingespannt wird. Schließlich ist die Bundeswehr, die ihren "Interventionen" in mittlerweile zehn Regionen der Welt mit harmlos klingenden Titeln wie "Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe (ISAF)", "Bundeswehr im Stabilisierungseinsatz" oder "Streitkraft auf Friedensmission" einen humanitären Touch verleiht, einer der Hauptförderer des Leistungs- und Spitzensports in Deutschland, der höchste Akzeptanz- und Aufmerksamkeitswerte in der Bevölkerung genießt. Mehr als 700 Bundeswehrsportler/-innen werden derzeit in mehr als 70 Sportarten und 15 Sportfördergruppen durch die Bundeswehr unterstützt. Aus dem Wehretat der Bundesregierung, der für dieses Jahr um 1,73 Milliarden Euro auf insgesamt 31,8 Milliarden aufgestockt wurde, zweigt die Bundeswehr jährlich 28,4 Millionen Euro für die Sportförderung ab.

Kaum war die Bundeswehr im Schlagschatten des von den USA geführten Anti-Terror-Krieges in Afghanistan einmarschiert, da wurde im Rahmen zivil-militärischer Befriedungsstrategien auch schon (Frauen-)Fußball am Hindukusch gespielt. "Fussball bedeutet Ablenkung von Sorgen, Bomben und Raketen", fabulierte der DOSB über ein Langzeitprojekt, das er im Auftrag und mit Geld des Auswärtigen Amtes zusammen mit dem Deutschen Fußball Bund (DFB) betrieb und das nach sechs Jahren kürzlich zu Ende ging. Deutsche Interessen werden mittels Fußball allerdings nicht nur am Hindukusch "verteidigt", um eine Propagandaphrase des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck aufzugreifen, sondern auch in Hindelang, sprich an der Heimatfront.

Um die junge Generation für künftige Kriegseinsätze zu gewinnen und gleichzeitig die eherne Losung der Nachkriegsgeneration, von deutschem Boden solle nie wieder Krieg ausgehen, endgültig dem Vergessen zu überantworten, setzt die Bundeswehr verstärkt auf modernes Akzeptanzmanagement, Eventmarketing und Werbetouren. So reihen sich beispielsweise die Ausscheidungsturniere der "Bw-Beachen '09" im Beachvolleyball in die "erfolgreiche Serie von Jugendsportevents" ein, die das Bundesministerium für Verteidigung sponsert, um vornehmlich 16- bis 17jährige Sportler auf Karrierechancen in der Bundeswehr aufmerksam zu machen. "Nach den Bw-Olympix '02, '04, '06 und '08 sowie den Bw-Beachen '05 und '07 lädt die Bundeswehr in diesem Jahr erneut rund 1.200 Jugendliche aus ganz Deutschland zu spannenden Teamwettkämpfen ein", heißt es in einer aktuellen Pressemitteilung. "Neben den sportlichen Wettkämpfen stehen ein abwechslungsreiches Rahmenprogramm mit prominenten Sportlern, Partys und Infotainment auf dem Plan. Die Teilnahme an den Bw-Beachen '09 ist für die Jugendlichen kostenlos. Fahrt, Verpflegung und Übernachtung übernimmt die Bundeswehr."

Mit "Infotainment" ist nicht etwa gemeint, die Jugendlichen auf die steigende Zahl schwer traumatisierter, körperlich langzeitgeschädigter oder gar in Leichensäcken von Auslandseinsätzen zurückgekehrter Soldaten hinzuweisen, welche die Bundeswehr als unausweichliche Kollateralschäden verbucht, sondern ihnen das Soldatenhandwerk schmackhaft zu machen. Da führendes Bundeswehrpersonal schon länger fordert, die regierungsamtliche Schönfärbung der "humanitären Friedenseinsätze" endlich aufzugeben und deutlich zu machen, daß "wir in kriegerischen Handlungen sind", wie der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, Ulrich Kirsch, unlängst reklamierte, wird den potentiellen Rekruten auch gleich entsprechendes Kriegsgerät bei den Sportveranstaltungen vorgeführt - Anfassen, Probieren und daran Geschmackfinden inbegriffen.

Bei den seit 2002 alle zwei Jahre in Warendorf, der Sportschule der Bundeswehr, veranstalteten "Bw-Olympix", wo mittlerweile rund 240 Teams in den Trendsportarten Beachvolleyball, Beachhandball, Minisoccer und Streetball gegeneinander antreten, werden den jungen Teilnehmern auch Kampf- und Spähpanzer, Hubschrauber und andere militärische Gerätschaften von kundigen Experten präsentiert. Im vergangenen Jahr waren auch die Marine mit eigenem Infowagen, Flugsimulator sowie die Eliteeinheit SEK Marine und die Kampfschwimmer vor Ort, um ihre technischen Fertigkeiten zu demonstrieren.

Um die im Mai stattfindende "Bw-Beachen" zu popularisieren, konnten prominente Beachvolleyballer wie der amtierende Deutsche Meister David Klemperer oder der Olympia-Fünfte Eric Koreng als Lockvögel gewonnen werden. Auf der Internetseite www.bw-beachen.de werden die interessierten Athleten nicht nur mit Hinweisen auf die hohe Medaillenausbeute der Sportsoldaten/-innen bei den vergangenen olympischen Sommer- und Winterspielen in eine euphorische Stimmung versetzt, ihnen werden auch die Berufschancen im olivgrünen Anzug in den schönsten Farben gemalt: "Man kann hier gut Karriere machen. Beispielsweise sind Führungskräfte der Bundeswehr mit Managern in Großunternehmen vergleichbar. Als Soldatinnen und Soldaten arbeiten sie als Chef in den unterschiedlichen Verbänden oder auch als Spezialisten in technischen Bereichen."

Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr (SoWi), das jährlich eine bundesweite Studie durchführt, um Jugendliche über ihre Berufswünsche, ihre Haltung zur Bundeswehr und ihr Interesse am Soldatenberuf auszuforschen und die "Nachwuchswerbung und -gewinnung" der deutschen Streitkräfte mit aktuellen Informationen zu versorgen, scheint den Akzeptanzhaltungen der Bevölkerung gut auf den Zahn gefühlt zu haben. Die gezielten Reklame- und Rekrutierungseinsätze der Bundeswehr im Sport werden begleitet von zahlreichen Veranstaltungen an Arbeitsämtern, Schulen, Universitäten, Jobmessen oder zu karitativen Anlässen. Der von der Zentrale Messe- und Eventmarketing der Bundeswehr (ZeMEMBw) organisierte "KarriereTreff", der pro Jahr etwa 40 Ziele in Deutschland ansteuert, präsentierte sich letztes Jahr sogar beim Landesturnfest in Gütersloh, um Tausende - meist minderjährige und für technische Faszinationen leicht erreichbare - Kinder für Kampfstiefel- und Spürpanzereinsätze zu interessieren.

Da es von seiten des organisierten Sports, der im erheblichen Maße von der Bundeswehrsportförderung profitiert, nicht die leiseste Kritik an den auch den Sport vereinnahmenden Reklamefeldzügen des Verteidigungsministeriums gibt, kann nur davon ausgegangen werden, daß es eine bereitwillige Interessensallianz zwischen Sport- und Militärführern in Deutschland gibt, die nicht nur aus Opportunismen förderpolitischer Art schöpft.

12. April 2009