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POLITIK/304: Ausschußanhörung - Olympische Spiele in China und Menschenrechte (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 5 / 29. Januar 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

"Meinungsbildung kann nicht abgeschaltet werden"
Ausschussanhörung Olympische Spiele in China und Menschenrechte

Von Christian Sachs


(DOSB PRESSE) Die Austragung der Olympischen und Paralympischen Spiele in Peking 2008 wird den Prozess der Öffnung Chinas weiter vorantreiben. Dies war der Grundtenor der Aussagen von acht Sachverständigen bei einer gemeinsamen Anhörung des Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe und des Sportausschusses im Deutschen Bundestag. DOSB-Präsident Thomas Bach schilderte aus Sicht des Sports die Fortschritte, die sich aus den Verpflichtungen Chinas und der Stadt Peking als Ausrichter der Spiele ergeben: "Das Organisationskomitee der Spiele hat sich in einem Vertrag mit dem IOC zur Einhaltung von bestimmten Regeln verpflichtet. Danach werden alleine rund 20.000 internationale Journalisten im Vorfeld und während der Spiele ohne Einschränkung der Meinungs- oder Bewegungsfreiheit berichten können. Diese Verpflichtungen müssen umgesetzt werden." Zudem verwies Bach auf die in China bereits stattfindenden Sprach- und Bildungsprogramme, die rund 400 Millionen Kinder und Jugendliche erreichen: "Wir setzen auf den Dialog und wollen die vorhandenen Defizite darin auflösen. Die Förderung von Dialog, Meinungsaustausch und Kommunikation findet nicht nur in den drei Wochen der Spiele statt. Nach meiner Einschätzung kann diese Meinungsbildung nicht abgeschaltet werden."

Fecht-Weltmeisterin Britta Heidemann, die im Sommer Mitglied der deutschen Olympiamannschaft sein dürfte, berichtete über die in China wachsende Begeisterung für die Olympischen Spiele. "Die Vorfreude ist riesengroß, und die Chinesen sind stolz darauf, sich endlich wieder als Weltmacht präsentieren zu können", sagte die Sinologin. Der ehemalige Eisschnellläufer Christian Breuer, Athletensprecher im DOSB-Präsidium, verwies auf die Völker verbindende Kraft des Sports: "Kein anderes Event kann so etwas leisten."

Die wissenschaftlichen Sachverständigen beleuchteten insbesondere die längerfristigen Entwicklungszyklen. "In den letzten 30 Jahren hat sich China unglaublich schnell entwickelt. Da kommt man nur schwer mit. Das hat national und international zu einem China-bashing geführt", sagte Dr. Gudrun Wacker vom Deutschen Institut für Internationale Politik und Sicherheit der Stiftung Wissenschaft und Politik. Strafrechtler Prof. Hans-Jörg Albrecht führte zum Rechtssystem in China aus und diagnostizierte Fortschritte bei der Diskussion um die Todesstrafe, die allesamt vom obersten Gericht überprüft werden müssen und eine Halbierung der Exekutionen zur Folge hatte, und bei der Heranbildung einer unabhängigen Anwaltschaft.

Die kritischste Position vertrat Dirk Pleiter von amnesty international, der auf die Tatsache verwies, dass sich Menschenrechtsorganisationen bei China seit Jahrzehnten mit den gleichen Fragen befassen. Ebenfalls zweifelte er an, dass die Austragung Olympischer Spiele zwangsläufig zu einer Öffnung des Ausrichterlandes beitrage. "Wir sehen hier keinen Automatismus. Daher mahnen wir zur Vorsicht und warnen vor einseitigen Analysen", erklärte Pleiter. Allerdings kündigte er an, dass auch amnesty international, um nicht als Spielverderber aufzutreten, auf einen Boykottaufruf verzichte.

Besonders emotional trug der seit zehn Jahren in China tätige Journalist Georg Blume seine Stellungnahme vor: "Das Geschehen ist grundsätzlich positiv. Chinesen haben heute Zugang zu Informationen, insbesondere über das Internet, den Sie vor zehn Jahren nicht hatten. Da findet eine rasante Entwicklung statt, die von hier gar nicht wahrgenommen wird." Sportwissenschaftler Prof. Helmut Digel verwies ebenfalls auf die Dimension der Kommunikation: "China befindet sich in einem zivilisatorischen Prozess. Sport ist international und wird zur Internationalisierung des Landes beitragen. Dieser Prozess ist irreversibel."

Die Menschenrechts-Ausschussvorsitzende Herta Däubler-Gmelin (SPD) fasste die Erkenntnisse der über dreistündigen Anhörung mit den Worten zusammen: "Das Thema ist noch spannender als man denkt. Und man lernt wieder einmal, dass man ganz genau hinschauen muss und keine Vorverurteilungen abgeben sollte."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 5 / 29. Januar 2009, S. 12
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. Februar 2009