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POLITIK/217: Zum Stichwort Doping-Gesetzgebung (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Doping-Gesetzgebung -
Fragen an Dr. Michael Vesper und Dr. Clemens Prokop

"Sportgerichtsbarkeit kann in voller Stärke wirksam bleiben"


Die große Koalition hat beschlossen, die Gesetzgebung im Kampf gegen Doping zu verschärfen. DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper und DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop nehmen im Interview Stellung.

DOSB PRESSE: Herr Vesper, am Donnerstag haben die Bundestagsfraktionen von CDU und SPD beschlossen, die Gesetzgebung im Kampf gegen Doping zu verschärfen. Wie beurteilen Sie den Beschluss?

VESPER: Wir begrüßen die Einigung. Damit kommt die Politik erstens der von uns bei unserer Mitgliederversammlung im vergangenen Dezember in Weimar aufgestellten Forderung nach, gegen den Handel mit und das Inverkehrbringen von Dopingmitteln verstärkt vorzugehen und unter anderem den Strafrahmen im Arzneimittelgesetz so zu verschärfen, dass alle Ermittlungsmöglichkeiten wie Hausdurchsuchung, Telekommunikationsüberwachung etc. greifen. Wer größere Mengen an Dopingmitteln besitzt, ist verdächtig, damit zu handeln oder sie in Verkehr zu bringen.

Zweitens war uns in Weimar wichtig klar zu stellen, dass die Bestrafung von positiv getesteten Athleten weiterhin allein der Sportgerichtsbarkeit unterliegt. Auch dies ist durch den Beschluss gewährleistet. Diese klare Trennung ist von großer Bedeutung, damit die Sportgerichtsbarkeit weiterhin in voller Stärke wirksam bleibt. Die Koalition hat ja klargestellt, dass die Besitzstrafbarkeit, wie sie diskutiert wurde, nämlich den infolge von Kontrollen des Dopings überführten Athleten strafrechtlich zu verfolgen, nicht eingeführt wird. Diese Athleten werden allein durch die Sportgerichte bestraft. Sollten sie aber größere Mengen an Dopingmitteln besitzen und damit handeln, kommen sie vor den staatlichen Kadi. So wollten wir es haben.

DOSB PRESSE: Herr Prokop, Sie haben in Weimar für den DLV bei der Beschlussfassung in dem Punkt Besitzstrafbarkeit gegen die Vorlage gestimmt. Was bedeutet die Beschlussfassung aus ihrer Sicht?

PROKOP: Wir sehen unsere Ziele als erreicht an. Künftig wird gegen jeden Athleten, der unter Dopingverdacht steht, neben den Sportgerichten auch die Staatsanwaltschaft ermitteln können. Erst am Ende der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen wird sich herausstellen, ob der Athlet Dopingmittel in nicht geringer Menge besitzt oder besessen hat und sich damit strafbar machte. Wir haben damit künftig zwei Säulen bei der Aufklärung von Doping, wir können damit die Lücke des Kontrollsystems des Sports schließen. Wenn der Athlet sich tatsächlich nicht strafbar gemacht hat, wird er nur vom Sportgericht verfolgt, aber die Erkenntnisse der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen können auch vom Sportgericht verwertet werden. Wenn der Athlet Dopingmittel in erheblicher Menge besitzt, wird er von beiden sanktioniert werden.

DOSB PRESSE: Herr Vesper, Herr Prokop, in der Vorlage heißt es, dass der Besitz "nicht geringer Mengen" vom Staat bestraft wird. Was bedeutet dies?

VESPER: Dies genau zu definieren, ist Aufgabe des Gesetzgebers. Je exakter er dabei ist, desto weniger Interpretationsspielraum bleibt für die Rechtsprechung. Beispielsweise steht Insulin auf der Liste der gefährlichsten und häufigsten Substanzen, die als Grundlage genommen werden soll. Es gibt aber jede Menge Diabetiker in der Bevölkerung, die größere Mengen an Insulin zu Hause haben müssen. Diese Grenzen müssen nun exakt gezogen werden.

PROKOP: Dies ist entweder Aufgabe des Gesetzgebers oder - wie im Betäubungsmittelrecht - der Rechtsprechung. Ich plädiere dafür, die Orientierung an der jeweiligen Konsumeinheit vorzunehmen. Ab der zweiten Konsumeinheit beginnt für mich die Gefahr der Weitergabe. Außerdem sollte nur der Besitz strafbar sein, der nicht medizinisch indiziert ist. Wirklich kranke Menschen dürfen nicht nach dieser Vorschrift bestraft werden.

DOSB PRESSE: Was bedeutet die Entscheidung für die Zukunft der Dopingbekämpfung in Deutschland?

VESPER: Wichtig ist der von uns immer geforderte Schulterschluss zwischen Sport und Staat, der in unserem Aktionsplan, dem Koalitionspapier und dem Gesetzentwurf, den das Bundesinnenministerium vorbereitet, zum Ausdruck kommt. In unserem Anti-Doping-Aktionsplan heißt es ausdrücklich, dass das staatliche Instrumentarium im Kampf gegen Doping ausgeweitet und vor allem besser und entschiedener vollzogen werden muss.

PROKOP: Ich glaube, dass mit dieser Rechtsreform eine neue Dynamik in den Kampf gegen Doping kommt und dass der Sport an Glaubwürdigkeit gewinnen kann.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 4 vom 23. Januar 2007, Seite 9-11
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2007