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MELDUNG/070: Aus für Handel mit jungen Fußballtalenten - FIFA-Kontrollsystem eingeführt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2010

Afrika: Aus für Handel mit jungen Fußballtalenten - FIFA-Kontrollsystem eingeführt

Von Fulgence Zamblé


Abidjan, 4. November (IPS) - Mit 15 träumte Maurice Koné von einer Karriere als Fußballstar in Übersee. Seine Fans in Koumassi, einem Viertel im Süden der ivorischen Hauptstadt Abidjan, schätzten ihn vor allem wegen seiner Spieltechnik und seines guten Gespürs für Torschancen.

"Eines Abends kam ein Vermittler vorbei und erklärte meinen Eltern, dass ein Scout auf mich aufmerksam geworden sei und einen Spielvertrag mit mir für die Schweiz abschließen wolle", so Koné. "Ich müsste lediglich einen Betrag von 1,5 Million CFA-Francs (umgerechnet 3.200 US-Dollar) innerhalb der nächsten zwei Wochen zusammenbringen."

Die Eltern wollten der Fußballkarriere ihres Sohnes nicht im Weg stehen und setzten alles daran, das nötige Geld aufzutreiben. "Mein Monatseinkommen belief sich damals auf 135.000 CFA (290 Dollar)", erzählt Habib Koné, der Vater. In der Hoffnung, dass Maurice einmal für seine sieben Brüder und Schwester aufkommen würde, verschuldete er sich.


Harte Landung

Am Tag des Abflugs wurde Koné Junior mit sechs Schicksalsgenossen ins Flugzeug nach Pattaya, Thailand, gesetzt. Nach der Landung verschwand der Betreuer, die die Teenager sahen sich plötzlich auf sich allein gestellt. Nach einem viermonatigen Überlebenskampf wurden sie nach Tunesien abgeschoben und später von ihren Eltern ins Heimatland Côte d'Ivoire geholt.

Koné weiß von zwei jungen Kickern, die angeblich von einem spanischen Klub angeheuert wurden. Drei weitere sollen inzwischen für einen tunesischen Club das Leder treten. Ob sie dort tatsächlich angekommen sind, ist nicht bekannt.

Seit 2000 haben mehr als 3.000 junge Fußballtalente, die Mehrheit unter 18 Jahren, den schwarzen Kontinent verlassen, um ihr Glück in Europa und Asien zu suchen, schätzt die 'Association foot solidaire', eine Nichtregierungsorganisation mit Sitz in Paris, die gegen den kriminellen Umgang mit jungen afrikanischen Fußballern angeht.

Der Traum junger Menschen, Spieler eines großen Fußballclubs außerhalb Afrikas zu werden, hat jedoch Mafia-ähnliche Menschenhändlerringe auf den Plan gerufen. Sie erschleichen sich das Vertrauen der Eltern, um sie dann zu schröpfen. Die Jugendlichen selbst landen dann häufig in irgendeiner Stadt auf der Straße.

Um den kriminellen Handel mit jungen Fußballspielern und Geldwäsche zu unterbinden, hat der Internationale Fußballverband FIFA ein 'Transferabgleichungssystem' (TMS) eingeführt. Das Online-System wurde im Februar 2008 in einem Pilotversuch in 18 Ländern getestet und danach auf alle FIFA-Mitgliedsverbände und insgesamt 3.633 Vereine ausgeweitet.


Spielertransfer nachvollziehbar

TMS zwingt die an den Transfers beteiligten Vereine, übereinstimmende Informationen ins TMS einzugeben. Ansonsten wird der Transfer blockiert, und der nationale Verband kann den internationalen Freigabeschein nicht ausstellen. Außerdem enthält TMS Angaben zur Karriere der einzelnen Spieler, um sicherzustellen, dass die Vereine, die junge Spieler ausgebildet haben, nach dem Transfer angemessen entschädigt werden.

Insgesamt müssen laut FIFA vor jedem Transfer mehr als 30 Angaben gemacht werden wie etwa Einzelheiten zum Spieler und zu den Vereinen, alle Zahlungen samt Betrag, Zeitpunkt und Solidaritätsbeiträgen an frühere Vereine. Alle Angaben müssen belegt werden: durch Kopien des Personalausweises des Spielers, seines neuen Arbeitsvertrags und des Transfervertrags zwischen seinem ehemaligen und künftigen Verein. "Das alte System mit Schriftstücken gehört damit der Vergangenheit an."

Für die jungen Fußballer bedeutet das am 1. Oktober in Kraft getretene System, "dass sie nicht von einem Klub in den nächsten wechseln können, ohne eine Spur zu hinterlassen", meint Alain Malan, ein Sportberater in Abidjan. "Kommt es zu einem solchen Transfer, muss der Spieler entweder volljährig sein oder die Erlaubnis seiner Eltern besitzen. Zudem ist die Zustimmung des Nationalverbands erforderlich."


Der Geldmacherei einen Riegel vorgeschoben

Nach Ansicht von Malan hat mit TMS auch das Verhökern junger Talente ein Ende. "Es gibt Klubs, die junge Spieler günstig einkaufen, um sie dann teurer weiterzuverkaufen", sagt er. "Die FIFA wird nach den neuen Richtlinien keinem Transfer eines jungen Spielers zustimmen, der einem Klub angehört, der nicht beim nationalen Fußballverband gemeldet ist."

"Die Geschäftemacherei mit afrikanischen Kickern hat ein Ende", meint Eric Kacou, der Sprecher des ivorischen Fußballverbands FIF. Er schätzt, dass jedes Jahr zehn bis 15 junge Fußballer das Land verlassen. "Wir haben die Klubs bereits geschult. Keiner unserer Fußballspieler wird unser Land am TMS-System vorbei verlassen." (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://de.fifa.com/aboutfifa/federation/administration/releases/newsid=1309831.html
http://www.footsolidaire.org/
http://www.ips.org/africa/2010/11/africa-fifa-moves-against-trafficking-of-young-footballers/


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 4. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. November 2010