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FRAGEN/080: Dagmar Freitag zum Stichwort Sportausschuß des Deutschen Bundestages (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 49 / 1. Dezember 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Sportausschuss des Deutschen Bundestages

Interview mit der neuen Vorsitzenden Dagmar Freitag


An diesem Mittwoch tagt der Sportausschuss des Deutschen Bundestages zum ersten Mal unter Leitung seiner neuen Vorsitzenden Dagmar Freitag (SPD). Auf der Tagesordnung stehen gleich zwei brisante Themen: der Wettskandal und der Fall Claudia Pechstein. Mit der SPD-Politikerin sprach Torsten Haselbauer.


DOSB PRESSE: Herzlichen Glückwunsch zum Ausschussvorsitz. Mit dem Wettskandal kommt ja gleich mächtig Arbeit auf Sie zu.


DAGMAR FREITAG: Richtig. Das habe ich mir aber so nicht ausgesucht. Es gibt Themen, die fallen einem von einem Tag auf den anderen vor die Füße, so wie jetzt der Wettskandal oder der Fall Pechstein. Diese Themen werden wir in der nächsten Sitzung bereits auf der Tagesordnung haben.

DOSB PRESSE: Es heißt, Sie fordern schärfere Gesetze.

FREITAG: Nicht unbedingt. Ich habe nur eine erneute Initiative der bayerischen Justizministerin Merk aufgegriffen, die bereits vor einiger Zeit einen Gesetzentwurf zum Schutz des Sports ins Spiel gebracht hat. Das Gesetz war schon in der vergangenen Legislaturperiode im Bundesrat, allerdings verschwand es dort schnell wieder in der Versenkung. Nun könnte der Gesetzentwurf durch den Wettskandal vielleicht wieder an Aktualität gewinnen.

DOSB PRESSE: Worum geht es konkret in einem solchen Gesetz?

FREITAG: Die grundsätzliche Frage ist: Macht es Sinn, einen Straftatbestand "Sportbetrug" einzuführen? Manche Juristen sagen, es macht sehr viel Sinn. Andere, es macht gar keinen Sinn. In Bezug auf den Wettskandal plädiere ich dafür, so lange zu warten, bis die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft abgeschlossen sind. Erst dann können wir reagieren. Vielleicht auch mit einer veränderten Gesetzgebung. Oder wir stellen fest, dass die vorhandenen gesetzlichen Regelungen ausreichen. Momentan wissen wir Sportpolitiker auch nicht mehr als das, was wir aus der Zeitung oder dem Fernsehen erfahren.

DOSB PRESSE: Auch der Sport selbst macht aktuell einen eher unsicheren Eindruck oder täuscht diese Wahrnehmung?

FREITAG: Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass der DFB anerkennt, dass er das Problem Wettbetrug nicht alleine lösen kann. Der Präsident, Dr. Theo Zwanziger, hat ausdrücklich die Unterstützung durch Staatsanwaltschaft und Polizei begrüßt. Normalerweise besteht der organisierte Sport bekanntlich darauf, solche Probleme innerhalb der Sportgerichtsbarkeit zu regeln. Hier geht um die Frage, ob die Autonomie des Sports beeinträchtigt wird. Dazu gibt es unterschiedliche Ansichten.

DOSB PRESSE: Sehen Sie diese Haltung als eine Art Präzedenzfall: Teile des Sports verschließen sich nicht mehr der Zusammenarbeit mit staatlichen Institutionen?

FREITAG: Das lässt sich an diesem Fall nicht belegen. Ich glaube zumindest, der organisierte Sport wird nachdenklicher. Der Wettskandal zeigt doch, dass der Sport beim Vorliegen krimineller Machenschaften nur in Zusammenarbeit mit anderen Institutionen Erfolg versprechend aufklären kann. Das ist doch kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander. Der Sport braucht diese Hilfe. Er kann weder Hausdurchsuchungen anordnen, noch Vernehmungen durchführen. Und die Probleme werden größer und vielfältiger. Wir hatten Dopingfälle, dann einen ersten Wettskandal mit dem Schiedsrichter Hoyzer, dann einen Schiedsrichterskandal im Handball und nun wieder einen Wettskandal. Was kommt als nächstes?

DOSB PRESSE: Was empfehlen Sie als Sportpolitikerin dem Sport?

FREITAG: Hilfen anzunehmen. Das ist doch kein Angriff auf die Autonomie des Sports. Wir wollen gemeinsam den Sport sauber halten und die Werte, die ethischen Ansprüche des Sports schützen. Auch gerade im Sinne der vielen Ehrenamtlichen im ganzen Land.

DOSB PRESSE: Fürchten Sie eigentlich keinen Interessenskonflikt, weil sie als Sport-Ausschussvorsitzende auch gleichzeitig Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletik-Verbandes sind?

FREITAG: Ich kann das gut und sauber trennen; das habe ich in der Vergangenheit gezeigt. Ich mache das, was in unserer Gesellschaft ausdrücklich erwünscht ist: Ich engagiere mich in meiner Freizeit ehrenamtlich im Sport. Dieses Ehrenamt verbinde ich nicht mit meinem Bundestagsmandat. Also keine Angst. Mit mir wird es im Sportausschuss sicher keine "Lex DLV" geben. In Berlin ist der DLV für mich ein Sportverband wie jeder andere auch.

DOSB PRESSE: Sie waren elf Jahre lang sportpolitische Sprecherin der SPD. Nun sind Sie Vorsitzende eines Ausschusses. Ist die Zeit der klassischen Parteipolitik, zumindest im Sport, nun für Sie vorbei?

FREITAG: Nicht ganz, aber ein gewisser Rollenwechsel ist es schon. Natürlich habe ich als Vorsitzende die Aufgabe, den gesamten Ausschuss angemessen zu repräsentieren. Ich werde aber deshalb nicht zu einem unpolitischen Wesen. Das habe ich jedenfalls nicht vor. Wenn ich zu bestimmten Themen parteipolitisch mitdiskutieren will, kann ich die Ausschussleitung an meinen Vertreter abgeben. Dann kann ich mich ganz normal zu Wort melden und in die Debatte eingreifen.

DOSB PRESSE: Zum Beispiel bei der Diskussion um ein Anti-Doping-Gesetz?

FREITAG: Das kann ich Ihnen heute noch nicht sagen. Aber meine persönliche Auffassung dazu ist jedem bekannt. Ich unterstütze ein solches Gesetz, wenn es den Namen verdient. Effektive Dopingbekämpfung geht nur unter Einbeziehung der staatlichen Ermittlungsbehörden. Die Österreicher machen es uns ja gerade vor. Wir sollten uns deren Gesetz mal genau ansehen.

DOSB PRESSE: Zum Schluss noch etwas Angenehmeres. Wohin wird Sie Ihre erste sportliche Dienstreise führen?

FREITAG: Zu den Olympischen Winterspielen in Vancouver.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 49 / 1. Dezember 2009, S. 14-15
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Dezember 2009