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FRAGEN/079: 15 Ärzte und 25 Physiotherapeuten fürs Olympiateam (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 49 / 1. Dezember 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

15 Ärzte und 25 Physiotherapeuten fürs Olympiateam

Sieben Fragen an Dr. Bernd Wolfarth, verantwortlicher Arzt der deutschen Mannschaft bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver


DOSB PRESSE: Bei den Winterspielen vom 12. bis 28. Februar 2010 werden Sie in Vancouver erstmals als leitender Teamarzt für die deutsche Delegation verantwortlich sein. Welche Aufgaben kommen auf Sie zu?

BERND WOLFARTH: Als Arzt, der aus der betreuenden Sportmedizin kommt, habe ich bereits drei Mal an Olympischen Spielen teilnehmen dürfen. Seit fast 15 Jahren bin ich insbesondere für die deutschen Biathleten im Einsatz. Die Atmosphäre und die Bedingungen bei einem so großen sportlichen Ereignis sind mir also bestens bekannt. Der Unterschied zu den bisherigen Spielen wird für mich sein, dass diesmal neben den medizinischen Aufgaben ein zusätzlicher Teil meine Aufgaben im administrativen Bereich liegen werden. Insgesamt werden dem deutschen Olympia-Team rund 15 Ärzte und 25 Physiotherapeuten angehören. Diejenigen Kollegen, die vor Ort sein und die deutsche Mannschaft in Vancouver bzw. in Whistler medizinisch betreuen werden, müssen durch den DOSB und mich mit diversen Informationen versorgt werden. Dies geschieht z.B. durch Seminare und Workshops bei welchen die Kollegen über medizinische und logistische Voraussetzungen der Arbeit in Kanada informiert werden. Eine weitere Aufgabe ist die Ausstattung und der Aufbau der medizinischen Ambulanz der deutschen Mannschaft, welche im Olympischen Dorf in Vancouver für die Versorgung der deutschen Mannschaftsmitglieder zur Verfügung stehen wird.

DOSB PRESSE: Was werden Sie aus der Heimat mit nach Übersee nehmen?

WOLFARTH: Wir werden beispielsweise einige Geräte nach Vancouver mitnehmen, um bei Problemfällen einige Basisuntersuchungen vorzunehmen. Wir dürfen natürlich auch die medizinische Versorgung in Whistler nicht vergessen, wo wir ebenfalls eine kleine Zentrale einrichten werden, die über einige diagnostische Möglichkeiten verfügen soll. Hierzu gehören Geräte für Ultraschall-, EKG- und Lungenfunktionuntersuchungen. Großgeräte wie CT, Kernspintomographie oder Röntgen stehen in der Poliklinik des Olympischen Dorfes zur Verfügung und werden durch den Veranstalter gestellt. Außerdem wird eine kleine Apotheke für die Versorgung der Athleten und Betreuer der Deutschen Mannschaft vorgehalten. Bei der Zusammenstellung dieser Medikamente erleichtert uns der in diesem Jahr unterzeichnete Kooperationsvertrag mit der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände die Arbeit.

DOSB PRESSE: Welches wird Ihre Aufgabe bei den Olympischen Spielen sein?

WOLFARTH: Meine Hauptaufgabe vor Ort in Vancouver wird sein, unsere Ambulanz im Olympischen Dorf zu leiten. Hier werde ich für die Kollegen bei internistischen Problemen von Athleten zur Verfügung stehen. Daneben werden aber natürlich auch Betreuer und Besucher der deutschen Mannschaft im Olympischen Dorf, bei entsprechenden medizinischen Problemen versorgt. Des Weiteren werden noch einige kleinere Sportarten direkt durch mich zu betreuen sein wie z.B. Curling oder Ski-Freestyle, die voraussichtlich keinen eigenen Arzt dabei haben werden.

DOSB PRESSE: Wie es aussieht, werden Sie Ihre Biathleten in Whistler kaum einmal besuchen können?

WOLFARTH: Ehrlich gesagt, habe ich wenig Hoffnung, dass das häufiger möglich sein wird. Für eine Strecke von Vancouver nach Whistler muss man zwei bis zweieinhalb Stunden Fahrt einplanen. Ein bisschen blutet mir jetzt schon das Herz, wenn ich daran denke, dass ich eventuell keinen beziehungsweise nur den ein oder anderen Wettbewerb der Biathleten hautnah miterleben kann.

DOSB PRESSE: Die Schweinegrippe ist derzeit eines der Dauerthemen. Was raten Sie als Mannschaftsarzt den deutschen Olympioniken?

WOLFARTH: Die Verunsicherung angesichts der medialen Aufmerksamkeit ist natürlich auch bei den Sportlern und Betreuern sehr groß. Unsere Aufgabe ist es, möglichst viele Informationen vom Internationalen Olympischen Komitee und vom Organisations-Komitee VANOC zu sammeln, um die Situation möglicht genau einschätzen zu können. Außerdem stehen wir in engem Kontakt zu den klinischen Virologen des Universitätsklinikums rechts der Isar in München. Zusammen mit den Experten erarbeiten wir Informationsblätter für die Mannschaftsärzte, die Betreuer und die Athleten. Die aktuelle Empfehlung für die Athleten ist eine individuelle Vorgehensweise, bei welcher eine Entscheidung in der direkten Absprache mit den betreuenden Teamärzten getroffen werden sollte. Ich persönlich ordne die Spitzensportler schon einer gewissen Risikogruppe zu, weil sie in der Öffentlichkeit relativ häufig in Kontakt mit vielen Personen treten. Ein Paradebeispiel hierfür geben unsere Biathleten ab, wenn sie bei den Heim-Weltcups im Zuschauerbereich und in den großen VIP-Zelten einer großen Anzahl von eventuell auch erkälteten Menschen ausgesetzt sind. Hier hätte eine Erkrankung natürlich fatale Folgen, insbesondere weil diese Wettkämpfe erst im Januar und damit relativ kurz vor den Olympischen Spielen stattfinden.

DOSB PRESSE: Eine Ihrer Aufgaben besteht ebenfalls darin, das IOC und die Organisatoren in Kanada darüber zu informieren, dass manche Athletinnen oder Athleten meldepflichtige Medikamente einnehmen. Wie viele Ausnahmeregelungen werden Sie für die Olympischen Winterspiele 2010 beantragen?

WOLFARTH: Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre betrifft dies insbesondere Medikamente zur Behandlung eines Belastungsasthmas. Im Durchschnitt der letzten Jahre waren dies jeweils zwischen 5 und 10 Prozent der für die Olympiamannschaft nominierten Sportler. Da man zwischenzeitlich weiß, dass die inhalativen Asthma-Medikamente keine Leistung steigernde Wirkung haben, sind einige dieser Wirkstoffe ab dem kommenden Jahr nur noch anzeigepflichtig und müssen nicht mehr durch komplizierte medizinische Tests gerechtfertigt werden. Das erleichtert unsere Arbeit erheblich. Auf jeden Fall müssen wir aber von allen Athleten wissen, welche Medikamente sie zum Beispiel auch von Hausärzten verschrieben bekommen haben. Diese müssen wie alle Medikamente uns mitgeteilt werden und werden dann durch uns beim Veranstalter zur Einfuhr nach Kanada und ins Olympische Dorf gemeldet.

DOSB PRESSE: Als medizinischer Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gehören Sie bei der Bewerbungsgesellschaft "München 2018" der Fachkommission "Sicherheit und Medizin" an. Wie muss man sich Ihre Arbeit in diesem Gremium vorstellen?

WOLFARTH: Diese Themen spielen vor allem für die umfangreichen Bewerbungsunterlagen, dem sogenannten "großen Bewerbungsbuch" für die Olympiabewerbung eine Rolle. Dieses , das Anfang des Jahres 2011 fertig gestellt sein muss. Dem Internationalen Olympischen Komitee sind darin unter anderem dezidierte Informationen über die medizinische Versorgung zu liefern. In dem Bidbook müssen Informationen über die Poliklinik im Olympischen Dorf, über die Krankenhäuser in den einzelnen Austragungsorten München, Garmisch-Partenkirchen und Schönau am Königsee sowie über die Situation bei der Notfallversorgung dargelegt werden. Dabei kann ich meine Erfahrungen von den Winterspielen in Vancouver und von den Spielen 2002 in Salt Lake City und 2006 in Turin gut einbringen. Insbesondere die kommenden Olympischen Spiele in Kanada sind als Erfahrungsschatz besonders wertvoll, da die räumliche Aufteilung der Wettbewerbe in Vancouver und Whistler sehr gut mit dem Gesamtkonzept für München 2018 vergleichbar ist.

Interview: Andreas Müller


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 49 / 1. Dezember 2009, S. 10-11
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Dezember 2009