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FRAGEN/072: Ulf Tippelt zum Stichwort Trainer-Offensive (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 36 / 1. September 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Trainer-Offensive
Acht Fragen an Ulf Tippelt, Direktor für Leistungssport beim Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB)

"Mit den aktuellen haushälterischen Möglichkeiten ist das Trainer-Konzept der Zukunft nicht zu stemmen"


DOSB PRESSE: Bereits bei Ihrem Amtsantritt im April dieses Jahres haben Sie unterstrichen, dass den Trainern Ihr besonderes Augenmerk gelten wird. Welche Weichen wurden in Sachen der so genannten "Traineroffensive" inzwischen gestellt?

TIPPELT: Die Trainersituation ist in der Tat eines der wichtigsten zentralen Themen und stellt einen der vier Schwerpunkte dar, die ich für meine Tätigkeit definiert habe. Die Trainer sind für die Leistungsfähigkeit des deutschen Leistungssports und seine Konkurrenzfähigkeit im Weltmaßstab eine entscheidende Größe. Das ist ein äußerst vielschichtiges Thema. Bereits seit 2008 wurde im Rahmen der Traineroffensive des DOSB die Situation der Bundestrainer verbessert. Dank ca. vier Millionen Euro vom Bundesministerium des Innern konnten bereits im vorigen Jahr die Bezüge für diese Gruppe angehoben werden. Zugleich wurde es durch diese Summe möglich, insgesamt 40 neue Vollzeitstellen für Bundestrainer einzurichten sowie 28 Stellen für mischfinanzierte Bundestrainer. Diese Verbesserung für das Gesamtsystem war Bestandteil der Zielvereinbarung zwischen DOSB und BMI. Eine zusätzliche Aufwertung des Trainerberufes vornehmlich in der Öffentlichkeit soll mit dem Preis "Trainer des Jahres" einhergehen, der seit 2006 alljährlich vergeben wird. Das alles können natürlich nur erste Bausteine unserer Traineroffensive sein. Eines steht schon jetzt fest: Jene Aufgaben, die es in Bezug auf die Trainersituation in den kommenden Jahren zu lösen gilt, sind mit den jetzigen finanziellen Möglichkeiten nicht umzusetzen. Mit den aktuellen haushälterischen Möglichkeiten ist das Trainer-Konzept der Zukunft nicht zu stemmen.

DOSB PRESSE: Wo genau soll inhaltlich angesetzt werden?

TIPPELT: Beispielsweise schwebt uns die Implementierung eines Prämiensystems für erfolgreiche Trainerinnen und Trainer vor, das ebenfalls den Anteil von früheren Betreuungsleistungen beinhaltet. Schließlich gilt es zu berücksichtigen, dass Athleten auf ihrem Weg in die Weltspitze in den verschiedenen Phasen in der Regel von verschiedenen Personen betreut und geführt wurden, die gerechterweise am Gesamterfolg partizipieren sollten. Ein solches gerechtes Prämiensystem ist derzeit im Stadium der Diskussion, und es gab auch schon Gespräche mit dem für Sport verantwortlichen Bundesministerium des Inneren. Eine andere Facette ist die Aus- und Fortbildung von Trainern. In diesem Sektor sind wir in sehr intensiven Gesprächen mit der Trainerakademie sowie mit Hoch- und Fachschulen, um ein modernes Anforderungsprofil und Berufsbild des Trainers zu definieren und Wege zu suchen, die entsprechende Ausbildung dafür zu ermöglichen. Zu den Ansprechpartnern gehören etwa die Hochschule für Gesundheit und Sport Berlin, die Sporthochschule in Köln und die Universität Leipzig.

DOSB PRESSE: Einen offiziell anerkannten Berufsabschluss für Trainer gibt es bisher nicht in Deutschland. Muss sich das ändern?

TIPPELT: Dahin gehen unsere Bestrebungen. Ein Trainerdiplom muss künftig einem anerkannten, vollwertigen Berufsabschluss entsprechen, wobei es dabei verschiedene Qualitäten geben kann. Bei den Pädagogen gibt es schließlich auch Grundschullehrer und Gymnasiallehrer, die jeweils an ihrem Platz im Bildungssystem zum Einsatz kommen. Eine gemeinsame Überlegung mit der Trainerakademie ist zum Beispiel, demnächst für Trainer einen speziellen Bachelor-Studiengang an Fachhochschulen einzurichten. Eine andere Variante ist die akademische Ausbildung mit einem anerkannten Trainerabschluss. Ein Abschluss als Diplomtrainer an der Trainerakademie in Köln - wie heutzutage üblich - wird künftig allein jedenfalls den Anforderungen nicht mehr genügen. Ich gehe davon aus, dass wir zu einer Mixtur verschiedener Ausbildungsformen gelangen werden. Bei der Suche nach Wegen, wie künftig Trainer ausgebildet und rekrutiert werden, sollen auch verstärkt ehemalige Spitzensportler und Absolventen von Eliteschulen des Sports in den Fokus rücken. Aus diesem Kreis stärker als bisher geeignete Kandidaten herauszufinden und die Besten für die Trainerlaufbahn mit einem entsprechenden Berufsabschluss zu gewinnen, das wird eine der Herausforderungen sein.

DOSB PRESSE: Was die Fort- und Weiterbildung betrifft, haben Sie den Begriff des Trainerberaterteams ins Spiel gebracht. Was verbirgt sich dahinter?

TIPPELT: Gemeint sind damit Teams, die in bestimmten Sportarten oder Sportartengruppen zum Beispiel die Bundestrainer mehr als bisher mit Beratung, Ideen und Input versorgen. Diese Trainingsspezialisten können zum Beispiel aus dem wissenschaftlichen Umfeld der jeweiligen Sportarten, aus den Olympiastützpunkten oder aus dem Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig kommen und sollen vor allem dem Wissenstransfer zu den Trainern sicherstellen. Diese Art der aktiven Beratung soll dazu dienen, das Training so optimal wie möglich zu gestalten. Auf diese Weise sollen die verantwortlichen Trainer einerseits entlastet und andererseits angeregt und mit "frischem Wind" versorgt werden. Ein weiteres Moment, das es zu beachten gilt: Gerade in der akademischen Ausbildung müssen die künftigen Trainer möglichst ausgiebig Gelegenheit bekommen, bei erfolgreichen, gestandenen Trainern zu hospitieren und von ihnen zu lernen. Für Assistenztrainertätigkeiten muss in der Ausbildung genügend Freiraum vorhanden sein.

DOSB PRESSE: Momentan sind vom Vereins- und Landestrainer über jene Trainer, die bei Olympiastützpunkten (OSP), Landessportbünden (LSB) und Spitzenverbänden angestellt sind, bis hin zu allen möglichen Mischformen sehr viele Anstellungsverhältnisse auszumachen. Wird die Traineroffensive dem teilweise undurchdringlichen "Dickicht" zu Leibe rücken und für klarere Zuordnungen sorgen?

TIPPELT: Diese komplizierte und verschiedenartige Struktur ist nicht zuletzt ein Reflex auf die konföderative Struktur des deutschen Leistungssportsystems. Natürlich wäre Vieles leichter, wenn alle Trainer nur bei einem einzigen Arbeitgeber angestellt wären, doch das ist nicht möglich. Mit diesen vielfältigen und unterschiedlichen Vertragsverhältnissen werden wir weiterhin leben müssen, aber wir wollen die Situation so gut wie möglich managen. Ein Schlüssel dafür sind die so genannten regionalen Trainerteams, in denen vertraglich zuverlässig geregelt werden soll, wer in solch einem Trainer-Team aus Bundes-, OSP-, Landes- und anderen Trainern das Sagen hat und wer es führen soll. Bei der Bewerkstelligung einer solchen Hierarchie sind arbeitsrechtlich viele komplizierte Details zu berücksichtigen. Die fachliche Führung, um dieses Modell in die Praxis zu überführen, kann nur bei den jeweiligen Spitzenverbänden liegen. Der DOSB als Dachorganisation kann diese Diskussion befördern und moderieren, aber wir können ein solches System mit klaren Weisungsbefugnissen und Zuordnungen innerhalb eines regionalen Trainerteams den einzelnen Verbänden nicht diktieren und vorschreiben. Dies alles verlangt partnerschaftliche Lösungen. Es gibt bereits gute Beispiele, wie es funktionieren kann.

DOSB PRESSE: Wie viele Trainer werden in den nächsten Jahren gebraucht bzw. wie viele aus der älteren Generation müssen durch Jüngere ersetzt werden?

TIPPELT: Eine komplette Bestandsaufnahme und systematische Analyse über alle Spitzenverbände gibt es nicht. Jedoch gibt es einzelne Verbände wie zum Beispiel den Deutschen Ski-Verband und andere, die mit diesem Thema sehr professionell umgehen und bereits vorbildlich Personalplanungen vornehmen. In jedem Fall ist klar: Was immer die Bedarfserhebung an Ergebnissen liefern wird, muss unser erklärter Anspruch sein, das benötigte Personal weitestgehend aus eigenen Kräften heranzubilden und zu qualifizieren. Andererseits ist klar, dass es heutzutage im internationalen Sportbetrieb keine Abschottung gibt. Unsere Strategie kann jedoch nicht darauf abzielen, ausländische Trainer im großen Stil zu verpflichten.

DOSB PRESSE: Wie können Sie andererseits verhindern, dass gut ausgebildete Trainer dem deutschen Sport den Rücken kehren und als Insider zur Konkurrenz wechseln?

TIPPELT: Noch einmal: Eine am zukünftigen Bedarf orientierte Ausbildung von Trainerinnen und Trainern ist das, was wir wollen. Das ist der Anspruch, doch natürlich können wir niemanden verbieten, wegzugehen und im Ausland zu arbeiten. Damit müssen wir leben, obwohl wir natürlich diejenigen Trainer, die wir ausbilden, betreuen und qualifizieren, letztendlich gern hier behalten möchten.

DOSB PRESSE: Braucht es demnächst spezielle Trainer für die Sichtung von Talenten?

TIPPELT: Grundsätzlich gilt, dass zuerst eine gesunde Vereinsstruktur die Basis des Spitzensports darstellt. Will man Talente entdecken und fördern, setzt dies voraus, dass zunächst einmal eine bestimmte Zahl von Kindern und Jugendlichen für eine Sportart begeistert werden kann. Je größer die Zahl, desto besser. Das ist die Grundlage für die Sichtung. Spezielle Trainer für die Betreuung dieser Vereine und die Unterstützung bei der Sichtung würden gewaltig helfen, In Sachsen zum Beispiel gibt es neuerdings ein Projekt, in dem sich 30 so genannte Regionaltrainer um die Sichtung von Talenten und das Zusammenwirken zwischen Sportvereinen und Schulen kümmern. Sie versuchen, Kooperationen auszubauen und - nicht eng nur auf eine Sportart bezogen - nach talentierten Kindern Ausschau zu halten. So ein Modell kann am Anfang stehen. Die Kunst ist, anschließend möglichst viele dieser Talente durch qualifizierte Trainer bis in die Spitze zu bringen. Genau darauf zielt die Traineroffensive des DOSB ab.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 36 / 1. September 2009, S. 9-10
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2009