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FRAGEN/050: Folker Hellmund zum Thema Sport-Büro in Brüssel - "EOC EU Office" (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 51-52 / 16. Dezember 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: EOC EU Office
Vier Fragen an Folker Hellmund (47), Leiter des Sport-Büros in Brüssel

"Wir müssen uns als Lobbyisten des Sports europäischer aufstellen"


DOSB PRESSE: Was wird sich mit dem neuen Status Ihres Büros zum 1. Januar ändern?

HELLMUND: Die Umbenennung des Büros in "EOC EU Office" dokumentiert, dass nicht mehr der DOSB, sondern die Europäischen Olympischen Komitees (EOC) und das IOC die Federführung übernehmen werden, wobei der DOSB durch seine Mitarbeiter vor Ort natürlich weiterhin Einfluss behalten wird. Die Veränderung bedeutet eine Aufwertung des EU-Büros, und sie ist gewissermaßen eine Reaktion auf den Standpunkt der Europäischen Kommission, die es vorzieht, das Gespräch über europäische Sport-Angelegenheiten mit europäisch orientierten und geprägten Partnern zu suchen. In ihrem Papier zum "Strukturierten Dialog" hat die Kommission deutlich gemacht, mit welchen europäischen Partnern sie den Dialog führen möchte, und dort sind wir als künftiges EOC EU Office sogar ausdrücklich aufgeführt. Das heißt, wir sind für die EU-Kommission bereits als einer der wichtigsten Ansprechpartner in Sachen Sport qualifiziert. Das drückt sich auch darin aus, dass es zirka alle sechs Wochen Arbeitstreffen mit den Sportexperten der Kommission gibt, die bei der Generaldirektion Bildung angesiedelt sind. Dabei werden Ideen über aktuelle Entwicklungen ausgetauscht. Als Stimme der Nationalen Olympischen Komitees von Europa werden wir jetzt noch mehr Gewicht haben. Wir verstehen uns als Bindeglied zwischen IOC und EOC und der EU.

DOSB PRESSE: Wie muss man sich die Reorganisation des Sport-Büros praktisch vorstellen?

HELLMUND: Das EU-Büro des Sports existiert bereits seit 1993 und wurde seinerzeit vom Deutschen Sportbund, vom Nationalen Olympischen Komitee und von den Landessportbünden ins Leben gerufen. Im Laufe der Zeit sind bereits einige europäische Partner wie das Französische Olympische Komitee und der Österreichischen Bundessportorganisation hinzugekommen, die mit eigenen Mitarbeitern im Büro vertreten sind. Die Nationalen Olympischen Komitees der Niederlande, von Norwegen, Dänemark und Luxemburg sind Partner des Büros. Diese Organisationen beteiligen sich an der Finanzierung des Büros, ohne dass sie eigene Mitarbeiter hier haben. Dasselbe gilt für den schwedischen und englischen Sportdachverband, für den Europäischen Leichtathletik-Verband, das Internationale Olympische Komitee IOC und den Zusammenschluss der europäischen nationalen olympischen Komitees EOC. Als Einzelverband nutzt seit Dezember vorigen Jahres auch der Deutsche Fußball-Bund das Büro. Für den DFB ist ein Mitarbeiter tätig, zwei Stellen unterhält der DOSB. Insgesamt arbeiten derzeit sechs Fest-Angestellte im EU-Büro des Sports. Diese Zahl wird sich 2009 nur geringfügig auf sieben erhöhen. Das Büro sieht sich in erster Linie als Ratgeber und Vertreter der Dachorganisationen IOC und EOC, die Fragen und Probleme aus ihrem Zuständigkeitsbereich und von ihren einzelnen Mitgliedern sozusagen gebündelt an uns weiterreichen werden. Unter dieser Voraussetzung sind wir mit einem relativ kleinen Personalbestand in Brüssel handlungsfähig. Außerdem sind wir am 1. Oktober dieses Jahres in neue, größere Büros umgezogen und verfügen am neuen Standort über einen großen Tagungsraum, den es vorher nicht gab. Insofern haben sich die Arbeitsbedingungen deutlich verbessert.

DOSB PRESSE: Sie leiten das EU-Büro seit dem 1. Oktober 2007 und bringen als studierter Politologe mehr als 15 Jahre Berufserfahrung zum Beispiel bei verschiedenen Landesvertretungen in Brüssel mit. Inwieweit ist die Aufwertung des Sport-Büros in der belgischen Metropole dem veränderten Stellenwert des Sports in Europa geschuldet?

HELLMUND: Mit der politischen Neuausrichtung, auch Themen des Sports in ihrer europäischen Dimension anzusiedeln, haben wir jetzt eine völlig veränderte Situation. Themen wie Autonomie des Sports oder Anti-Doping, die nahezu ausschließlich auf Ebene des Europarates behandelt wurden, werden inzwischen auch zwischen den Europäischen Institutionen Rat, Parlament und Kommission diskutiert. Deutlich wird diese Entwicklung durch die Vorlage des "Weißbuchs Sports" und den damit verbundenen Aktionsplan "Pierre de Coubertin", der 53 Maßnahmen auf europäischer Ebene vorsieht. Darüber hinaus hat der Sport in Artikel 165 des - noch nicht unterzeichneten - Lissabon-Vertrags Eingang gefunden. Dort heißt es, dass die EU-Politik stärker den spezifischen Charakter des Sports zu berücksichtigen und parallel dazu eine europäische Dimension des Sports zu entwickeln habe. Diese Formulierungen sind noch recht vage, daher begrüßen wir, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble und andere Sportminister darauf dringen, diese Aussagen zum Nutzen des Sports exzessiv auszulegen. Der Artikel 165 zeigt jedoch: Der Sport war in der Vergangenheit häufig nur mittelbar Betroffener europäischer Politikgestaltung, jetzt wird er vermehrt direkt zum Gegenstand der EU-Politik. Da ist es angezeigt, frühzeitig zu agieren. Entsprechend müssen wir uns als Gesprächspartner der EU-Politiker und als Lobbyisten des Sports europäischer aufstellen, um mehr Beachtung zu finden und unserem Wort mehr Gewicht zu verleihen. Genau dies wird mit der Reorganisation unseres Büros gewährleistet. Beispielsweise wäre es fatal, wenn der Sport - wie in der Vergangenheit geschehen - bei der Erarbeitung von Gesetzen, die den Sport betreffen, nicht einbezogen wäre. Das europäische Wettbewerbsrecht etwa ist sicherlich nicht auf den Sport ausgerichtet, doch es hat natürlich Auswirkungen für diesen Sektor. Unsere Aufgabe ist es, die politisch Handelnden eben auf solche Zusammenhänge aufmerksam zu machen.

DOSB PRESSE: Welches werden Ihre inhaltlichen Schwerpunktaufgaben sein?

HELLMUND: Die Palette der Aufgaben ist sehr groß. Es geht um die Autonomie und den spezifischen Charakter des Sports und die Diskussion über Regelungen, die vor dem Hintergrund eines autonomen Sports nicht von den EU-Gesetzen hinterfragt werden sollten. Wir haben den Aktivplan "Pierre de Coubertin", der den Sport als Bestandteil mehrerer Politikfelder in den Blickpunkt rückt. Beispielsweise die Bedeutung des Sports in Bezug auf die soziale Integration und seine Möglichkeiten im Rahmen der Gesundheitspolitik, insbesondere im Kampf gegen Übergewicht und Adipositas. Regelmäßig berichten wir auch über Fördermöglichkeiten für sportrelevante Projekte und haben dazu in diesem Sommer auch eine eigene Förderbroschüre herausgegeben. Im engeren wirtschaftlichen Sinne geht es um Vermarktungsfragen und den Schutz von Rechten für die Veranstalter von Sportereignissen. Ein wichtiges Thema ist das Thema Glücksspiel, wobei nicht nur die Zulässigkeit des staatlichen Monopols auf dem Prüfstand steht, sondern zugleich Wege und Möglichkeiten gefunden werden müssen, um Manipulationen und verabredete Ergebnisse bei Sportwetten mit teilweise exorbitanten Einsätzen zu unterbinden. Dauerbrenner-Themen sind die kollektive Vermarktung von Medienrechten, der Schutz von Minderjährigen bei Transfers oder einheitliche europäische Mindeststandards für Lizenzierungsverfahren in den Profiligen. Natürlich beschäftigt uns aktuell auch die Frage der 6+5-Regelung und ob Einschränkungen für ausländische Profis in den Ligen mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar ist oder nicht. Man sieht, die Themen reichen von der sehr grundsätzlichen politischen Ausrichtung bis hin zu sehr detaillierten, klar umrissenen Fragenstellungen. Trotz der europäischen Ausrichtung des Büros wollen wir verstärkt die Landessportbünde mit in die Arbeit einbeziehen. Auf diese Weise wird einerseits der Basisbezug verbessert und andererseits dafür gesorgt, dass die Informationen aus dem Brüsseler Büro breiter in die Sportlandschaft gestreut werden.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 51-52 / 16. Dezember 2008, S. 16-17
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2009