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FRAGEN/038: Prof. Dr. Christian Wopp zum Stichwort Vision Bewegungs(t)räume (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 34 / 19. August 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Vision Bewegungs(t)räume

Vier Fragen an den Sportwissenschaftler Prof. Dr. Christian Wopp


DOSB PRESSE: Mit dem Symposium "Bewegungs(t)räume" hat die Plattform Ernährung und Bewegung (peb) neue Lösungswege zur Verbesserung und Erschließung von städtischen Bewegungsräumen aufgezeigt. Für das Symposium arbeitete die Plattform eng mit Ihnen als einem der führenden Experten für kommunale Bewegungsräume zusammen. Herr Prof. Wopp, wie hängt das gesunde Aufwachsen unserer Kinder mit den Bewegungsräumen in ihrer Umgebung zusammen? Reicht es nicht, wenn die Kinder regelmäßig zum Sport gehen?

WOPP: Nein, das reicht nicht aus - ist aber nichts desto trotz sehr wichtig. Kinder müssen sich in ihrem Alltag mehr bewegen. Das städtische Umfeld bietet den Kindern jedoch heute zu wenig attraktive Bewegungsräume. Das müssen wir berücksichtigen, denn Bewegungsräume sind eine wichtige Säule der Gesundheitsvorsorge.

DOSB PRESSE: Was hat sich denn im Umfeld der Kinder konkret verändert?

WOPP: Der Aktionsradius der Kinder im direkten Wohnumfeld, das die Kinder sich selbst erschließen, hat stark abgenommen. Zudem sind die Bewegungsräume "verinselt" - d. h. Kinder können diese Flächen ohne die Hilfe Erwachsener oft nicht erreichen. Außerdem werden immer weniger Wege mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt - die Eltern werden zu Chauffeuren ihrer Kinder. Und nicht zuletzt sind viele als Bewegungsräume vorgesehene Flächen einfach zu unattraktiv. Es werden immer noch Bolzplätze mit 7,38 großen Toren auf die grüne Wiese gebaut, und wir wundern uns, dass diese kaum genutzt werden. Unsere Angebote müssen aber an den gesellschaftlichen Wandel und die veränderten Vorlieben unserer Kinder anschließen.

DOSB PRESSE: Welche Veränderungen meinen Sie damit genau?

WOPP: Um es einmal auf den Punkt zu bringen: Die Kinder in Deutschland werden weniger, dicker, ungeschickter, weiblicher, strebsamer und internationaler. Darauf müssen wir reagieren - dazu nur ein Beispiel: Jungen und Mädchen haben heute sehr unterschiedliche motorische Probleme und sportliche Wünsche, so "erobern" Jungen öffentliche Räume im wahrsten Sinne des Wortes z. B. mit dem Skateboard, während Mädchen sich lieber in geschützten Räumen betätigen und hier z. B. gerne tanzen. Für diese unterschiedlichen Bedürfnisse müssen wir differenzierte Angebote beispielsweise durch Freilufthallen oder Mädchenzentren schaffen. Sind diese zielgruppenspezifischen Angebote vorhanden, bewegen sich die Kinder und Jugendlichen auch entsprechend mehr.

DOSB PRESSE: Wie können solche Angebote konkret aussehen - gibt es eine Faustregel dafür, was angenommen wird?

WOPP: Auf unserem Symposium haben wir überzeugende Planungsinstrumente wie die integrative Stadtplanung und die Spielleitplanung sowie erfolgreiche Best-Practice-Projekte kennen gelernt. Exemplarisch möchte ich hier einmal den "Sportgarten Bremen" anführen. Damit wird eine neue Form der Jugendarbeit praktiziert, indem Kindern und Jugendlichen Zugänge zur Bewegung aufgezeigt werden, statt sie pädagogisch zu versorgen. Die zentral gelegene Sportanlage bietet Möglichkeiten für Fußball, Hockey, Basketball und Volleyball - hinzu kommen Skateboardrampen und Kletterfelsen sowie Freiräume zur Entspannung. Und das Wichtigste: Die Impulse für das Modellprojekt kamen von den Kindern und Jugendlichen selbst. Und damit haben wir auch so etwas wie eine Faustformel: Die Angebote sind dann erfolgreich, wenn die Planer einen Perspektivwechsel vornehmen - die Kinder und Jugendlichen müssen bei der Planung, Gestaltung und Ausführung eingebunden werden. Damit werden vor Ort eigene, individuelle und letztlich auch erfolgreiche Bewegungsräume geschaffen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 34 / 19. August 2008, S. 11
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. August 2008