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FRAGEN/020: Herta Däubler-Gmelin zum Stichwort Menschenrechte (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Menschenrechte
Vier Fragen an Prof. Herta Däubler-Gmelin, Bundesministerin a.D. und Vorsitzende des Ausschusses für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe des Deutschen Bundestages, SPD-Bundestagsabgeordnete

"IOC hat sehr genau verstanden, welche Möglichkeiten Olympia bietet"


DOSB PRESSE: Die Menschenrechtssituation in China im Vorfeld der Olympischen Spiele war Gegenstand einer öffentlichen Anhörung von Ausschüssen des Deutschen Bundestages. Welche Bilanz ziehen Sie aus dem Experten-Hearing?

DÄUBLER-GMELIN: Der Menschenrechts- und der Sportausschuss sind beide der Meinung: Man könne nicht sagen, Menschenrechte sei etwas für Gutmenschen, sozusagen ein Zuckerguss für Ethisch-Wohlmeinende am Sonntag, und daneben liefen dann die gesamten Politik- und Gesellschaftsbereiche unverbunden nebenher. Nein, beides gehört zusammen, das heißt: Menschenrechte und Politik, Menschenrechte und Sport. Wir, Menschenrechtler und Sportler, freuen uns auf die Olympischen Spiele in Peking. Und wir haben in der gemeinsamen Ausschusssitzung den menschenrechtlichen Teil der Olympischen Charta, der ja auch unseren Ansatz vertritt, besprochen.

Warum? Es gibt Menschenrechtsprobleme in China; es gibt auch Bedenken selbst in der Volksrepublik; es gibt aber auch eine ganze Menge an Bewegung und Verbesserungen. Und das wollten wir festhalten. Und selbstverständlich wollen wir auch die Olympischen Spiele für eine größere Verbreitung der Menschenrechte in China und Asien nutzen.

DOSB PRESSE: Olympia 1988 fand in Seoul statt; damals regierte dort noch ein Militärregime. Es gab Studentenunruhen, soziale Proteste im Vorfeld der Spiele. Der olympische Spirit hat dann aber etwas bewegt - nachhaltig. Können universelle Werte, Humanität und Menschlichkeit, sozusagen im Schlepptau des Treffens der Jugend der Welt in Peking auch über das Fest Olympia hinaus Bestand haben?

DÄUBLER-GMELIN: Es geht nicht nur um unverbindliche Werte, sondern um sehr verbindliche Grundrechte, die jedem Einzelnen und jeder Gruppen zustehen. Nicht deswegen, weil wir jetzt meinen, das müsse so sein, sondern weil wir aus Erfahrung wissen, dass jede Gesellschaftsordnung - ob die deutsche, die chinesische oder auch die globale Gemeinschaft, die wir mit den Chinesen aufbauen - ohne Menschenrechte gar nicht funktionieren kann. Unsere chinesischen Freunde haben das Leitbild der harmonischen Gesellschaft - das geht ohne Menschenrechte gar nicht. Selbstverständlich sind politische Großereignisse wie die

DOSB PRESSE Seite 5 Nr. 7/12.02.2008

Olympischen Spiele, bei denen die ganze Welt mit Freude auf China schaut, Anlass, auch auf diese Seite zu blicken. Der Vergleich mit Seoul oder auch mit Moskau 1980 zeigt, dass man mit einer "blame and shame"-Politik des Anprangerns sicherlich weniger erreicht als durch Miteinanderreden, aber auch durch ein Deutlichmachen, warum die Überzeugung der Menschenrechte so ist, wie sie ist, und auch dadurch, dass man bei uns auf die Veränderungen hinweist und auch auf das, was sich in China tut. Es wird ja bei uns zu wenig darüber berichtet, wie jetzt kürzlich über den Vorfall in Tianem, dass Polizeiübergriffe auf normale Bürger auch zur Festnahme von Polizisten führt.

DOSB PRESSE: Kritisiert wird in den Medien, dass das Internationale Olympische Komitee mehr Bedingungen für Menschenrechtsstandards einfordern müsse. Schließlich sei China unter dem Druck, das Weltereignis erfolgreich zelebrieren zu wollen, wird häufig argumentiert. Sollte das IOC aktiver werden?

DÄUBLER-GMELIN: Ich habe den Eindruck, dass die Mitglieder des IOC sehr genau verstanden haben, welche Möglichkeiten ein solches Weltereignis bietet. Man darf ja nicht vergessen: Das ist ein großer politischer Erfolg für China, die Olympischen Spiele in Peking veranstalten zu dürfen - das war ja früher aufgrund politischer Einflüsse, auch aus den USA kommend, gar nicht machbar. Mein Eindruck ist, dass das IOC und China das verstehen. Das Einzige, was ich hier anmerken muss: Richtig deutlich in diese Richtung zu gehen, das bedeutet nicht unbedingt, dass man laut die Hupe betätigt. Es muss aber wirksam sein, und darum geht es.

DOSB PRESSE: Verbale Schaufenstererklärungen oder diplomatisch gewieft?

DÄUBLER-GMELIN: Verbale Schaufenstererklärungen helfen nicht. Es kommt darauf an, dass man es tut und dass man dranbleibt. Im Bereich der Politik kann ihnen doch niemand den Erfolg oder gar den schnellen, signifikanten Erfolg garantieren. Ich halte es für einen richtigen Fortschritt, dass wir eine große Gruppe von Intellektuellen in China haben, die sich jetzt auch in die Öffentlichkeit wagen und etwa klar und deutlich sagen: Es sei Unrecht, dass man einen Kritiker eingesperrt hat.

Diese innergesellschaftlichen Fortschritte sind gut, diese Auseinandersetzung muss sein. Inwieweit sie betrieben werden kann, können allerdings die Chinesinnen und Chinesen besser beurteilen als jemand von uns - auch wenn sich ein erhobener Zeigefinger hier in Deutschland sicherlich medienmäßig ganz gut macht.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 7, 12. Februar 2008, S. 4-5
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Februar 2008