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GESCHICHTE/488: "Selbsterhaltung des Sports" (Teil 283 und Schluss der Serie) (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 4 / 20. Januar 2015
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

2002/V: DSB-Präsident Richthofen zur NADA:
"Selbsterhaltung des Sports" (Teil 283 und Schluss der Serie*)

Von Friedrich Mevert



"Heute ist ein großer Tag des deutschen Sports im Kampf gegen die Seuche Doping", betonte der Präsident des Deutschen Sportbundes (DSB), Manfred von Richthofen, am 15. Juli 2002 beim Gründungsakt der unabhängigen Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) im Alten Rathaus in Bonn. Er wagte diese optimistische Feststellung trotz der jüngsten Hiobsbotschaften um den Medikamentenmissbrauch von Radprofis, weil er - genau wie Bundesinnenminister Otto Schily und die Vorsitzende der Sportministerkonferenz, Annegret Kramp-Karrenbauer - die Gründung der NADA als ein hoffnungsvolles Zeichen im Bemühen um noch wirkungsvollere Strategien gegen jegliche Manipulation im Sport wertet. Der DSB-Präsident, der Bundesinnenminister und die Vorsitzende der Sportministerkonferenz zählten auch zu den Unterzeichnern der Gründungsurkunde der NADA, die im Spätherbst in der Bonner Heuss-Allee 38 nach Beendigung der Umbauarbeiten mit ihrer Arbeit beginnen wird.

Bundesinnenminister Otto Schily sagte bei dem Festakt in Bonn, dass Deutschland mit der Gründung der unabhängigen und eigenständigen Nationalen Anti-Doping-Agentur im Kampf gegen das Doping im Sport einen großen Schritt vorankomme. Zwischen dem Deutschen Sportbund und dem Bundesinnenministerium bestehe Einigkeit darüber, dass das nationale Kontrollsystem fortentwickelt werden muss, um weitere Fortschritte bei der Dopingbekämpfung zu erzielen. "Bei diesen Bemühungen bin ich stets Seite an Seite mit DSB-Präsident von Richthofen marschiert, und das soll auch so bleiben", unterstrich der Bundesinnenminister. Er sagte weiter, Ziel der NADA für die Zukunft müsse sein, weitere Sponsoren und Unterstützer zu gewinnen, um so zusätzliche Aktivitäten zu ermöglichen. Vor allem Präventions- und Aufklärungsmaßnahmen im Kampf gegen das Doping könne man nur voranbringen, wenn sich möglichst Vertreter aller gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche finanziell und mit ihrem Know-how in die NADA einbringen.

DSB-Präsident von Richthofen beleuchtete in seinem Statement den Kampf gegen Doping in der Vergangenheit ebenso wie die Zukunftsperspektiven für diese wichtige Aufgabe. Dabei sagte er unter anderem:

"Die jüngsten Hiobsbotschaften mögen zwar vor hohen Erwartungen oder gar euphorischen Einschätzungen dringend warnen. Aber ich wage dennoch die optimistische Feststellung: Heute ist ein großer Tag des deutschen Sports im Kampf gegen die Seuche Doping! Wir haben uns hier nach einigen Anlaufschwierigkeiten zum festlichen Akt der Gründung der unabhängigen Nationalen Anti-Doping-Agentur zusammengefunden. Und das darf immerhin als ein hoffnungsvolles Zeichen im Bemühen um noch wirkungsvollere Strategien gegen jegliche Manipulation im Sport gewertet werden. Ein paar gute Gründe zweifellos, um denen zu danken, die die entscheidenden Fundamente für diesen Gründungsakt gelegt haben. Mein Dank gilt der Bundesregierung, den Bundesländern, der Bundesstadt Bonn und den Wirtschaftspartnern Deutsche Telekom und Deutsche Bank. Gestatten Sie, dass ich in diesem Zusammenhang in aller Bescheidenheit auch die Beteiligung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland, der Stiftung Deutsche Sporthilfe und des Deutschen Sportbundes erwähne. Alle Partner zusammen stehen für ein Gemeinschaftswerk, dem wir zum Start sicher eine breitere Plattform und vor allem eine großzügigere finanzielle Basis gewünscht hätten. Doch was bisher nicht ist, kann ja noch werden. Und dabei geht mein Appell gezielt in Richtung deutsche Wirtschaft. Die hat hier ganz offensichtlich erheblichen Nachbesserungsbedarf und sollte sich künftig stärker von der Devise leiten lassen: Zum seriösen Sport-Sponsoring gehört das offensive Anti-Doping-Engagement!

Wenn wir heute also eine neue Ära im Kampf gegen Doping, Manipulation, Gesundheitsgefährdung, Unmoral und Wettbewerbsverzerrung einläuten, dann tun wir das in der Hoffnung auf größere Erfolge und bessere Zeiten. Dabei müssen wir die Ergebnisse der Vergangenheit keineswegs schamhaft verschweigen. Im Gegenteil! Die bisherigen Bemühungen des organisierten Sports um Sauberkeit und Glaubwürdigkeit haben Früchte getragen. Und sie haben Wirkung gezeigt. Mit anderen Worten: Die vielbeschworenen Selbstreinigungskräfte des Sports halten auch einer sehr kritischen Prüfung stand. Lassen Sie mich das mit einer kurzen Rückblende belegen.

Um dem zunehmenden Doping-Missbrauch im Sport zu begegnen, hat der Hauptausschuss des Deutschen Sportbundes bereits 1970 die Rahmen-Richtlinien zur Bekämpfung des Dopings verabschiedet. Seinerzeit verpflichteten sich die im DSB zusammengeschlossenen Turn- und Sportverbände, die Verwendung von Doping-Substanzen im Sport zu verbieten und das Doping mit allen ihnen zu Gebote stehenden Mitteln zu bekämpfen. Drei Jahrzehnte Kampf gegen die Manipulation blieben auch in der breiten Öffentlichkeit nicht ohne Wirkung. Mit der gemeinsamen Anti-Doping-Kommission von DSB und NOK, die seit rund 10 Jahren tätig ist, hat sich aus den anfänglichen Anti-Doping-Strukturen in Deutschland ein sehr effektives "Doping-Kontroll-System" entwickelt, das auch viele andere Länder für beispielhaft halten.

In dieses System sind seit 1999 alle olympischen Verbände einschließlich der Fußball-, Rad- und Tennisprofis sowie 14 ausgewählte nicht-olympische Verbände eingebunden. Rund 8.000 Kadersportlerinnen und -sportler vom Hochleistungs- bis zum Nachwuchsbereich erfasst das Kontroll-Netzwerk. Bis Ende des Jahres 2002 werden es insgesamt rund 45.000 Kontrollen sein, die die ADK dann durchgeführt haben wird.

Im internationalen Vergleich hat der Deutsche Sportbund, insbesondere was die Anzahl der Trainingskontrollen betrifft, eine Spitzenstellung inne. Während es in Europa eine Reihe von Ländern gibt, in denen vergleichbare Systeme etabliert worden sind, haben außerhalb Europas nur noch Australien, die USA, Kanada und Neuseeland hohe Standards. Zu diesen Ländern hat die ADK regelmäßige Kontakte unterhalten und auch die Zusammenarbeit mit den Organisationen gepflegt. Eine Bilanz, so denke ich, die sich sehen lassen kann und die Maßstäbe gesetzt hat in dem Bemühen, die Zukunftsfähigkeit des Sports zu sichern. Denn die Alternative wäre ein Versinken im Dopingsumpf gewesen und hätte wohl das Aus für alle verantwortungsbewussten Spitzensport-Träume bedeutet. (...)

Ich denke, wir dürfen guter Hoffnung sein, dass sich das Kürzel NADA sehr schnell zu einer Gütemarke für sauberen Sport entwickeln wird. Auf der Basis größtmöglicher Unabhängigkeit und weitreichender Kompetenzen sollen die exzellenten Vorgaben der bisherigen Anti-Doping-Kommission ausgeweitet und gleichzeitig auch verfeinert werden. Sicher wird das funktionierende Kontrollsystem in Zukunft der Kernbereich der Arbeit bleiben. Aber es geht auch verstärkt um die Koordinierung der Sportgerichtsbarkeit, um internationale Zusammenarbeit, und es geht vor allem um Aufklärungsarbeit und pädagogische Maßnahmen im großen Stil, um noch deutlichere Signale in der breiten Öffentlichkeit zu setzen. Ein stetig wachsender Aufgabenkatalog, der die Handlungsmöglichkeiten der ADK in letzter Zeit an ihre Kapazitätsgrenzen hat stoßen lassen und dem künftig die NADA neue Ressourcen eröffnen soll.

Denn es kann keinen Zweifel geben: Wenn Deutschland im internationalen Leistungsvergleich auch weiterhin vordere Ränge anstrebt, dann sollte ein Spitzenplatz im Kampf gegen Doping und Manipulation geradezu selbstverständlich sein. Skeptiker mögen genau darin einen Widerspruch sehen. Aber wir dürfen allen Rückschlägen und Negativbeispielen zum Trotz unser Bestreben nicht aufgeben, optimale Ergebnisse unter absolut sauberen Vorzeichen zu erzielen. Dafür darf uns keine Anstrengung zu groß und keine Argumentation zu lästig sein, zumal die Ausstrahlungen unverantwortlichen Handelns ja inzwischen bereits den Fitness- und Breitensportbereich erfasst haben.

Alle Macht der NADA möchte man da etwas pathetisch schlussfolgern, doch so abwegig ist diese Interpretation keineswegs. Die neue Einrichtung muss zumindest so breit gefächerte Unterstützung erhalten, dass sie sehr schnell zu einem Bollwerk der Glaubwürdigkeit im verschärften Kampf gegen Doping wird.

Der organisierte Sport jedenfalls wird diese Unterstützung nicht schuldig bleiben. Denn die hat ja schließlich auch etwas mit einem gesunden Selbsterhaltungstrieb zu tun, zu dem es glücklicherweise keine Alternative gibt.

Ich hoffe auf fruchtbare und langfristige Kooperation und Partnerschaft zwischen allen Geburtshelfern und Trägern der NADA und zweifle nicht an deren Unabhängigkeit. Dem neuen Vorstand wünsche ich viel Überzeugungskraft und eine ebenso harte wie glückliche Hand im Dienste eines sauberen Sports, der mehr Freude macht als Verdruss bereitet."


* Mit diesem Beitrag, dem 283., endet die längste Serie, die in der DOSB-PRESSE veröffentlicht worden ist. Über viele Jahre hat unser Autor Friedrich Mevert damit den Werdegang des Deutschen Sportbundes und auch des Nationalen Olympischen Komitees, der Vorgängerorganisationen des Deutschen Olympischen Sportbundes, seit 1945 nicht nur beschrieben. Er hat so manches Dokument, das vergessen schien, für die Fachwelt wieder in Erinnerung gebracht und vor allem auch für manche jüngeren Freundinnen und Freunde des Sports diese Kapitel der Geschichte überhaupt erst mit Leben gefüllt.

Diese Aufgabe ist erfüllt, weil die verschiedenen sportpolitischen Dokumente von Institutionen und Personen spätestens seit Ende der neunziger Jahre in der Regel im Internet dokumentiert und einsehbar sind. Mevert wird seinen reichen Erfahrungsschatz gleichwohl weiterhin der DOSB-PRESSE zur Verfügung stellen, für Porträts, für die Erinnerung an wichtige Jahrestage und um Entwicklungen des Sports historisch richtig einzuordnen.

Die Redaktion der DOSB-Presse

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 4 / 20. Januar 2015, S. 22
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Telefon: 069/67 00-236
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Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2015


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