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GESCHICHTE/453: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 253 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 20 / 13. Mai 2014
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1999/III: Wahlprüfsteine des DSB zur Europawahl 1999
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 253)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Bei der 62. Sitzung des DSB-Präsidiums am 30. April 1999 in Magdeburg mit Vizepräsident Hans-Georg Moldenhauer als Gastgeber dominierten die sportpolitischen Themen, u.a. die Wahlprüfsteine für die Wahl des Europäischen Parlaments 1999.

Diese Wahlprüfsteine richteten sich an die im Europaparlament vertretenen deutschen Parteien und deren Abgeordnete oder Kandidaten, aber auch an die DSB-Mitgliedsorganisationen als sportpolitische Orientierungshilfen für deren eigene Europa-Aktivitäten.

Die acht Fragen betrafen wesentliche Bereiche, die schon in früheren Resolutionen und Verhandlungen des DSB eine wichtige Rolle gespielt hatten: von der Rolle des Sports bei der zukünftigen Entwicklung Europas bis zur Stärkung der Bereitschaft Jugendlicher zu ehrenamtlichem Engagement.

Wenige Tage zuvor hatten die nichtstaatlichen Sportdachverbände Europas anlässlich ihrer ENGSO-Generalversammlung vom 22. bis 25. April auf Malta kritisch zur Vorlage der Europäischen Union "Das Europäische Sportmodell" Stellung genommen und beschlossen, ihre Zusammenarbeit weiter zu verstärken. Alle Parteien antworteten eingehend und umfangreich auf die Wahlprüfsteine und sicherten dem DSB eine verlässliche Partnerschaft gegenüber dem Sport für die kommende Legislaturperiode zu.

Die acht Fragen des DSB hatten folgenden Wortlaut:

"1. Der Sport ist in der ablaufenden Legislaturperiode des EU-Parlamentes verstärkt unter dem Gesichtspunkt seiner wirtschaftlichen Aspekte durch die Kommission bewertet und eingeengt worden. In der Protokollerklärung von Maastricht ist dagegen auf seine kulturelle und soziale Funktion hingewiesen worden.

Welche grundsätzliche Rolle spielt nach ihrer Meinung (der Meinung ihrer Partei) der Sport in der zukünftigen Entwicklung Europas, mit welchen parlamentarischen - politischen Schritten will ihre Partei (wollen Sie) diese Rolle durchsetzen?

2. In der Vergangenheit ist wiederholt erklärt worden, dass wegen der Betroffenheit des Sports von unterschiedlichen gesetzlichen Regelungen in anderen Bereichen (Soziales, Kultur, Wirtschaft, Beschäftigung u.a.) ein Konsultationsverfahren für den Sport eingeführt werden soll. In welcher Form soll ihre Partei (wollen Sie) dieses Konsultationsverfahren sichern?

3. Die Europäische Kommission ist beauftragt worden, bis zum Gipfeltreffen in Helsinki einen Bericht zum Schutz der sozialen Rolle des Sports und seiner Struktur vorzulegen. Der zur Vorbereitung von der Kommission versandte Fragebogen legt ein verstärktes Gewicht auf die wirtschaftlichen und wettbewerbsrechtlichen Aspekte des kommerzialisierten Sports. Sind Sie (ist ihre Partei) bereit, sich aktiv in die Erstellung eines Berichtes einzuschalten, und wie soll dabei die ursprüngliche Zielsetzung des Berichts erreicht werden, die Selbständigkeit der nationalen Sportorganisationen in der EU sowie deren soziale Aufgabe zu sichern?

4. Das deutsche Sportvereinswesen ist gemeinnützig organisiert und steuerrechtlich abgesichert. Wie wollen Sie (will ihre Partei) gegenüber Harmonisierungsansätzen in der europäischen Steuerpolitik das Prinzip der Subsidiarität in der öffentlichen Förderung des Sports sowie seine Möglichkeit, im Rahmen der Finanzierung seiner ideellen Aufgaben auch wirtschaftliche Tätigkeiten zu entwickeln schützen?

5. Zur Finanzierung seiner ideellen Ziele ist der Sport, insbesondere eine Reihe von Sportspielarten, auf Gesamtvermarktungsansätze seiner Spielsysteme angewiesen. Wie kann aus ihrer Sicht (der Sicht ihrer Partei) die wettbewerbsrechtliche Gefährdung dieses Ansatzes durch die Kommission abgewehrt werden?

6. Angesichts dieser vielfältigen Ansätze der Europäischen Kommission, Struktur und Finanzierungssysteme des Sports in Frage zu stellen, ist dringend ein übergreifendes Sicherungssystem gegen den Anspruch der Kommission auf Zuständigkeit im gemeinnützigen Sport erforderlich. Ist dies aus ihrer Sicht (der Sicht ihrer Partei) durch einen Artikel im EU-Vertrag möglich? Welche anderen Ansätze zur Durchsetzung dieses Anspruches sehen Sie?

7. Die Aktivitäten des Sports beziehen sich u.a. auf erzieherische, kulturelle, gesundheitliche, arbeitsmarktpolitische und jugendpolitische Themen. Welche Möglichkeiten sehen Sie bereits jetzt (sieht ihre Partei), den Sport in die Förderung der EU für diese Bereiche einzubeziehen?

8. Die gesellschaftliche Entwicklung der nächsten Jahre wird verstärkt die ehrenamtliche Mitwirkung junger Menschen bei der Bewältigung von Gemeinschaftsaufgaben notwendig machen. Welche Möglichkeiten sehen Sie (sieht ihre Partei), durch Aktivitäten des EU-Parlaments sowie der Kommission die Bereitschaft Jugendlicher zur ehrenamtlichen Mitarbeit zu stärken?

Nachfolgend werden einige Auszüge aus den Stellungnahmen der Parteien wiedergegeben:

SPD:
"Die Europäische Union muss die Programme verstärken, die die Europäische Identität und Verbundenheit junger Menschen entwickeln." So formuliert es das Manifest der Sozialdemokratischen Parteien Europas am 1. und 2. März 1999. Für die SPD spielt der Sport im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses eine herausragende Rolle. Sport trägt zur Identitätsfindung und zur Begegnung von Menschen bei.

Die Konferenz von Amsterdam hat in ihrer Erklärung an die Gremien der EU appelliert, die Sportverbände bei wichtigen, den Sport betreffenden Fragen anzuhören. Sozialdemokratische Mitglieder der EU werden darauf achten, dass dieser Appell umgesetzt wird. (...)"

CDU:
"(...) Sport schafft grenzüberschreitend Kontakte und führt Menschen zusammen; die Weiterentwicklung der Sportpolitik auf europäischer Ebene wird somit einen wesentlichen Beitrag zur europäischen Integration leisten. Deshalb ist der Sport entsprechend seinem hohen gesellschaftlichen Stellenwert in Europa im europäischen Vertrag angemessen zu berücksichtigen, zu fördern und seine Gemeinnützigkeit zu wahren. (...)"

CSU:
"(...) Die CSU erachtet es als lebenswichtig für den Sport in Deutschland, dass die steuerrechtliche Absicherung der gemeinnützigen Sportvereine erhalten bleibt. Aktivitäten des Sports können in bereits bestehende Fördermöglichkeiten der EU einbezogen werden, soweit ihre Ziele der sportübergreifenden Zweckbestimmung der Förderprogramme entsprechen. (...)"

Bündnis 90/Die Grünen:
"Den kommerzialisierenden Tendenzen im Sport muss Einhalt geboten werden, um den Sport als solchen zu schützen und die Vitalität des sportlichen Wettbewerbs zu erhalten. Mit Rücksicht auf die Tatsache, dass Sport immer noch ein Bestandteil der nationalen Identität und damit der kulturellen Vielfalt in Europa ist, sollten die Binnenmarktvorschriften nur eingeschränkt angewendet werden. Wir fordern, dass in größerem Maße auch verschiedene andere Förderprogramme um Aktionen im Bereich des Sports erweitert werden. Erste Ansätze sind im CONNECT-Programm - eine Brücke zwischen Kultur und Bildung - bereits getan. (...)"

PDS:
"Sportliche Betätigung ist wichtig. Wegen der vielen Aufgaben des Sports betrachtet die PDS den Sport als ein wichtiges Feld ihres politischen Wirkens und natürlich in ihrer Europapolitik. Nach unserer Auffassung darf sich die europäische Integration eben nicht nur auf den Binnenmarkt und die einheitliche Währung beschränken. Wir stellen uns der Verantwortung, die Belange des Sports als sozialer und kultureller Einrichtung der Gesellschaft zu sichern. (...)"

FDP:
"Der Sport leistet aufgrund seiner hohen integrativen Wirkung einen außerordentlichen Beitrag zur europäischen Einigung. Die gemeinsame Erklärung zum Sport in Europa im Amsterdamer Vertrag hebt daher die gesellschaftliche Bedeutung des Sports für die Menschen in Europa hervor. Darüber hinaus muss allerdings bei nächster Gelegenheit dem Vertrag ein gesonderter Artikel angefügt werden, der dem Sport gewidmet ist. Nur so wird die Eigenständigkeit des nationalen Sports wie auch dessen Gemeinnützigkeit gesichert und dem Gedanken der Subsidiarität Rechnung getragen. (...)"

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 20 / 13. Mai 2014, S. 28
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Mai 2014