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GESCHICHTE/452: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 252 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 19 / 6. Mai 2014
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1999/I: Neue Gesetze belasten den Sport: eine Orientierungshilfe des DSB
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 252)

Eine Serie von Friedrich Mevert



"Die in der Koalitionsvereinbarung der Regierung getroffene Formulierung zum Goldenen Plan Ost muss endlich umgesetzt werden", forderte DSB-Präsident Manfred von Richthofen bei zahlreichen sportpolitischen Gesprächen zu Beginn des Jahres, so u.a. mit den Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien in Bonn, mit der Vorsitzenden der Sportministerkonferenz, Angelika Pater (Brandenburg), in Berlin und bei einer Rundreise mit Stationen in allen neuen Bundesländern. Massiver Protest formulierte sich im Sport auch gegen die von der Bundesregierung beabsichtigten Neuregelungen bei den 630 Mark-Beschäftigungsverhältnissen und zur Scheinselbständigkeit sowie gegen weitere auch den Sport belastende neue Gesetze.

Der Deutsche Sportbund sah sich deshalb veranlasst, für seine Mitgliedsorganisationen und deren Vereine eine "Orientierungshilfe" zu veröffentlichen, deren einführender Teil nachstehend wiedergegeben wird:

"Der Bundesgesetzgeber hat sich zu Beginn dieses Jahres als besonders reformfreudig erwiesen. So haben z.B. die sogenannten geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse Veränderungen erfahren bzw. ist ein Gesetz zur Bekämpfung der Scheinselbständigkeit aus der Taufe gehoben worden. Auch das Spendenrecht soll überarbeitet werden.

Ist in letzterem Zusammenhang noch lobend zu erwähnen, dass mit Übertragung der Spendenbescheinigungskompetenz auf die Vereine eine alte Forderung des Deutschen Sportbundes nunmehr erfüllt werden soll, muss den erstgenannten Gesetzeswerken jedoch bescheinigt werden, dass damit viel (auch sport-)politisches Porzellan zerschlagen wurde. So gehören die Sportvereine trotz aller öffentlich formulierten Widerstände des DSB und seiner Verbände zu den Verlierern der Reformen. Um dies aufzuzeigen, sollen zunächst - kurz - die Kernelemente der Neugestaltung angesprochen werden (ausführlichere Informationen sind z.B. der Internetseite des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung zu entnehmen: http://www.bma.bund.de). In Sachen geringfügige Beschäftigung ist künftig eine einheitliche Grenze von DM 630,-- monatlich festgelegt. Die bisherige jährliche Anpassung an die Einkommensentwicklung ist damit gestoppt. Beitragspflichtige Hauptbeschäftigungen und geringfügige Nebentätigkeiten werden fortan zusammengerechnet. Die bisherige Trennung zwischen Hauptberuf und (steuerfreiem) Nebenerwerb in Form der geringfügigen Beschäftigung ist folglich aufgehoben. Arbeitnehmer und Arbeitgeber zahlen in diesem Fall für die Nebentätigkeit den normalen Sozialbeitrag mit Ausnahme des Beitrages zur Arbeitslosenversicherung."

Anstelle der bisherigen Pauschalsteuer von knapp 23 Prozent sind nunmehr 12 Prozent des Arbeitsentgelts als Rentenbeitrag und 10 Prozent Krankenversicherungsbeitrag zu entrichten. Der Krankenkassenbeitrag allerdings nur für den Fall, dass der Beschäftigte einer gesetzlichen Kasse angehört. Nur am Rande sei in diesem Zusammenhang erwähnt, dass geringfügig Beschäftigte, die ein Jahr lang monatlich DM 630,-- verdienen, einen monatlichen Rentenanspruch in Höhe von DM 4,10 erwerben. Außerdem erfolgt eine Anrechnung auf (rentenrechtlich relevante) Wartezeiten. Wenn der Arbeitnehmer den Pauschalbeitrag des Arbeitgebers auf den vollen Rentenbeitrag in Höhe von 19,5 Prozent aufstockt, werden zusätzlich Leistungsansprüche auf Rehabilitation sowie den Schutz bei Berufs- und Erwerbsunfähigkeit erworben. Soviel zur allgemeinen Information.

Nun zu den Auswirkungen speziell für den Sportbereich:

Bei Schülern, Studenten und Rentnern war es bislang so, dass die Vereine zumindest bei Vorlage einer Lohnsteuerkarte die Pauschalsteuern nicht entrichten mussten. Hintergrund war, dass diese Personen häufig dem steuerlichen Grundfreibetrag unterliegen. Nunmehr, nachdem nicht mehr an steuerliche Grenzwerte anzuknüpfen ist, entfällt diese Möglichkeit für die Vereine. Fortan sind Pauschalbeiträge zur Rentenversicherung (12%) und zur Krankenversicherung (10%) zu entrichten. Letzteres wie gesagt aber nur dann, wenn der Beschäftigte nicht privat krankenversichert ist. Ungeachtet dieser Einschränkung ist die Mehrbelastung für die Vereine evident.

Gleiches gilt für diejenigen Beschäftigten, die ihre Dienstleistung in den Sportvereinen neben ihrem Haupterwerb erbringen. Da mehrere Arbeitnehmertätigkeiten bei der Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge zusammengefasst werden, besteht neben der Sozialabgabepflicht (hälftig von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erbringen) auch eine Versteuerungspflicht. Sofern der jeweilige Mitarbeiter bereit ist, künftig netto weniger aus seiner geringfügigen Beschäftigung zu verdienen, haben die Vereine kein Problem. Sofern aber Kompensationszahlungen geleistet werden müssen, ist auch hier eine Mehrbelastung für die Vereine augenscheinlich.

Zu fragen, warum es den Sportorganisationen nicht gelungen ist, den Gesetzgeber von der Realisierung seines Reformvorhabens abzubringen, ist legitim. Andererseits ist auch die Antwort hierauf schnell gegeben: Die politischen Entscheidungsträger zeigten sich nicht kompromissbereit. Ziel sei es, die Flexibilität am Arbeitsmarkt zu sichern und vor allem den Missbrauch einzuschränken. Dies könne nur erfolgreich realisiert werden, wenn die Neuregelung ohne besondere Ausnahmen beschlossen würde. Mit anderen Worten: Die Belastungen für den Sport wurden in diesem Falle nicht verkannt, sondern man hat sie sozusagen "sehenden Auges" in Kauf genommen.

Damit es gelingt, den Missbrauch in anderen Bereichen einzudämmen, müsse (auch) der Sport seine Belastungen hinnehmen. Vor diesem Hintergrund verpuffte auch jedwede Argumentation in Richtung "zusätzliche Belastung des Ehrenamtes" (das ja an sich gefördert werden soll), "finanzielle Austrocknung der Vereine", "Belastung der Sozialstation Verein" usw. Das, was der Deutsche Sportbund deshalb realistischerweise als einziges erreichen konnte, hat er auch erreicht. Gemeint ist die Anrechnung des Übungsleiterfreibetrages von DM 2.400,-- jährlich (DM 200,-- monatlich). So ist klargestellt, dass die Vereine bzw. die Bezieher dieses Freibetrages erst ab der zweihundertsten Mark steuer- bzw. sozialversicherungspflichtig werden. Immerhin!

Möglicherweise gibt es aber die Chance zur Nachbesserung im Wege der sogenannten Rechtsfolgenabschätzung. So hat z.B. der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Clement die Bundesregierung gebeten, die Folgen des Gesetzes zu beobachten. Wenn die vielerorts befürchteten (und auch von den Sportorganisationen artikulierten) negativen Folgen tatsächlich einträten, müsse der Gesetzgeber handeln. Auch aus dem Bundesland Niedersachsen war ähnliches zu vernehmen. Das Präsidium des Deutschen Sportbundes wird sich durch Gespräche mit den Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen und mit den zuständigen Ministerien darum bemühen, diesem Prozess Nachdruck zu verleihen.

Soviel zu Inhalt und Auswirkungen des Gesetzes, zur Frage des "Warum" und zum Ausblick in die Zukunft. Jetzt noch zu einigen Aspekten, die mit den Neuregelungen im Zusammenhang stehen.

Oben wurde angesprochen, dass geringfügige Beschäftigungen, für die vom Arbeitgeber pauschale Beiträge zur Rentenversicherung bezahlt werden, steuerfrei sind (wenn der Arbeitnehmer keine anderen Einkünfte hat). Zu den anderen Einkünften gehören alle Einkünfte im Sinne des Einkommensteuergesetzes. Hierzu zählen insbesondere der Arbeitslohn aus einem anderen Dienstverhältnis, der Ertragsanteil an der Rente, Pensionen, Zinseinnahmen oberhalb des Sparerfreibetrages, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit, aus Gewerbebetrieb sowie aus Vermietung und Verpachtung. Steuerfreie Einnahmen wie zum Beispiel Mutterschaftsgeld oder Wohngeld werden nicht angerechnet. Auch Einkünfte des Ehegatten werden nicht berücksichtigt (Hausfrauen-Privileg).

Bei der Besteuerung oder Nichtbesteuerung von Einkünften aus geringfügiger Beschäftigung ist zwischen drei Möglichkeiten zu unterscheiden:

- Freistellung von der Besteuerung,
- Besteuerung nach Lohnsteuerkarte,
- Pauschalbesteuerung durch den Arbeitgeber." (...)

Im "Fazit" heißt es dann abschließend in der Orientierungshilfe:

"Vermutet wird, dass sie gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, wenn mindestens zwei der genannten Kriterien vorliegen. Dem ersten Anschein nach dürften eine ganze Reihe von Beschäftigten in den Sportvereinen (gegebenenfalls auch die Sportler selbst) diesen Bestimmungen unterliegen. Folglich besteht die Gefahr, dass Personen, die bislang z.B. mit Honorarverträgen ausgestattet waren bzw. als freiberuflich qualifiziert wurden, fortan als Arbeitnehmer im Sinne des SGB IV angesehen werden. Dies läuft naturgemäß den Interessen der Sportvereine zuwider. Von daher sind wir zwischenzeitlich an die Ministerien (insbesondere das für Arbeit und Sozialordnung) herangetreten und haben darauf aufmerksam gemacht, dass die Beschäftigten in den Sportvereinen wohl kaum zu derjenigen Personengruppe gehören dürften, die der Gesetzgeber mit seiner Reform im Sinn hatte. Dennoch könnten auch diese von den Auswirkungen erfasst werden. Der Deutsche Sportbund hat von daher gebeten, dies bei Abfassung der Durchführungsanweisungen zu berücksichtigen bzw. in die Arbeiten hieran eingebunden zu werden. Über Näheres wird noch zu berichten sein."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 19 / 6. Mai 2014, S. 29
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2014