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GESCHICHTE/438: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 239 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 4 / 21. Januar 2014
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1997/VII: Sportministerkonferenz zur Darstellung des Sports in den Medien
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 239)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Bereits im Jahr 1996 hatte sich die Sportministerkonferenz der Länder (SMK) ausführlich mit der Darstellung des Sports in den Medien befasst und in Übereinstimmung mit der Medienforschung und den betroffenen Sportorganisationen festgestellt, dass eine große Diskrepanz zwischen der Alltagsrealität des Sports in den Vereinen und seinem veröffentlichten Bild in den Medien besteht. Die Konzentration auf nur einen Teil des Hochleistungssports und seine Stars, die überwiegende Darstellung nur weniger Sportarten, die Vernachlässigung des Breitensports und der Sportpolitik einerseits und die Ausblendung der Realität des Sports in den Vereinen und Verbänden andererseits - ziehen nach Auffassung auch der SMK die Gefahr nach sich, dass dadurch die gesellschaftliche Akzeptanz des Sports und damit auch die Sportförderung gefährdet werde.

Die Sportreferentenkonferenz wurde beauftragt, dieses Thema weiter zu bearbeiten und dazu ein Expertenhearing zu veranstalten. Bei diesem Hearing am 17.11.1997 mit hochrangigen Vertretern aus allen Medienbereichen wurden Ergebnisse zur Darstellung des Sports in den Medien erarbeitet, die Grundlage für die Beratungen und Beschlüsse der 9. (21.) Sportministerkonferenz der Länder am 4./5. Dezember 1997 in Hamburg waren. Sie werden nachfolgend zitiert:

"Öffentlich-rechtliche und private Rundfunk- und Fernsehmedien

1. Im seit 1984 bestehenden Dualen Rundfunksystem konkurrieren öffentlich-rechtliche und private Anbieter auf dem gleichen Markt. Auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat sich von einem Angebots- zu einem Nachfragemedium entwickelt, bei dem Quote und Reichweite inzwischen eine zentrale Rolle spielen. Deshalb findet die 1984 von den Ministerpräsidenten angestrebte und in mehreren Urteilen des Bundesverfassungsgerichtes angemahnte "Arbeitsteilung" zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Fernseh- und Rundfunkanstalten (dass nämlich die öffentlich-rechtlichen Anbieter unter den Aspekten von Gemeinwohlorientierung und Grundversorgung den Sport in publizistischer Vielfalt als kulturelles Allgemeingut darstellen sollen und die privaten Anbieter die Massennachfrage befriedigen und die Unterhaltungsfunktion des Sports in den Mittelpunkt stellen können) kaum noch statt.
Vor dem Hintergrund der bestehenden Nachfrage wird die von den Sportorganisationen angemahnte breitere und differenziertere Darstellung des Sports im ARD-Gemeinschaftsprogramm, im ZDF und bei den großen privaten Sendern Illusion bleiben. Weder wird die Medienpolitik sie über eine gesetzliche "Quotierung" sicherstellen, noch kann sie in den bestehenden Gremien, z.B. über die (weitgehend machtlosen) Vertreter des Sports in den Rundfunkräten, durchgesetzt werden.

2. Im Fernsehen gibt es - bis auf lokale Sender - Chancen einer breiteren Darstellung des Sports nur über die Dritten Programme der ARD. Schon bisher wird der Sport dort z.T. in breiterer journalistischer Vielfalt und mit anspruchsvolleren Inhalten aufbereitet. Dies ist allerdings gefährdet durch die Entwicklung einiger Dritter Programme zu sog. Vollprogrammen. Diese "große Bühne" führt zur Annäherung an die boulevardisierte Darstellung des Sports im Gemeinschaftsprogramm der ARD, bei ZDF und den Privaten. Mediengesetzliche Vorgaben können hier die Dritten Programme wieder stärker auf Regionalisierung und Subregionalisierung ihrer Programminhalte verpflichten, wie dies z.B. derzeit im Rahmen des Staatsvertrages für den neuen Südwestrundfunk geschieht. Zukünftig werden die im Zuge des Aufbaus des digitalen Fernsehens entstehenden neuen Kanäle möglicherweise auch einigen der heute wenig dargestellten Sportarten per Bezahlfernsehen eine Chance geben, kleinere Zielgruppen direkt zu erreichen. Vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dass die Sportorganisationen sich in ihrem Bemühen um Medienpräsenz nicht zu sehr auf das Fernsehen fixieren, sondern auch die Möglichkeiten des regionalen und lokalen Hörfunks stärker nutzen.

3. Im Hörfunk benötigt der Sport auch in Zukunft feste Sendeplätze. Er darf nicht nur, wie es vor allem bei privaten Rundfunkanbietern zunehmend geschieht, zufällig und unvorhersehbar ins Programm eingebaut werden. Vor allem für den ergebnisorientierten Leistungssport ist so kein Aufbau von Identifikation mit dem interessierten Zuhörer möglich.

4. Sportveranstalter und die Verantwortlichen in Vereinen und Verbänden müssen wissen, dass der Weg zu einer breiteren und differenzierteren Darstellung des Sports in den elektronischen Medien nur über aktive Angebote an die Redaktionen führen kann. Passiver und reaktiver Umgang mit den Medien wird die Situation nicht ändern. Sportveranstalter und Sportorganisationen müssen ihre Themen selbst setzen, sie strukturieren und ggf. selbst produzieren oder vorproduzieren. Der Sport hat in diesem Bereich viel Kompetenz seiner Mitglieder, auf die er zurückgreifen kann. Genutzt werden sollten auch die schon in einigen Ländern bestehenden Bildungs- und Qualifizierungsangebote, wie sie von mehreren Landeszentralen für private Rundfunkveranstalter angeboten werden.

5. Es hat sich gezeigt, dass eigene Sender oder eigene Redaktionen der Landessportbünde keine tragfähige Lösung sind, weil sie die Möglichkeiten des Sports in der Regel überfordern. In Vollprogrammen sind Themen des regionalen Sports und des Breitensports aufgrund der Nachfragesituation im allgemeinen nicht konkurrenzfähig gegenüber der Darstellung des spektakulären Hochleistungssports.
Dagegen bestehen günstigere Voraussetzungen für eine breite Darstellung des "alltäglichen" Sports auf lokaler Ebene, z.B. in offenen Kanälen. Hier müssen die Angebote allerdings oft selbst vom Sport vorbereitet und gestaltet werden. Insbesondere in Ballungsgebieten oder Großstädten existieren hierfür gute Beispiele, in Flächenstaaten bzw. kleineren Gemeinden wird diese Angebotsform schwieriger zu realisieren sein.
Trotz der Unerlässlichkeit eigener Sendeplätze für den Sport in den elektronischen Medien (siehe Punkt 3) wird es zunehmend wichtig, dass der Sport sich bemüht, mit seinen kulturellen und sozialen Werten auch in solche Darstellungsbereiche und Sendungen der elektronischen Medien zu gelangen, die vordergründig keine Verbindung zum Sport haben. Die Kenntnis und Akzeptanz Kultureller, politischer, sozialer, gesundheitlicher oder pädagogischer Aspekte des Sports werden um so größer werde, je mehr diese nicht nur in Sportsendungen, sondern auch auf vielen anderen Sendeplätzen thematisiert werden.

Printmedien

1. In den ca.135 selbständigen Tageszeitungen Deutschlands mit ca. 1.600 Lokalausgaben ist, ähnlich wie in den elektronischen Medien, eine weitgehende Fixierung auf Ergebnisberichterstattung, einen Teil des Hochleistungssportes, auf wenige Sportarten und auf Sportstars festzustellen. Die Bandbreite journalistischer Stilformen ist gering, Themenauswahl und sprachliche Darstellung richten sich vor allem an Männer zwischen 18 und 50 Jahren. Wichtigste Gründe hierfür sind die Orientierung am Markt, der tägliche Konkurrenzkampf um Leser, die fortgeschrittene Technik und der damit einhergehende Abbau der Personalressourcen bei der Produktion der Zeitung, ein hoher Selektionszwang aufgrund der enorm gestiegenen Anzahl der Sportarten und Wettkämpfe, die keine kritische Auseinandersetzung mehr zulassen, sowie vor allem die Erfahrungen von Verlegern und Journalisten über die Akzeptanz bestimmter Themen.
Die Berichterstattung über den nationalen und internationalen Hochleistungssport in den Tageszeitungen wird inzwischen zu 90 % durch übernommene Agenturberichte bestritten. Die Agenturen haben insofern eine hohe Verantwortung, beklagen aber ebenfalls - als Erkenntnis ihrer Nachfrage- und Akzeptanzuntersuchungen - einen Trend zur Boulevardisierung und Verflachung der Nachrichtenfülle, insbesondere aber auch eine "Fußballisierung" (Fußballberichterstattung ist anteilig von 30% auf 40% des Gesamtvolumens gestiegen!).

2. Nur wenige, vor allem überregionale Zeitungen widersetzen sich dem Druck des Leitmediums Fernsehen zur Trivialisierung der Sportberichterstattung und versuchen, einen breiteren und differenzierteren Ansatz der Berichte über den Sport zu realisieren. Dies gilt es nicht nur durch Appelle zu ermutigen, sondern auch - und hierbei haben die Sportorganisationen eine schwierige, aber wichtige Bildungsaufgabe vor allem im Hinblick auf ihre eigenen Mitglieder - durch eine Veränderung des Konsumentenverhaltens zu unterstützen.

3. Themen wie Sportpolitik, Vereinssport, Fitness, Sport und Gesundheit, Schulsport u.ä. oder auch Themen, die den Interessen von Kindern und Jugendlichen, Frauen oder Älteren entsprechen, kommen in den Zeitungen kaum vor, obwohl sie in der Bevölkerung bei umfangreichen Zielgruppen Interesse finden. Die für Medien und Öffentlichkeitsarbeit in den Sportvereinen und -verbänden Verantwortlichen sollten immer wieder deutlich machen, dass man auch mit solchen Themen Reichweite und Quote erzielen kann. Dies wird in der weitgehend männlich geprägten Eigenwelt des Sportjournalismus bisher zu wenig beachtet.

4. Ebenso wie in den elektronischen Medien lassen sich viele Themen des Sports auch gezielt außerhalb der eigentlichen Sportberichterstattung unterbringen. Dies wird von vielen, die in den Sportorganisationen für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich sind, bisher zu wenig genutzt. Entsprechende Kontakte müssen angebahnt und gepflegt werden.

5. Neben den Tageszeitungen ist der stark expandierende Markt von Sport-Spezialzeitschriften zu beachten, Zeitschriftentitel und -inhalte werden immer spezieller und erreichen immer kleinere Zielgruppen, in denen sich aber oft Multiplikatoren und Entscheidungsträger befinden. Sportpolitische Themen lassen sich gut in Periodika der Landessportbünde und Fachverbände plazieren.

6. Auch im Bereich der Printmedien müssen die Verantwortlichen der Sportvereine und -verbände für Öffentlichkeitsarbeit aktiv und offensiv agieren. Passivität und das Warten darauf, "dass die Presse schon kommen wird", führt zur Nichtbeachtung der eigenen Themen und Belange in der Presse.
Ausbildung und Qualifikation der Presseverantwortlichen der Vereine und Verbände sind eine immer wichtiger werdende Bildungsaufgabe der Sportorganisationen.

7. Ebenso wie für den Bereich der elektronischen Medien ist eine neue gesellschaftliche Diskussion über Berufsbild und Berufsethos des Sportjournalismus erforderlich. Medienforscher stellen fest, dass es bei den Sportjournalisten einen Generationswechsel gibt. Jüngere Journalisten sind eher nachfrageorientiert und richten sich nach dem Publikumsgeschmack, ältere berücksichtigen stärker auch die Werte und Inhalte des Sports. Vielen, vor allem jüngeren Journalisten fehlt deshalb bisher vielleicht häufig die Sensibilität für nicht "marktgängige" Themen des Sports.
Diese Situation kann weniger über Appelle geändert werden, sondern es muss Einfluss genommen werden auf die Ausbildung, aber auch auf die Rahmenbedingungen der täglichen Arbeit der Sportjournalisten. (...)"

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 4 / 21. Januar 2014, S. 33
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2014