Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/417: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 222 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 36 / 3. September 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1995/VII: Hauptausschuss beschließt Gesundheitspolitische Konzeption
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 222)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Bei der 45. Sitzung des Hauptausschusses des DSB am 2. Dezember 1995 in Bonn wurden mit zwei wichtigen Beschlüssen sportpolitische Weichen für die Zukunft gestellt. Verabschiedet wurden die Gesundheitspolitische Konzeption des Deutschen Sportbundes und das Förderkonzept 2000 für die olympischen und die nicht-olympischen Sportarten. In seinem Rechenschaftsbericht zu den Schwerpunkten der sport- und gesellschaftspolitischen Arbeit des DSB betonte eingangs Präsident Manfred von Richthofen, dass sich der organisierte Sport traditionell der Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger verpflichtet fühle. Der DSB bekenne sich zu einer zukunftsorientierten Gesundheitsförderung, in deren Rahmen die im deutschen Sport bestehenden Strukturen zu nutzen und auszubauen seien.

Die von den Delegierten in der Sitzung einstimmig beschlossene Konzeption gliedert sich in fünf Abschnitte:
  1. Grundsatzerklärung des Deutschen Sportbundes zur Gesundheitsförderung
  2. Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik
  3. Der Deutsche Sportbund und seine Mitgliedsorganisationen als Interessenvertreter der Gesundheitsförderung
  4. Die Sportvereine als qualifizierte Anbieter gesundheitsorientierter Programme
  5. Zusammenarbeit mit Partnern: Erwartungen und Kooperationsangebote

Die ersten vier Abschnitte werden nachfolgend wörtlich zitiert, aus dem fünften Abschnitt werden die Partnerbereiche genannt, ohne jedoch die detaillierten Formen der verschiedenen Kooperationsangebote an diese Partner aufzulisten:

"1. Grundsatzerklärung des Deutschen Sportbundes zur Gesundheitsförderung
Der Deutsche Sportbund, seine 93 Verbände und 85.500 Vereine bekennen sich zu einer zukunftsorientierten Gesundheitsförderung und werden die im Sport bestehenden Strukturen für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabe nutzen und ausbauen.

Bereits 1983 hat der Deutsche Sportbund mit seiner bundesweiten Kampagne "Sport und Gesundheit - Trimming 130" wirksame Strategien zur Gesundheitsförderung entwickelt und umgesetzt. Schon damals wurde deutlich, dass der organisierte Sport seine gesellschaftspolitische Mitverantwortung für die Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. Dies war und ist eine der unverzichtbaren Grundvoraussetzungen für die Arbeit des organisierten Sports. Sportvereine tragen durch die alltägliche Sportpraxis zur Gesundheitsförderung bei.

In der Sportlandschaft der Vereine und Verbände sind zwischenzeitlich eine Vielzahl von allgemein präventiven und speziell gesundheitsorientierten Programmen entwickelt worden, die flächendeckend qualifiziert und kostenbewusst angelegt sind.

Über gemeinsame verbindliche Grundsätze verpflichtet sich der Sport, die Qualität seiner Ausbildungen und Angebote zu sichern. Dies betrifft nicht nur den gesundheitsorientierten Verantwortungsbereich, sondern auch den Leistungssport, der verstärkt dafür Sorge trägt, der Gesundheit seiner Sportlerinnen und Sportler gerecht zu werden. Gleichzeitig wachsen die Erwartungen des Sports an seine Partner in Politik und Wirtschaft und die mit dem Thema Gesundheit befassten Verbände und Institutionen in Deutschland, um die besonderen Chancen zukünftiger Gesundheitsförderung durch den Sport weiterzuentwickeln und auszuschöpfen.

2. Entwicklung einer gesundheitsfördernden Gesamtpolitik
Gesundheit und dementsprechend Gesundheitsförderung ist heute mit unterschiedlichen Zielen und Erwartungen verbunden:

  • Gesundheit als Befund im Sinne medizinischer Untersuchungsdiagnostik
  • Gesundheit als Lebensstil, verbunden mit individuellen Vorlieben und gesellschaftlichen Trends
  • Gesundheit als eigenverantwortliche Leistung des Individuums im Sinne stetiger Pflege und Erneuerung
  • Gesundheit als Erziehungsaufgabe, als "Pfad, der sich bildet, indem man ihn geht".

Die unterschiedlichen Dimensionen der Gesundheit verdeutlichen, dass gesundheitsorientierte Arbeit nicht nur durch die Begrenzung bzw. Vermeidung von Krankheitsrisiken zu erreichen ist, sondern durch eine positive Entfaltung und Erweiterung persönlichen Gesundheitsverhaltens. Der organisierte Sport verpflichtet sich diesem Ziel und orientiert seine Maßnahmen an den Prinzipien der Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, die am 21. November 1986 von der 1. Internationalen Konferenz zur Gesundheitsförderung verabschiedet wurde.

Gesundheitsförderung zielt danach auf einen Prozess, "möglichst vielen Menschen ein höheres Maß an Selbstbestimmung über ihre Gesundheit zu ermöglichen und sie damit zur Stärkung ihrer Gesundheit zu bewegen". Gesundheitsförderndes Handeln sollte darum bemüht sein, möglichst alle Menschen zu befähigen, ihr Gesundheitspotential so gut wie möglich auszuschöpfen. Gesundheitsförderung verlangt deshalb ein koordiniertes Zusammenwirken unter Beteiligung der Verantwortlichen in Regierungen, im Gesundheits-, Sozial- und Wirtschaftssektor, in nichtstaatlichen und selbstorganisierten Verbänden und Initiativen sowie in lokalen Institutionen, in der Industrie und den Medien. "Füreinander Sorge zu tragen, Ganzheitlichkeit und ökologisches Denken sind Kernelemente der Entwicklung der Gesundheitsförderung."

3. Der Deutsche Sportbund und seine Mitgliedsorganisationen als Interessenvertreter der Gesundheitsförderung
Die Sportorganisationen sind sich ihrer Bedeutung für die Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger bewusst und zeichnen verantwortlich für eine umfassende und qualifizierte Angebotspolitik gesundheitsorientierter Bewegungs- und Sportprogramme. Sportpolitisch und strukturell bildet die Gesundheitsförderung einen Schwerpunkt ihrer Arbeit.

Folgende Zielsetzungen und Grundsätze bilden die Basis einer fortgesetzten Qualitätssicherung und -steigerung:
  1. Die Sportorganisationen verstehen gesundheitsorientierten Sport unter dem Leitziel "Sport für alle" als eine traditionell gewachsene Aufgabe, die sich in einer Vielzahl von Sportarten umsetzen lässt. Ziel ist es, ein stabiles längerfristiges Bedürfnis nach Sport und gesunder Lebensführung zu vermitteln.
    Über flächendeckende Angebote für alle Zielgruppen wird Interesse am sportlichen Aktivwerden geweckt. Es wird Wissen über gesundheitliche Wirkungsmöglichkeiten und individuelle Belastungsdosierungen vermittelt; über attraktive Sportangebote werden überdauernde Anreize zum längerfristigen Sporttreiben gesetzt. Ausgehend von der möglichen lebenslangen Wirkung einer frühzeitigen Bindung an das regelmäßige Sporttreiben wird der Sicherung eines ansprechenden und vielseitigen Sportangebots für Kinder und Jugendliche besondere Aufmerksamkeit gewidmet.
  2. Gesundheitsorientierter Sport unter dem Leitziel der Primärprävention ist das aktuelle Thema in der Sportentwicklung der Vereine und Verbände. Die Koordination liegt beim Deutschen Sportbund in Zusammenarbeit mit den Landessportbünden und Sportverbänden. Es geht dabei sowohl um eine stärkere Gesundheitsorientierung im bestehenden Sportartenangebot, als auch um die Einführung neuer Angebote in explizit gesundheitlicher Orientierung, unter Anleitung entsprechend qualifizierter Übungsleiterinnen und Übungsleiter.
  3. Gesundheitsorientierter Sport unter dem Leitziel Rehabilitation/Wiederherstellung bei Erkrankungen kann nur begrenzt als Teil der Angebotspolitik der Verbände und Vereine verstanden werden. Denn er erfordert speziell auf die jeweiligen Zielgruppen bezogene Fachkräfte bzw. besonders qualifizierte Kooperationspartner. Der Deutsche Behinderten-Sportverband sowie die Landessportbünde und Fachverbände in Kooperation mit den entsprechenden Partnern tragen die Verantwortung für eine qualifizierte Ausbildung und Organisation im Rahmen entsprechender Angebote (z.B. Koronarsport, Sport in der Krebsnachsorge. Sport bei Diabetes, orthopädische Rehabilitation, Sport bei Atemwegserkrankungen).
  4. Die Sportvereine als qualifizierte Anbieter gesundheitsorientierter Programme.
    Der organisierte Sport ist mit seinen Vereinen in besonderer Weise geeignet, um dem Qualitätsanspruch einer ganzheitlichen Gesundheitsförderung durch Sport gerecht zu werden. Als flächendeckender qualifizierter Anbieter steht er an der Spitze der Gesundheitsbewegung, gleichzeitig ist er offen für Kooperationen mit Krankenkassen und anderen Trägern.
Wesentliche Voraussetzungen dafür sind:
  • Sportvereine bilden eine flächendeckende Infrastruktur, d.h. über sie kann gesundheitsorientierter Sport lückenlos und wohnortnah angeboten werden.
  • Sportvereine sind gemeinnützige Institutionen und somit in der Lage, ihre Angebote sozialverträglich zu gestalten.
  • Sportvereine in ihrer Gesamtheit reduzieren ihr Angebot nicht auf einen bestimmten Personenkreis oder eine bestimmte Sportart, sie erreichen alle Zielgruppen.
  • Sportvereine betonen seit langem Themenbereiche wie gesundheitsbewusste Lebensführung, Körpererfahrung und Wohlbefinden in ihren Angeboten.
  • Sportvereine bieten Lerngelegenheiten für gesunde Lebensführung und fordern ein ganzheitlich gesundheitsorientiertes Verhalten.
  • Sportvereine verfügen über kompetent ausgebildete Übungsleiter, die regelmäßig an Fortbildungen teilnehmen müssen.
  • Sportvereine gewährleisten prämienbegünstigten Versicherungsschutz für Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie für das Lehrpersonal.
  • Sportvereine tragen Verantwortung für eine offene Angebotsgestaltung, da sie sich mit ihren gesundheitsorientierten Angeboten nicht nur an ihre Mitglieder, sondern - bspw. über Kursangebote - auch an die Gesamtbevölkerung wenden.

5. Zusammenarbeit mit Partnern: Erwartungen und Kooperationsangebote
Für die partnerschaftliehe Zusammenarbeit im Bereich der Gesundheitsförderung lassen sich aus der Sicht des Deutschen Sportbundes folgende Eckpfeiler benennen:

Gesundheitspolitik/Bundesministerium für Gesundheit (...), Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (...), Gesetzliche Krankenkassen (...), Bundesärztekammer/Deutscher Sportärztebund (...), Sportwissenschaft/Bildungspolitik (...), Träger der Kommunalpolitik/Kommunale Verantwortungsträger (...), Wirtschaft/Arbeitgeberverbände/Gewerkschaften und Kirchengemeinden (...)".

*

Quelle:
DOSB-Presse Nr. 36 / 3. September 2013, S. 31
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Telefon: 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. September 2013