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GESCHICHTE/410: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 215 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 27 / 2. Juli 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1994/VI: "Kieler Erklärung" stellt Grundsätze des DSB vor
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 215)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Bereits bei der Frühjahrstagung der Ständigen Konferenz der Landessportbünde am 6./7. Mai 1994 in der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt hatten die ehren- und hauptamtlichen LSB-Verantwortlichen den Entwurf für die zum DSB-Bundestag 1994 geplante "Kieler Erklärung" beraten, die bei der Mitgliederversammlung als obersten DSB-Organ verabschiedet werden sollte. Diese Erklärung sollte - nach weiteren Beratungen in der Ständigen Konferenz der Spitzenverbände, im DSB-Präsidium und im DSB-Hauptausschuss - die soziale Offensive des deutschen Sports verdeutlichen und den sportpolitischen Handlungsrahmen sowie Orientierungshilfen für die praktische Umsetzung der gesellschaftlichen Schwerpunktaufgaben des DSB für die nächste Legislaturperiode vorgeben. In der einstimmig beim DSB-Bundestag 1994 in Timmendorfer Strand beschlossenen "Kieler Erklärung" wird im "Vorwort" das Ziel dieses Grundsatzbeschlusses dargestellt:

"Der Bundestag des Deutschen Sportbundes legt der Öffentlichkeit und seinen Partnern in Staat und Gesellschaft mit der "Kieler Erklärung" seine Grundsätze und seine Position zur Bedeutung, Stellung und Entwicklung des gemeinnützig und ehrenamtlich geführten Sports vor. Sie gibt Orientierungen für die zukünftige Vereins- und Verbandsarbeit.

Der Sport in Deutschland hat sich seit 1945 zu einem wesentlichen Bestandteil des gesellschaftlichen, sozialen und kulturellen Lebens entwickelt. Die größte, immer noch wachsende Bürgerbewegung mit mehr als 24 Millionen Mitgliedern in über 80.000 unabhängigen und gemeinnützigen Turn- und Sportvereinen ist offen für alle sozialen Gruppen, unabhängig von Alter, Geschlecht, Nationalität, Einkommen und Leistungsfähigkeit.

Im Mittelpunkt des Sports und seiner Angebote steht der Mensch mit seinen Fähigkeiten, Interessen und Bedürfnissen. Neben traditionellen, sportartorientierten Angeboten - differenziert nach Altersgruppen, Geschlecht und Leistungsniveau - stehen offene, zielgruppenorientierte und integrative Angebote für Kinder, Jugendliche, Familien, Senioren, Aussiedler und Ausländer, kranke und behinderte Menschen.

Die verschiedenen Beweggründe und Sinngebungen für das Sporttreiben werden dabei als gleichberechtigt angesehen: Gesundheit und Fitness; Gemeinschaft, soziale Integration und Geselligkeit; Fairness und soziales Verhalten; Leistungsstreben und Körpererfahrung. Aufgaben und Vielfalt des Sports spiegeln sich in den verschiedenen Bereichen des Breitensports und im Leistungs- und Spitzensport wider.

Das Streben nach Leistung und Können spielt in allen Bereichen des Sports eine wesentliche Rolle; im Spitzensport gewinnt dieses pädagogisch, kulturell und gesellschaftlich wichtige Merkmal seinen besonderen Ausdruck.

Die pädagogische, gesundheitliche, soziale und freizeitpolitische Bedeutung des Sports, aber auch enger gewordene ökonomische und ökologische Grenzen sowie kommerzielle oder andere Sportanbieter fordern den Vereins- und Verbandssport im Hinblick auf Qualität, Angebots- und Organisationsstrukturen jedoch besonders heraus.

Der Sport erfüllt mit seinem Programm "Sport für alle" wichtige soziale und gesellschaftliche Aufgaben und hilft damit, Anspruch und Bedürfnisse des Menschen nach sportlicher Betätigung und gesunder Lebensführung zu erfüllen. Aktivitäten und Angebote der Sportvereine und Sportverbände, die in Selbstverantwortung und Selbstorganisation als freie Bürgerinitiative entfaltet werden, begründen ihre Gemeinnützigkeit und ihren Anspruch auf öffentliche Unterstützung nach dem Prinzip der Subsidiarität."

Die folgenden Abschnitte 1 und 2 befassen sich mit der "Sportpraxis im Breitensport und Leistungs- und Spitzensport" sowie den "Aufgaben der Sportvereine und Sportverbände und ihren Partnern."

Abschnitt 3 hat die "Förderung des organisierten Sports" zum Inhalt und hat folgenden Wortlaut:

"Öffentliche Sportförderung ist staatliche und kommunale Pflichtaufgabe. Nach dem Prinzip der Subsidiarität ergänzt sie die durch Eigenbeiträge an Arbeit, Geld und Zeit erbrachten Leistungen der Vereine und Verbände und sichert damit ihre Entwicklung. Finanzielle Kürzungen beeinträchtigen das Sozialgefüge und verursachen erhebliche Folgekosten.

Deswegen setzt sich der Deutsche Sportbund dafür ein, dass der organisierte Sport

  • in den Länderverfassungen und in Ländergesetzen seiner gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend verankert ist;
  • in den Kommunalverfassungen eine Absicherung der von ihm übernommenen gemeinnützigen Aufgaben erfährt;
  • eine angemessene Förderung durch Bund, Länder und Kommunen erhält;
  • durch gesetzlich festgelegte Erleichterungen der ehrenamtlichen Tätigkeit (z. B. Beurlaubung und berufliche Freistellung für ehrenamtlichen Einsatz sowie für die Aus-, Fort- und Weiterbildung) anerkannt und ehrenamtliche Arbeit im Sport mit der in Parteien und Gewerkschaften gleichgestellt wird;
  • durch steuerliche Berücksichtigung (u.a. Anhebung des Freibetrags für Übungsleiter von DM 2.400,- auf DM 3.600,- und Einbeziehung der Organisationsleiter) eine Entlastung seiner ehrenamtlichen Mitarbeiter von persönlichen finanziellen Aufwendungen erfährt;
  • ideelle und materielle Unterstützung der Verbände zur Erfüllung der Aufgaben im Leistungs- und Spitzensport (einschließlich der Förderung des Stützpunktsystems, der Zusammenarbeit mit der Bundeswehr und der Förderung des Nachwuchses) bekommt;
  • in der Förderung der gesundheitlichen und sozialen Beratung und Betreuung zur Leistungsoptimierung unter Einsatz wissenschaftlicher Einrichtungen unterstützt wird;
  • besondere Hilfen für Maßnahmen und Projekte mit Kindern, Jugendlichen, Senioren und sozial benachteiligten Gruppen bekommt;
  • durch die Verbesserung des Schulsports (u. a. durch Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Verein) gestützt wird;
  • Unterstützung durch Zuschüsse für die Erhaltung, Sanierung und Modernisierung, den Bau und die Unterhaltung vereinseigener Sportanlagen sowie durch kostenlose Überlassung öffentlicher Sportstätten erhält;
  • in seiner Weiterentwicklung durch Ermittlung des Bedarfs an neu konzipierten und vielfältig nutzbaren Sportanlagen und deren Finanzierung gefördert wird;
  • durch die Einrichtung von Naturschutzgebieten nicht unverhältnismäßig (vor allem im muskelbetriebenen Wassersport) aus der Natur ausgegrenzt wird.

Der selbstverwaltete Sport wird sich seinerseits darum bemühen,

  • seine Eigenleistungen zu verstärken und die Mitgliedsbeiträge nach sozialverträglichen Gesichtspunkten bedarfsgerecht anzupassen,
  • die Maßnahmen zur Gewinnung, Qualifizierung und Unterstützung ehrenamtlicher Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu intensivieren,
  • stärker als bisher die Übernahme von Schlüsselgewalt und Pflegemaßnahmen für Sporthallen und -plätze durch Vereine anzubieten."

Die Erklärung schließt mit folgendem "Ausblick":

"Sportliche Aktivität in vielfältigen Formen ist zum Allgemeingut der Bevölkerung in Deutschland geworden - ob in den Sportvereinen, bei anderen Sportanbietern oder in privater, nicht organisierter Ausübung. Die kulturelle, soziale und gesellschaftliche Bedeutung des Sports nimmt zu. Die deutsche Turn- und Sportbewegung hat auf allen Ebenen dieses quantitative und qualitative Wachstum initiiert und gefördert. Sie wird auch selbstbewusst die zukünftige Entwicklung gestalten. Trotz der gegenwärtig zum Teil schwierigen Probleme in der Entwicklung von Gesellschaft und Sport ist sie für die vor ihr liegenden Aufgaben gerüstet. Sie ist bereit, ihre Programme und Strukturen an die Lebensbedürfnisse und -erwartungen der Menschen anzupassen. Sie baut dabei auf die Partnerschaft mit der Politik, mit anderen gesellschaftlichen Gruppen und mit der Wirtschaft."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 27 / 2. Juli 2013, S. 25
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Juli 2013