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GESCHICHTE/404: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 211) (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 23 / 4. Juni 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1994/II: Phase der Konsolidierung für die 22 Olympiastützpunkte
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 211)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Nachdem das DSB-Präsidium am 14./15. April 1994 in einer sportpolitischen Klausurtagung in München auch die Weichen zur Stärkung des Bundesausschusses Leistungssport (BAL) des DSB gestellt hatte, legte der BAL-Vorsitzende Ulrich Feldhoff zur Hauptausschuss-Sitzung des DSB am 4. Juni 1994 in München einen ausführlichen Rechenschaftsbericht vor. Darin ging Feldhoff auch auf die sportpolitischen und sportfachlichen Fragen ein, die sich aus der Zusammenführung von zwei bislang im Weltsport führenden Sportnationen mit vollkommen unterschiedlichen Gesellschafts- und Sportsystemen ergeben hatten.

Der BAL-Vorsitzende betonte, dass sich der Bundesausschuss mit der Fortschreibung des Leistungssportkonzeptes für den Zeitraum 1993 bis 1996 folgende Ziele gesetzt habe:

  • Erhaltung des hohen Leistungsniveaus der deutschen Athletinnen und Athleten,
  • Stabilisierung der mit der Einheit eingeleiteten Aktivitäten und
  • kritische Überprüfung der bisher praktizierten Strukturen im Leistungssportsystem.

Im Bericht ging Ulrich Feldhoff als das seit 1990 im DSB-Präsidium für den Leistungssport zuständige Präsidialmitglied auch ausführlich auf die Bedeutung der Olympiastützpunkte innerhalb des Leistungssportkonzeptes des deutschen Sports ein. Aus diesem Abschnitt wird nachfolgend auszugsweise zitiert:

Olympiastützpunkte

"In die Abteilung Olympiastützpunkte des BAL wurde 1993 die bis dahin existierende Abteilung Trainingswissenschaft integriert und unter die Leitung eines Sportdirektors gestellt. Diese Verschmelzung führte dazu, dass der Bereich Olympiastützpunkte nun von einer größeren Anzahl von Mitarbeitern des Bundesausschusses Leistungssport betreut werden kann und die Forderung nach Durchsetzung der Fachaufsicht und Steuerung des Gesamtsystems eher zu realisieren ist. Zu den Hauptaufgaben zählen die Gesamtbetreuung des Olympiastützpunktsystems mit den Elementen Bundesleistungszentren und kombinierte Bundesleistungszentren, das vom BAL erarbeitete Wissenschaftliche Verbundsystem mit seinen spezifischen Betreuungs- und Servicebereichen, die Federführung in der Talent- und Nachwuchsförderung sowie die Herausgabe fachspezifischer Publikationen im Leistungssport für den entsprechenden Adressatenkreis. Bis Ende 1991 wurden die Beschlüsse des Vorstandes des BAL vom Herbst 1990 bezüglich der Neugründung von sechs Olympiastützpunkten in den neuen Bundesländern umgesetzt, so dass nun mit den Olympiastützpunkten

- Chemnitz/Dresden, gegründet 27.6.1991
- Cottbus/Frankfurt-Oder, gegründet 4.7.1991
- Magdeburg/Halle, gegründet 1.6.1991
- Leipzig, gegründet 25.6.1991
- Mecklenburg-Vorpommern, gegründet 11.7.1991
- Potsdam, gegründet 26.9.1991

und der Erweiterung des Olympiastützpunktes Berlin auf das gesamte Stadtgebiet 22 Olympiastützpunkte geschaffen waren. Parallel dazu musste verhindert werden, dass in den neuen Bundesländern die Infrastruktur in bezug auf leistungssportorientierte Sportstätten zusammenbrach. Mit der Schaffung von sogenannten "kombinierten Bundesleistungszentren", basierend auf der Benennung von Bundesstützpunkten, war die Absicherung des Trainings bzw. der Trainingsstätten für ca. 1.500 A- bis D/C-Kader-Athleten(innen) sowie für eine noch höhere Zahl von D-Kadern gegeben.

In Zusammenarbeit mit Bund, Ländern und Kommunen wurden 18 kombinierte Bundesleistungszentren an folgenden Standorten benannt und finanziert:

Altenberg (heute LLZ Bob und Rodel mit Bundesnutzung), Berlin, Chemnitz, Dresden, Cottbus, Erfurt, Frankfurt-Oder, Halle, Jena, Leipzig, Magdeburg, Neubrandenburg, Oberhof, Oberwiesenthal, Potsdam, Rostock, Schwerin und Suhl (LLZ mit Bundesnutzung).

Besondere Probleme gab es mit den Liegenschaften bis in das Jahr 1994 hinein, die im ehemaligen Besitz von NVA und MfS waren und von den Kommunen nicht sofort übernommen werden konnten. Eigentumsfragen bestehen zur Zeit noch beim Sportzentrum Kienbaum in Brandenburg, das vorn Sport getragen wird und eine überproportionale Nutzungsquote im Nachwuchs- und Spitzensportbereich aufweist.

Für die Olympiastützpunkte in den alten Bundesländern, die 1991 schon zwei bis fünf Jahre existierten, setzte die Phase der Konsolidierung ein.

1992 wurde eine Olympiastützpunkt-Analyse durchgeführt. Es handelte sich hierbei in erster Linie um eine Strukturanalyse und um die Überprüfung des ursprünglichen Konzeptes, gemessen an den Realisierungsgegebenheiten. Die Ergebnisse der Analyse und die Leistungssport-Konzeption 1993 bis 1996 als Zielformulierung führten im Januar 1993 zu den Beschlüssen des Vorstandes des Bundesausschusses Leistungssport, die eine Konzentration und Weiterentwicklung des Stützpunktsystems, bestehend aus Bundesstützpunkten, Bundesleistungszentren, kombinierten Bundesleistungszentren und Olympiastützpunkten, forderte und konkrete Maßnahmen zur Umstrukturierung einzelner Olympiastützpunkte festschrieben. Die auf der Grundlage einer Strukturanalyse der Olympiastützpunkte vom BAL-Vorstand verabschiedeten Beschlüsse zur Umstrukturierung bzw. zur Zusammenführung von einzelnen Olympiastützpunkten sind zum heutigen Zeitpunkt weitestgehend vollzogen. Die Zielsetzung dabei war und ist, folgende Vorgaben zu erfüllen:

  • alte und neue Elemente des Stützpunktsystems miteinander zu verbinden (Bundesstützpunkte, Bundesleistungszentren, kombinierte Bundesleistungszentren, Olympiastützpunkte),
  • Schwerpunktsetzungen der Verbände festzulegen (Schulungs- und Strukturpläne),
  • Schwerpunktsetzungen im wissenschaftlichen Betreuungsbereich zu realisieren,
  • Optimierung des Trainings (Stützpunkttraining/dezentrales und zentrales Training) und der trainingsbegleitenden Maßnahmen (sportartübergreifend/sportartspezifisch),
  • Effektivierung und Ökonomisierung des Mitteleinsatzes (Personal- und Sachkosten/Betriebs- und Folgekosten), um damit eine Mittelumverteilung im Sinne einer Strukturanpassung im Bereich der Leistungszentren und Stützpunkte zu erreichen. (...)

Neben den strukturellen Veränderungen wurde über eine Veränderung der Haushaltssystematik und der damit verbundenen Zweiteilung der Ausstattung der Olympiastützpunkte in eine Basisausstattung (sächlich/personell) und in eine sogenannte Projektausstattung, bezogen auf die Sportartschwerpunkte der Verbände (vierjährige Stützpunkte), eine größere Flexibilität des Mitteleinsatzes in Abhängigkeit auf Veränderungen in der Sportlandschaft erreicht. Ebenso wurden Verwaltungseinheiten von Bundesleistungszentren und Olympiastützpunkten zusammengelegt. (...)

Die in den Statuten des Deutschen Sportbundes und des Bundesausschusses Leistungssport verankerten Steuerungs- und Lenkungsfunktionen, verbunden mit der Fachaufsicht über die Olympiastützpunkte, reichen nicht aus, sportfachlich begründete Lösungen konsequent zu verfolgen und umzusetzen. Als Hauptursache hierfür ist die Tatsache anzusehen, dass das System Weiterentwicklung mit der Zielstellung der Mittelumverteilung in eine Phase der allgemeinen Mittelkürzungen gefallen ist. Die zur Zeit immer stärker werdenden Verteilungskämpfe aller Partner im Sport (z.B. Verband/Verband, Ost/West, Stützpunkt/Stützpunkt) um die knapper werdenden Mittel von Bund, Ländern und Kommunen erschweren den Weg zur objektiv notwendigen Veränderung erheblich.

Die schon mehrfach angesprochene Weiterentwicklung des Stützpunktsystems stützt sich u.a. auf die Zielformulierung der Leistungssport-Konzeption 1993 bis 1996, die die Straffung des komplexen Systems, bestehend aus Olympiastützpunkten, Bundesleistungszentren, Bundesstützpunkten, beschreibt. Dabei sollen die einzelnen Elemente unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten und strukturellen Belange der Verbände auf ihre Effizienz hin überprüft werden. Hierzu wurde im August 1993 eine Konzeption zur Weiterentwicklung des bestehenden Stützpunktsystems erarbeitet und vom Leitungsstab und vom Vorstand des Bundesausschusses Leistungssport verabschiedet. (...)

Im gesamten Berichtszeitraum sind neben den im ersten Teil dargestellten Problembereichen weitere Arbeitsgebiete abgedeckt worden: Fort- und Weiterbildungsveranstaltungen für folgenden Personenkreis: Olympiastützpunktleiter, wissenschaftliches Personal, Verwaltungspersonal (Finanz- und Personalsachbearbeiter), Informatiker, Laufbahnberater und Sportphysiotherapeuten. Hinzu kamen Olympiastützpunktleiter-Tagungen und Veranstaltungen mit den Trägern der Olympiastützpunkte.

Die Einzelbetreuung der Olympiastützpunkte verlangt die Wahrnehmung einer Vielzahl von Terminen vor Ort, wie: Kuratoriumssitzungen, Finanzgebergespräche, Trägervereinssitzungen, Sportbeiratssitzungen sowie allgemeine Abstimmungsgespräche über die inhaltliche Arbeit des einzelnen Olympiastützpunktes. Hinzu kamen 1994 die Haushaltsverhandlungen aller Bundesleistungszentren und kombinierten Bundesleistungszentren unter dem Gesichtspunkt der Einsparung von ca. 6 Mio DM. (...)"

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 23 / 4. Juni 2013, S. 23
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juni 2013