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GESCHICHTE/402: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 209 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 20-21 / 14. Mai 2013
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1993/VII: Sportprogramm der CDU: "Perspektiven für die Zukunft"
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 209)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Der vom Parteivorstand der Christlich-Demokratischen Union im Mai 1968 erstmals berufene Bundesfachausschuss Sport der CDU legte bereits ein halbes Jahr später im November 1968 das 1. Sportprogramm der CDU vor, dem 1975 ein Leistungs-Sportplan der CDU und 1978 Leitlinien für die kommunale Sportförderung folgten. Unter dem Vorsitz von Ferdi Tillmann (MdB) - Vorgänger als BFA-Vorsitzender waren Dr. Manfred Wörner (1968 bis 69), Dr. Hans Evers (1969 bis 1977) und Dr. Wolfgang Schäuble (1977 bis 1985) - verabschiedete der Bundesfachausschuss das weitgehend überarbeitete 3. Sportprogramm von 1990 in seiner aktualisierten Fassung am 2. Dezember 1993 in Bonn.

"Programme sind Richtlinien politischen Handelns", betonte BFA-Vorsitzender Ferdi Tillmann in seinem Vorwort in der über hundertseitigen Broschüre und verwies als Beispiele auf Beschlüsse des Deutschen Bundestages wie das Vereinsförderungsgesetz (1990) und die Sportanlagenlärmschutzverordnung (1991), die ihre Grundlagen auf den CDU-Sportprogrammen gehabt hätten.

In zwölf Kapiteln von "Sport in der Erziehung und Bildung" bis "Besondere Belange des Sports" wie Sport und Wirtschaft, Sport und Medien oder Dopingbekämpfung werden in gesonderten Abschnitten insgesamt 107 spezielle Bereiche/Programme des Sports angesprochen. Nachfolgend werden Auszüge aus den vorangestellten "Grundsätzen" sowie den abschließenden "Perspektiven für die Zukunft" dokumentiert:


"Grundsätze

1. Sport hat soziale, gesundheitliche und erzieherische Funktionen. Er bedeutet für Millionen Menschen

- Ausgleich durch Spiel und Bewegung,
- gesteigerte Lebensfreude,
- Selbstverwirklichung,
- verbindendes Element im Gemeinschaftsleben,
- Erhaltung der körperlichen, psychischen und geistigen Leistungsfähigkeit,
- Gesundheitsvorsorge.

Die CDU misst deshalb dem Sport hohe gesellschaftspolitische Bedeutung zu. Sie will diese Bedeutung im Bewusstsein der Öffentlichkeit stärken und den Sport vielfältig fördern, damit sein Wert für die Gesellschafts-, Bildungs- und Gesundheitspolitik mehr als bisher anerkannt wird.

2. Sport ist ein wichtiger Beitrag zur Gesundheitsvorsorge. Er wirkt den Folgen des Bewegungsmangels entgegen und fördert gesundheitsgerechtes Verhalten weit über die unmittelbare sportliche Betätigung hinaus. Durch vernünftige Sportausübung können gesundheitliche Risikofaktoren verringert und zugleich die Kosten im Gesundheitswesen gedämpft werden. Sportärztliche Vorsorgeuntersuchungen sollen sportwilligen Bürgern und Bürgerinnen die Wahl der für die am besten geeigneten Sportart erleichtern.

3. Der Anteil an Freizeit nimmt zu durch

- mehr Teilzeitarbeit,
- Verkürzung der Wochenarbeitszeit,
- verlängerten Urlaub und
- Herabsetzung der Lebensarbeitszeit.

Bewegung, Spiel und Sport gewinnen deshalb - neben vielen anderen Freizeitbetätigungen - weiter an Bedeutung. Grundlagen für lebenslanges Sporttreiben sollen früh gelegt, und der Wunsch nach sportlicher Freizeitgestaltung soll dauerhaft gefestigt werden. Möglichst vielen Bürgerinnen und Bürgern muss der Zugang zu den vielfältigen Formen des Sports eröffnet werden.

4. Träger des Sports sind Vereine und deren Organisationen, die ihre Aufgaben in freier Selbstverwaltung überwiegend ehrenamtlich leisten. Die Sportvereine wirken gesellschaftlich integrierend und sind Teil der kommunalen Kultur; ihre Arbeit dient dem Gemeinwohl und ist deshalb öffentlich zu fördern.

Für die CDU sind Unabhängigkeit und Selbstverantwortung des Sports Grundsätze partnerschaftlicher Sportpolitik.

5. Zur ganzheitlichen Erziehung des Menschen gehört neben der Entwicklung geistiger, seelischer und musisch-kultureller Fähigkeiten auch der Sport. Bewegungserziehung im Vorschulalter sowie Sport an Schule und Hochschule sind wichtiger Bestandteil der Erziehung junger Menschen. Hier können Grundlagen für sportliche Betätigung und aktive Freizeitgestaltung bis ins Alter gelegt werden. Die CDU fordert daher die tägliche Bewegungszeit bzw. Sportstunde in Kindergarten und Schule und tritt für ein differenziertes Sportangebot an der Hochschule ein.

6. Wesentliches Merkmal des Sports ist der Leistungsgedanke. Dies gilt nicht nur im Spitzensport. Die Sportbewegung ist eine Einheit, ihre Grundlage ist der Breitensport. Der Spitzensport regt mit seiner Vorbildfunktion zur Sportausübung an. Die CDU bekennt sich zum Leistungsprinzip auch im Sport. Sie will Breiten- und Spitzensport angemessen fördern. Der Breitensport soll jedem Bürger die Möglichkeit bieten, nach seinen Neigungen und Fähigkeiten Sport zu treiben. Die Förderung des Spitzensports dient auch der Repräsentation des Landes; sie muss unseren Athleten und Athletinnen international gleiche Chancen ermöglichen. Beim Streben nach sportlicher Leistung müssen die ethischen und moralischen Grundsätze des Sports gewahrt werden.

7. Bewegung, Spiel und Sport können mit ihren vielfältigen Möglichkeiten sozial Benachteiligten helfen, ihre Lebensqualität zu steigern. Die CDU will für diese Menschen den Zugang zum Sport durch personelle und materielle Maßnahmen verbessern.

8. Für Sportwillige muss ein breitgefächertes Angebot zweckmäßiger Sportanlagen - möglichst in Wohnnähe - erreichbar sein. Aus öffentlichen Mitteln finanzierte Sportanlagen sollen prinzipiell kostenlos genutzt werden können. Der Sportstättenbau der Vereine muss durch Zuschüsse für Investitionen und Folgekosten gefördert werden.

9. Sport und der Bau von Sportanlagen können die Belange des Umweltschutzes berühren. Für die CDU sind Sport und Umweltschutz keine Gegensätze; sie fordert eine gerechte Bewertung von Sport und Umweltschutz sowie der vom Sport ausgehenden möglichen Belastungen für die Umwelt. Zur Vermeidung von Konflikten sollten die Belange des Sports mit denen des Umweltschutzes auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung in Bund, Ländern und Gemeinden abgestimmt werden. Die CDU wird deshalb die baurechtlichen Voraussetzungen für wohnnahe Sportstätten schaffen.

10. Die Völker dieser Welt rücken enger zusammen. Internationale Verständigung und Zusammenarbeit sind zu einer Bedingung für das Überleben der Menschheit geworden. Der Sport kann dabei eine wesentliche Aufgabe erfüllen. Eine faire und menschliche Gestaltung internationaler Beziehungen soll nach Meinung der CDU auch mit den besonderen Möglichkeiten gefördert werden, die der Sport für das Miteinander von Menschen unterschiedlicher Rasse, Religion, sozialer und politischer Herkunft bietet. (...)


Perspektiven für die Zukunft

Perspektiven für die Zukunft sind im folgenden thesenartig zusammengefasst, um einen konstruktiven Ausblick für die Arbeit der CDU im Rahmen des zentralen gesellschaftlichen Feldes "Bewegung, Spiel und Sport" anzubieten:

- Perspektive für die Zukunft muss auch für die sportbezogene Arbeit der CDU heißen, dass eine Bewusstseinsänderung bei möglichst vielen Menschen verwirklicht werden sollte, und zwar im Sinne eines ganzheitlichen Menschenbildes. Der Mensch ist als Einheit zu sehen von Körper, Geist und Seele, wobei alle Aspekte gleichberechtigt sind und in einem ausgewogenen Wechselverhältnis stehen.

- Perspektive für die Zukunft heißt demnach, dass möglichst viele Menschen durch mehr Bewegung, Spiel und Sport Selbstbestätigung und innere Freiheit finden. Die CDU will sich für diesen Weg zu mehr Menschlichkeit und Lebensqualität einsetzen.

- Perspektive für die Zukunft bedeutet, dass immer mehr Menschen Glück und Freude erfahren können durch Bewegung, Spiel und Sport. Dies entspricht auch der Leitidee der CDU, die als Volkspartei das "größte Glück der größten Zahl" von Menschen verfolgt.

- Perspektive für die Zukunft beinhaltet somit, dass das Spiel im Sport zentrale Bedeutung für den Menschen hat. Die CDU tritt für eine Stärkung des spielerischen Gedankens im Sport ein.

- Perspektive für die Zukunft meint ebenfalls ein Hinarbeiten auf eine ganzheitlich verstandene, sog. "neue" Gesundheit. Die CDU setzt sich ein für ein positives, durch körperliche Aktivität und Körperbewusstsein gekennzeichnetes Wohlbefinden. Dies ist eine Gesundheit, die mehr bedeutet als das Freisein von Krankheit.

- Perspektive für die Zukunft heißt sinnvolle Einbeziehung von Bewegung, Spiel und Sport in den Freizeitbereich. Die CDU wird die gesellschaftliche Entwicklungslinie "Freizeit" verantwortungsbewusst im Sinne humaner Lebensqualität gestalten.

- Perspektive für die Zukunft bedeutet für die CDU im Hinblick auf den Spitzensport das bedingungslose Eintreten für eine humane Entwicklung, für die Besinnung auf ethische Maximen und den Verzicht auf Höchstleistungen, wenn sie nur um den Preis der Manipulationen am Menschen erreicht werden können.

- Perspektive für die Zukunft beinhaltet eine große Chance für mehr Fairness im Umgang der Menschen miteinander, da Fairness im Sport unter Umständen grundsätzlich Verhaltensänderungen herbeiführen kann. Die CDU unterstützt die Bemühungen der Fairness-Initiativen des Deutschen Sports, um mehr Humanität und Ehrfurcht gegenüber der Schöpfung, vor allem Toleranz und Kompromissfähigkeit, in dieser Welt zu verwirklichen.

- Perspektive für die Zukunft beinhaltet gerade in der Phase des notwendigen Zusammenwachsens der beiden Teile Deutschlands, dass der Sport mit seinen vielen Varianten einen aktiven und unverzichtbaren Beitrag zur Einheit Deutschlands leisten kann und muss.

- Perspektive für die Zukunft heißt, dass über Bewegung, Spiel und Sport ein Beitrag geleistet werden kann zum Erhalt kultureller Vielfalt auf dieser Welt. Dies ist eine wichtige Entwicklungslinie, da der Erhalt kultureller Vielfalt ein wesentliches Gegengewicht zu weltweit sichtbaren Tendenzen der Gleichmachung, Konzentration und Vereinheitlichung darstellt. Die CDU unterstützt diese Bemühungen. Der Mensch muss auch in Bewegung, Spiel und Sport kreative Vielfalt entwickeln können.

- Perspektive für die Zukunft bedeutet schließlich auch die Förderung internationaler Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Sports. Internationalität ist weltweit sichtbar, und der Sport spielt hier eine wichtige Rolle. Die CDU unterstützt diese Aufgabe des Sports, da ihm eine wesentliche Funktion im "Konzert" internationaler Zusammenarbeit zukommt."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 20-21 / 14. Mai 2013, S. 30
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2013