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GESCHICHTE/379: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 189 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 47 / 20. November 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1990/VI: 20 Jahre Bundesinstitut für Sportwissenschaft
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 189)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Das mit Erlass der Bundesregierung vom 10. Oktober 1970 begründete Bundesinstitut für Sportwissenschaft (BISp) nahm sein 20jähriges Bestehen zum Anlass, mit einem Symposium am 26. September 1990 eine Standortbestimmung vorzunehmen. In diesem Rahmen sollte nicht nur die Breite und Vielfalt der Tätigkeiten der Fachbereiche dargestellt, sondern auch in kritischer Bilanzierung des bisher nicht oder nicht ausreichend Erreichten Herausforderungen für die künftige Arbeit des Instituts aufgezeigt werden.

Der für die Spitzensportförderung zuständige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble nahm die Gelegenheit zu einem klaren Wort zum weiteren Bestand des Bundesinstituts wahr und verabschiedete den Direktor des BISp, Prof. August Kirsch, nach 17-jähriger Leitung in den Ruhestand. Für ehren- und hauptamtliche Tätigkeiten für den Sport zeichnete der Bundesminister Kirsch mit dem Großen Bundesverdienstkreuz aus.

Nachstehend folgen Auszüge aus den Ansprachen des Vorsitzenden des BISp-Direktoriums, Prof. Ommo Grupe, zu "Geschichte, Entwicklung und Aufgabenstellung des Bundesinstitutes für Sportwissenschaft" und von Schäuble zur Verabschiedung und Auszeichnung von Kirsch:

Prof. Ommo Grupe: "Zwanzig Jahre BISp wären Anlass genug, auf wichtige Forschungsergebnisse, vor allem im Bereich des Leistungssports, hinzuweisen, die Schriftenreihen und Veröffentlichungen zu beschreiben, in denen ein Teil dieser Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, hinzuweisen auf die weltweit anerkannten Leistungen des Instituts im Hinblick auf Planung und Beratung im Bereich des Sportstätten- und -anlagenbaus, ebenso auf die vorbildliche Daten- und Literatur-Dokumentation, die es betreibt. Auch wenn der kritische Beobachter bei einer solchen Darstellung der Arbeit des Instituts noch manche Lücken und Defizite finden kann - die bisherigen Zwei-Jahres-Berichte dokumentieren eindrucksvolle Leistungen, und eine Reihe belobigender Stellungnahmen der zuständigen Ressortminister, der DSB-Präsidenten und BAL-Vorsitzenden gibt dieser Bilanz auch den öffentlichen Glanz. Das Bundesinstitut hat, das darf man feststellen, seine Aufgaben im Rahmen der ihm gegebenen rechtlichen, organisatorischen, personellen und materiellen Möglichkeiten bestens erfüllt, was natürlich nicht heißt, dass nicht alles noch besser sein könnte, und es ist ihm gelungen, sich ein hohes Maß nationaler und internationaler Anerkennung zu erwerben.

Weniger aber zu den bisherigen Leistungen des Instituts will ich etwas sagen, diese können für sich selbst sprechen, sondern vor allem zu den Rahmenbedingungen, die für seine Arbeit maßgebend waren und noch sind. (...) Die politische Bereitschaft zur Sportförderung aufgrund einer entsprechenden gesellschaftlichen Nachfrage war die entscheidende Voraussetzung für die nun verstärkt beginnende sportwissenschaftliche Forschung und Forschungsförderung. Ihre Notwendigkeit konnte jetzt auch einleuchtend begründet werden: Mit der Bereitschaft, Mittel für die Behandlung von Fragen zu geben, für die öffentliches Interesse bestand - und für den Sport traf dies eindeutig zu - wuchs die Zahl der Personen, die sich solchen Fragen widmeten. Mit den zur Verfügung gestellten Mitteln stieg die Notwendigkeit der Kontrolle, bedurfte es formalisierter Antrags- und Genehmigungsverfahren, nicht nur Mittel zu bewilligen und zu vergeben, Projekte anzuregen und zu finanzieren, sondern auch die Mittelverwendung zu überwachen, Verwendungsnachweise zu prüfen, Ergebnisberichte einzufordern, gewonnene Einsichten zu verbreiten und für die Praxis nutzbar zu machen. Das kleine im DSB bestehende Büro des Zentralkomitees für die Forschung auf dem Gebiet des Sports war mit diesen Aufgaben verständlicherweise bald überfordert. Es stellte jedoch einen der Ursprünge des 1970 gegründeten Bundesinstituts dar.

Der zweite Ursprung findet sich in der Übungsstättenberatungsstelle, die der Deutsche Sportbund in Köln 1954, schon damals unter der Leitung von Frieder Roskam, eingerichtet hatte. Ihre Aufgabe bestand darin, ratsuchende Vereine, Verbände, Städte, Gemeinden und Landkreise bei der Planung, beim Bau und bei der Gestaltung von Sportstätten, Sporteinrichtungen und Sportanlagen sachverständig zu beraten. Da in dieser Hinsicht eine große Nachfrage gegeben war, auch vergleichsweise hohe Mittel zur Verfügung standen, war diese Aufgabe auch nie strittig; bestenfalls für den Bundesrechnungshof.

Einen dritten Ursprung finden wir in den Literatur- und Daten-Dokumentationen, die der DSB ebenfalls bereits vor der Bundesinstituts-Gründung unterstützt hatte. Eine wurde in Münster von Professor Klaus betreut und bezog sich vor allem auf medizinische und sportmedizinische Literatur; eine andere in Köln - unter Leitung von Essing - konzentrierte sich auf sportpsychologische Fragen. Mit der Planung des eigentlichen Vorläufers der Literatur- und Daten-Dokumentation hatte der Innenminister das Carl-Diem-Institut im Jahre 1969 beauftragt." (...)

Bundesminister Dr. Wolfgang Schäuble: "43 Jahre ohne Unterbrechung, von 1947 bis heute, gehören Sie, Herr Professor Kirsch, der Sporthochschule Köln an: zunächst von 1947 bis 1950 als Student, dann als Lehrbeauftragter, später als hauptamtliches Mitglied, danach, als Sie im Oktober 1973 zum Direktor des Bundesinstituts für Sportwissenschaft berufen wurden, wieder als Lehrbeauftragter.

Seit 1975 sind Sie Honorarprofessor. Sie haben Generationen von Sportstudenten in Methodik und Didaktik der Leibeserziehung unterrichtet. Und das wird - wenn ich es richtig sehe - auch in Zukunft so sein.

Aber Ihre wissenschaftliche Tätigkeit stellt ja nur einen Ausschnitt Ihrer beruflichen Tätigkeit dar. Sie haben daneben eine große Zahl von Ämtern und Ehrenämtern im Bereich des Sports bekleidet. Ich will nur ganz wenige beispielhaft nennen: Präsidiumsmitglied im Deutschen Sportbund, 15 Jahre Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in einer Zeit, in der dieser Verband übrigens herausragende Erfolge gehabt hat, seit 1977 Vizepräsident des Nationalen Olympischen Komitees, seit 1983 Präsident des Weltrats für Sportwissenschaft und Leibeserziehung und seit 1984 Vorsitzender des Vereins Trainerakademie.

Nicht hintereinander, sondern weitgehend nebeneinander war und ist Herr Prof. Kirsch in diesen Funktionen tätig. Ich weiß, dass Sie das Wort "Funktionär" - jedenfalls so nackt - ungern akzeptieren. Sie sollen einmal gesagt haben, dass Sie höchstens das Wort "Multifunktionär" als zusammenfassende Bezeichnung für Ihre nicht gerade wenigen Ämter in Sport und Sportwissenschaften zu akzeptieren bereit seien. Ich sage das mit großem Respekt, denn selbst für einen Politiker, der ja in der Regel auch viele Ämter bekleidet, ist die Fülle Ihrer Ämter beeindruckend.

Aber dieses Engagement ist Ihren dienstlichen Aufgaben in besonderer Weise zugute gekommen. Das Amt des Direktors des Bundesinstituts für Sportwissenschaft hat aus diesem Ihrem Engagement großen Nutzen gezogen. Sie haben den Bezug zur Praxis des Sports gehalten.Und Sie konnten so in die Arbeit des Bundesinstituts aktuelle Entwicklungen und Probleme des Sports einbringen; dies kam der Dienstleistungsfunktion des Instituts für den Sport zugute.

Den Rang, den das Bundesinstitut im In- und Ausland hat, verdankt es der Arbeit aller seiner Mitarbeiter, aber doch auch in besonderem Maße Ihrer Arbeit, Ihrer Tatkraft und Entschlossenheit. Sie haben in den 17 Jahren, in denen Sie das Institut geleitet haben, das Institut geprägt, und dafür und für die geleistete Arbeit danke ich Ihnen. (...)"

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 47 / 20. November 2012, S. 35
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2012