Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/369: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 181 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 39 / 25. September 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1989/V: Sportministerkonferenz der Länder spricht über Sport und Umwelt
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 181)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Auch für die Sportministerkonferenz der Länder (SMK) war das in diesem Jahr bundesweit in zahlreichen Gremien viel diskutierte Thema "Sport und Umwelt" bei ihrer 12. Sitzung am 16./ 17. November 1989 in Stuttgart Hauptgegenstand der Beratungen.

In den "Vorbemerkungen" für die Konferenzteilnehmer zu den Beratungsunterlagen zum Punkt "Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes" hieß es u.a.:

"Die Sicherung der Nutzung von Spiel- und Sportanlagen im Lebens- und Wohnbereich der Bevölkerung ist ein wichtiges sportpolitisches und städtebauliches Anliegen. Wie die jüngste Rechtsprechung jedoch zeigt, reichen die bestehenden Rechtsvorschriften nicht aus, um einen fairen Interessenausgleich zwischen den berechtigten Ansprüchen von Nutzern bestehender Spiel- und Sportanlagen und der Nachbarn zu erreichen. Der Bundesrat hat deshalb in seiner Stellungnahme vom 12.5.1989 zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes die Bundesregierung aufgefordert, "im weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zur Entschärfung des Konfliktes zwischen Sport und Umwelt durch Regelungen beizutragen, die eine angemessene Nutzung der in der Nachbarschaft von Wohnungen betriebenen Sportstätten für den Schul- und Breitensport ermöglichen."

Die sozialen, pädagogischen und gesundheitlichen Funktionen des Sports sowie das öffentliche Interesse an Sportanlagen im Lebens- und Wohnbereich der Bevölkerung sind bedeutsame Schutzzwecke, die vor dem Hintergrund wachsender subjektiver Lärmempfindlichkeit und individualistischer Ansprüche verfolgt werden müssen.

Die bestehenden technischen Regelwerke zur Messung und Bewertung von Sportgeräuschen, die einen Kompromiss zwischen der Sport- und Immissionsschutzseite darstellen, binden die Richter nach der derzeitigen Rechtslage nicht bei der Konkretisierung der unbestimmten Rechtsbegriffe des BGB und des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BimSchG). Es müssen deshalb folgende Änderungen der geltenden Rechtsvorschriften geprüft werden, um einen angemessenen Bestandsschutz von Sportanlagen zu gewährleisten und die Weiterentwicklung eines ökologisch vertretbaren und bedarfsgerechten Sportstättenbaus zu ermöglichen.

1. Änderung der Baunutzungsverordnung

2. Änderung des Immissionsschutzrechts

2.1 Relativierung des Geräuschbegriffs durch Änderung des § 22 BimSchG

2.2 Einfügung einer Ausnahmevorschrift in das BimSchG

2.3 Erlass einer Rechtsverordnung zum BimSchG

2.4 Erlass einer Verwaltungsvorschrift auf der Grundlage des § 48 BimSchG

3. Änderung des § 906 BGB

4. Gesetzesinitiative der Freien und Hansestadt Hamburg zur Änderung des BimSchG und des BGB"

Nach eingehender Beratung fasste die Ministerkonferenz folgenden Beschluss:

"Die Sportminister der Länder verfolgen die restriktive Entwicklung der Rechtsprechung zur Zulässigkeit und zum Betrieb von Sportanlagen mit Sorge. Sie halten rechtliche Schritte zur Sicherung des Sportstättenbestandes und des Sportstättenbaus für dringend erforderlich. Als ersten Schritt in die richtige Richtung anerkennen sie die mit der 4. Verordnung zur Änderung der Baunutzungsverordnung beabsichtigten Verbesserungen, mit denen wichtige Forderungen der Sportminister verwirklicht werden sollen.

  • Durch Gleichstellung mit Einrichtungen für kirchliche, kulturelle, soziale und gesundheitliche Zwecke werden Sportanlagen künftig in den meisten Baugebietstypen allgemein zulässig.
  • In reinen Wohngebieten können nicht störende, den Bewohnern dieser Gebiete dienende Sportanlagen, ausnahmsweise zugelassen werden.
  • In Gewerbegebieten sollen Spiel- und Sportanlagen allgemein zulässig sein.

Als dringlichste Maßnahme erwarten die Sportminister der Länder von der Bundesregierung umgehend die Vorbereitung einer Rechtsverordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz, in der Regelungen für die Messung und Bewertung von Sportgeräuschen rechtsverbindlich eingeführt werden. Darüber hinaus fordern die Sportminister die Bundesregierung erneut auf zu prüfen, ob durch eine Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes die erforderlichen immissionsschutzrechtlichen und nachbarrechtlichen Regelungen, insbesondere hinsichtlich der zulässigen Sportgeräusche geschaffen werden können, die für die Nutzung wohnungsnaher Sportanlagen erforderlich sind. Dabei ist auch eine Änderung des § 906 BGB zu prüfen. In diesem Zusammenhang begrüßen die Sportminister die Initiative der Freien und Hansestadt Hamburg.


Zur Richtlinie 3724 "Beurteilung der durch Freizeitaktivitäten verursachten und von Freizeiteinrichtungen ausgehenden Geräusche"

Die Sicherung der Nutzung von Spiel- und Sportanlagen im Lebens- und Wohnbereich der Bevölkerung ist ein wichtiges sportpolitisches Anliegen der Sportministerkonferenz. Wegen der pädagogischen, sozialen und gesundheitlichen Funktionen des Sports haben Kommunen und Vereine mit Unterstützung des Staates in den vergangenen Jahren unter Einsatz von Milliardenbeträgen Sportanlagen errichtet und damit eine Infrastruktur bedarfsgerechter und wohnungsnaher Sportmöglichkeiten geschaffen, die von mehr als der Hälfte der Gesamtbevölkerung genutzt wird. Wegen der wachsenden Zunahme der Sportbeteiligung werden weitere Sportanlagen in Wohnungsnähe benötigt.

Diese erheblichen öffentlichen Investitionen sind nur dann zu rechtfertigen, wenn der Betrieb und die Nutzung der Sportanlagen nicht durch Maßnahmen eingeschränkt werden, die vor dem Hintergrund wachsender Ansprüche einzelner aus überzogenen Forderungen des Lärmimmissionsschutzes getroffen werden.Die Rechtsprechung der vergangenen Jahre hat deutlich gemacht, dass zur Abwehr derartiger Forderungen sachgerechte Maßstäbe fehlen. Die Sportministerkonferenz begrüßt daher, dass der VDI versucht, diese Lücke durch eine eigene VDI-Richtlinie zu schließen.Sie erkennt auch an, dass der vorgelegte Entwurf bemüht ist, der öffentlichen Bedeutung des Sports Rechnung zu tragen und zwischen Alt- und Neuanlagen zu differenzieren. Die Sportministerkonferenz misst der VDI-Richtlinie 3724 "Freizeitgeräusche" eine besondere Bedeutung zu, da diese als Grundlage einer Rechtsverordnung zu § 23 Bundesimmissionsschutzgesetz dienen kann. Die Sportministerkonferenz hat deshalb die Konferenz der Sportreferenten beauftragt, den vorgelegten Entwurf der VDI-Richtlinie 3724 "Freizeitgeräusche" sorgfältig auf seine Auswirkungen für den Bestandsschutz und die Nutzungssicherung von Sportanlagen zu prüfen und dabei die Vorgaben und Forderungen zu beachten, von denen die Sportministerkonferenz ihre Zustimmung zu den LAI-Hinweisen zur Beurteilung des durch Freizeitaktivitäten verursachten Lärms abhängig gemacht haben."

*

Quelle:
DOSB-Presse Nr. 39 / 25. September 2012, S. 25
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Telefon: 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Oktober 2012