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GESCHICHTE/360: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 174 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 32 / 7. August 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1988/IV: Verbände mit Befahrensordnung fürs Wattenmeer unzufrieden
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 174)

Eine Serie von Friedrich Mevert



In den Beziehungen zwischen Sport und Umwelt entwickelten sich von der Mitte der 80er Jahre an einige Konflikte, die insbesondere die Bereiche des von Sportanlagen ausgehenden sog. Sportlärms (siehe auch Teil 173) und den Erlass von Befahrensregeln nach § 5 des Bundeswasserstraßengesetzes betrafen, von denen die Wassersportler betroffen waren. Bei letzterem ging es vor allem um eine Befahrensregelung für die neu eingerichteten Nationalparks Wattenmeer in der Nordsee, die auch zwischen den Bundesministerien, den zuständigen Länderbehörden und der parlamentarischen Ebene kontrovers diskutiert wurde.

Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages diskutierte die Problematik am 26. Oktober 1988 in Bonn mit den zuständigen Beauftragten des DSB, der Wassersportverbände und der Bundesministerien. Über die Ergebnisse der Anhörung berichtete der Informationsdienst "Woche im Bundestag" in seiner Ausgabe 18/88 unter der Überschrift "Verbände sind mit Regeln für Naturparks Wattenmeer unzufrieden" mit folgendem Beitrag:

"'Wenn ein Sportverbot als Umweltschutz deklariert wird, dann sind wir am Ende unseres Verständnisses angelangt.' Aufgebracht reagierten Vertreter des Deutschen Sportbundes auf Pläne der Bundesregierung, eine Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in bestimmten Naturschutzgebieten und Nationalparks zu erlassen. Der Sportausschuss diskutierte das Problem am 26. Oktober in einem Gespräch mit Regierung und Sportverbänden.

Ein Vertreter des Verkehrsministeriums erläuterte, dass das Problem im wesentlichen die Schutzzone I (als die höchste von drei Schutzzonen) in den Nationalparks Wattenmeer von Niedersachsen und Schleswig-Holstein berühre. In diesen Schutzzonen würden 500 Meter breite Fahrrinnen freigehalten, in denen sich die Schifffahrt, die Fischerei und eben auch der Sport bewegen dürften. Alle Pläne müssten mit den Ländern abgestimmt werden. In Schleswig-Holstein werde die Befahrensregel 30 Prozent des Watts betreffen, in Niedersachsen 50 Prozent. Die Vertreter des Sports äußerten im Ausschuss ihr Unverständnis darüber, dass Ölbohrungen, Schießübungen und Tiefflüge weiterhin zulässig sein sollten, während die Sportschifffahrt verboten würde. Auch ein SPD-Abgeordneter äußerte den Verdacht, dass mit der Verordnung das "schwächste Glied in der Kette" am stärksten in Mitleidenschaft gezogen werde, während die Bundesregierung "große andere Beeinträchtiger" in die Verordnung nicht einbezogen habe.

In der Diskussion über die Zielsetzung solcher Schutzgebiete machte ein Abgeordneter der CDU/CSU-Fraktion darauf aufmerksam, dass in den Ruhezonen alle menschlichen Einflüsse ausgeschlossen werden sollten, damit die Natur sich dort unbeeinflusst entwickeln könne. Auch die Jagd und der Tourismus würden dabei "hart getroffen". Der Sport dürfe nicht in den Verdacht geraten, nach dem St.-Florians-Prinzip alle Verantwortung von sich zu weisen.

Ein Parlamentarier der GRÜNEN setzte sich dafür ein, Tiefflüge über dem Wattenmeer zu stoppen und die Fahrrinnenbreite in der Schutzzone I auf 250 Meter zu reduzieren.

Vertreter des Verkehrsministeriums und des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sagten zu, dass auch die Bundeswehr über das Bundesverteidigungsministerium sowie die Behörden der betroffenen Länder aufgefordert würden, sich nach Inkrafttreten einer derartigen Befahrensverordnung an die ausgewiesenen Fahrrinnen zu halten. Der Sportausschuss will den Entstehungsprozess der Verordnung weiterhin begleiten."

Auch das Präsidium des DSB bezog wenige Wochen später deutlich Position. So heißt es im "Bericht zur Lage" zur DSB-Hauptausschuss-Sitzung am 3. Dezember 1988 in Mainz u.a.:

"Weitergekommen sind wir in einigen Umweltfragen. Die Änderung der Baunutzungsverordnung soll die "Sportanlage um die Ecke" dort ermöglichen, wo sie hingehört und heute noch nicht genehmigt werden kann: in Wohnungsnähe. Das nächste halbe Jahr wird zeigen, ob dies nur für sogenannte Allgemeine Wohngebiete gelten soll oder ob unsere Argumentation verstanden worden ist, dass Sportgelegenheiten auch in reine Wohngebiete gehören, wenn sie die Nachbarn nicht belästigen. Die Möglichkeit, wohnungsnah Sport treiben zu können, verbessert den Wohnwert eines Gebietes und schont die Umwelt an der Peripherie. Warum ist das eigentlich angesichts der hohen Sportaktivität in unserer Bevölkerung so schwer zu verstehen? (...)

Die Schmerzgrenze ist dagegen für den Wassersport fast überschritten, also gerade in dem Bereich, in dem die Sportler stets auf die Schonung und Erhaltung der Natur geachtet haben. Auch beim Schutz des Wattenmeeres sind wir nicht Bremser, sondern Antreiber. Der Sport ist jederzeit bereit, sinnvolle und überfällige Maßnahmen zur Erhaltung dieses weltweit einmaligen Naturraumes zu fordern und zu unterstützen. Er ist auch bereit, da zurückzustecken, wo er selbst stört. Er kann es aber nicht zulassen, dass die halbherzig geführte Umweltpolitik gegenüber den Verursachern der Gefahren für Wattenmeer und Nordsee mit Samthandschuhen vorgeht, dass sie den Wassersport jedoch mit übertriebener Härte aus weiten Teilen des Watts vertreibt. Wir lassen uns nicht als Alibi für umweltpolitische Unterlassungssünden vorführen. Wer glaubt, mit Sportverboten das Watt schützen zu können, der irrt! Der Sport ist auf eine Verbesserung der Umweltbedingungen angewiesen! Gesunder Sport ist nur in einer gesunden Umwelt möglich!"

Im "Siebten Sportbericht der Bundesregierung" heißt es im Kapitel VIII "Sonstige Maßnahmen der Bundesregierung" in Abschnitt 1.3 Wassersport zu diesem Problembereich:

"Häufig müssen auch unterschiedliche und teilweise entgegengesetzte Interessen (...) miteinander in Einklang gebracht werden. Dies erweist sich gerade in letzter Zeit dort zunehmend als schwieriger, wo aus Gründen des Umwelt- und Naturschutzes die Ausübung von Wassersport eingeschränkt oder sogar ganz untersagt werden soll. In der "Verordnung über das Befahren der Binnenwasserstraßen in bestimmten Naturschutzgebieten im Binnenbereich" und im Entwurf einer "Verordnung über das Befahren der Bundeswasserstraßen in bestimmten Naturschutzgebieten und Nationalparks im Bereich der Nordsee" mit den darin aufgeführten Befahrungsregelungen wurden Kompromisse gefunden bzw. werden angestrebt, die sowohl die Belange des Naturschutzes berücksichtigen als auch von den Wassersportlern akzeptiert werden können."

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 32 / 7. August 2012, S. 12
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2012