Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/353: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 170 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 26 / 26. Juni 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1987/V: DSB-Kongress "Menschen im Sport 2000" in Berlin
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 170)

Eine Serie von Friedrich Mevert



Die richtige Richtung für die künftigen Aufgaben im deutschen Sport weisen sollte der Kongress "Menschen im Sport 2000" vom 5. bis 7. November 1987 im Internationalen Congress-Centrum (ICC) in Berlin. Über den Tag hinaus sollte dort der Blick in die Zukunft gerichtet werden, denn zunehmende Kommerzialisierung, drohender Verlust von Eigenständigkeit, Gefahren für die ethischen Werte des Sports, demographische Veränderungen und Strukturprobleme bis hinunter in die Vereine waren nur einige der Fragenbereiche, die diskutiert und auf die Antworten erarbeitet werden sollten.

Das Echo auf die von 1.900 Teilnehmern in 14 Arbeitskreisen beratenen Ergebnisse war unterschiedlich und reichte von der Beurteilung als "sportlicher Gemischtwarenladen mit einem Überangebot" über Kritik, dass "lauter alte Funktionäre dasselbe geredet hätten wie schon immer" bis zu positiven Stimmen, dass schon die mahnende Rückbesinnung auf Werte und Aufgaben des Sports die Reise nach Berlin wert gewesen sei. Die Aufarbeitung der Aussagen und Feststellungen von Berlin sollte eigentlich in den Ländern in Folgekongressen durch die Landessportbünde erfolgen, doch dies geschah nur in Einzelfällen. Auszüge aus der Zusammenfassung der wichtigsten Beratungsergebnisse enthält die unter dem Titel "Der Sport braucht die Gemeinnützigkeit!" verabschiedete Resolution:

"Der Sport in der einheitlichen Sportorganisation des DSB wird in der Rechtsform des "Idealvereins" betrieben. Der Verein braucht wegen seiner insgesamt ideellen Förderung des Sports das staatliche Siegel der Gemeinnützigkeit. Auch dort, wo er Teilbereiche wirtschaftlich verwertet, muss dies unter dem Dach der gemeinnützigen Organisation gesichert sein, damit die Erlöse wieder in den ideellen Zweck fließen können.

Was Sport ist, unterliegt fortlaufenden Wandlungen, und auch seine Verwendung ist in der Praxis höchst unterschiedlich, wie Gutachten der Deutschen Sporthochschule Köln oder des Wissenschaftlichen Beirates des DSB nachgewiesen haben:

  • Sport ist körperliche Bewegung; er erfordert koordinative oder konditionelle Fähigkeiten (Kraft, Ausdauer, Koordination, Schnelligkeit etc.), die es zu erlernen und zu trainieren gilt;
  • Sport besitzt eigenständige Bedeutungsinhalte und wird grundsätzlich nicht unter Nützlichkeitserwägungen oder existentiellen Zwängen betrieben;
  • Sport unterliegt dem Leistungsprinzip, Leistung und Wettbewerb sind konstitutiv; er ist bemüht, individuelle oder durch Regeln festgelegte Gütemarken zu übertreffen;
  • Sport ist an einheitliche Organisation zum gemeinsamen Sporttreiben gebunden: Mannschaften, Regeln, Abteilungen, Vereine, Ligen, Verbände, internationale Organisationen u. a. m. schaffen das Wettkampfsystem;
  • Sport wird von ethischen Grundwerten getragen, zu denen Fair play, Partnerschaft, Unversehrtheit des Partners, Chancengleichheit und Teamgeist gehören;
  • Sport wird auf unterschiedlichem Leistungsniveau sowie in verschiedenen Gestaltungsformen betrieben und unterscheidet zwischen Spitzen- und Breitensport.

In der Bundesrepublik Deutschland wird dieser gemeinnützige Sport in Sportvereinen betrieben. Diese Vereine sind u.a. durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

  • Die Mitgliedschaft im Verein ist freiwillig, also nicht z.B.durch politischen, rechtlichen oder wirtschaftlichen Zwang begründet (Prinzip der Freiwilligkeit);
  • der Verein ist in seiner Arbeit und in seiner Organisation durch die spezifischen Interessen seiner Mitglieder geprägt (Prinzip der Selbstbestimmung);
  • der Verein ist getragen durch die Leistungen der Mitglieder in Form von Beiträgen und freiwilliger unentgeltlicher Mitarbeit (Prinzip der Ehrenamtlichkeit);
  • der Verein ist gekennzeichnet durch demokratische Entscheidungsstrukturen, wodurch die Geschicke ausschließlich in der Hand der Mitglieder liegen (Prinzip der demokratischen Entscheidung);
  • der Verein schafft öffentliche Güter, die sonst nicht am Markt bereitgestellt werden, wozu insbesondere die sozialen und kulturellen Funktionen des Sports gehören (Prinzip der Sozialfunktion).

Das erzieherische Ziel in der Arbeit der gemeinnützigen Sportvereine und die ideelle Selbstbindung können nicht deutlich genug herausgestellt werden.

Die Verwirklichung dieser Zielsetzung erstreckt sich auf zahlreiche Eigenschaften, Fertigkeiten, Fähigkeiten und Handlungsbereiche des Menschen.

Wenngleich der Sport zunächst die motorischen Fertigkeiten bewahren, steigern oder wiederherstellen soll sowie die Emotionalität (Freude, Spannung, Spaß u. ä.) anspricht, so eignet er sich vorzüglich zur Bildung und Entwicklung der sozialen und moralischen Kräfte des Individuums.

Er ermöglicht soziale Erfahrungen wie Hilfsbereitschaft, Toleranz, Konfliktfähigkeit, Kooperationsbereitschaft, Integrationsfähigkeit u.a.m.

Im gleichen Maße dient der Sport mit seinem Regelwerk aber auch dazu, die moralische Entwicklung zu fördern.

Zu den Leistungen des Sportvereins gehören viele Funktionen, vor allem aus den Bereichen der Daseinsvorsorge sowie der gesamtstaatlichen Repräsentation im internationalen Wettbewerb, die der Staat selbst erfüllen müsste, gäbe es die Sportorganisation nicht.

Die einheitliche Sportorganisation ist außerdem nicht nur eine unerlässliche Voraussetzung dafür, dass alle Bevölkerungsgruppen preiswert und damit ohne finanzielle Überbeanspruchung auch Sport treiben können, sondern auch eine soziale Heimat für über 20 Millionen Bürger und eine Schule freiheitlicher Demokratie im besten Sinne.

Angesichts dieser Tatsache fordert der Deutsche Sportbund in seinen Steuermemoranden seit 1978, dass:

  1. gemeinnützige Sportvereine von der Körperschaft- und Gewerbesteuer für Überschüsse aus den dem Sport inhaltlich oder traditionell gemäßen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben befreit werden, unter der Bedingung, dass diese Überschüsse uneingeschränkt dem gemeinnützigen Zweck des Sportvereins zugeführt werden, auf jeden Fall jedoch kurzfristig die Übernahme von kostenloser Ausrüstungskleidung und kostenlosem Ausrüstungsgerät von der Sportartikelindustrie steuerneutral erfolgen kann;
  2. die seit zehn Jahren geltenden pauschalierten Aufwandsentschädigungen an Athleten gemeinnützigkeitsverträglich von 700 auf 2.000 Mark im Monat angehoben werden und diese Anhebung auch im Rahmen des neuen § 67 a Abgabenordnung wirksam wird;
  3. in gleicher Weise innerhalb des Zweckbetriebs nach § 67 a Abgabenordnung die gemeinnützigkeitsverträgliche Erstattung von entgangenem Verdienst zugelassen wird;
  4. Werbeverträge der Stiftung Deutsche Sporthilfe sowie nationaler Spitzenverbände gemeinnützigkeitsverträglich zugelassen werden, sofern sie internationale Fachverbände in Ausführung der Zulassungsbestimmungen des IOC ermöglichen;
  5. die Anhebung der steuerfreien Aufwandspauschale für nebenberufliche Übungsleiter, Ausbilder und Erzieher von jährlich 2.400 Mark auf 3.600 Mark erfolgt und
  6. den Sportvereinen die Spendenbescheinigungskompetenz bis zu einer Obergrenze von 600 Mark je Spender jährlich zugestanden wird.

Der vom Deutschen Bundesrat am 6. November 1987 einstimmig angenommene Entschließungsantrag des Landes Baden-Württemberg zur Steuervereinfachung für gemeinnützige Vereine liegt auf dieser Linie und muss jetzt zügig vom Deutschen Bundestag verabschiedet werden."

*

Quelle:
DOSB-Presse Nr. 26 / 26. Juni 2012, S. 25
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Telefon: 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2012