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GESCHICHTE/331: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 151 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 5 / 31. Januar 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1984/III: Arbeitsschwerpunkte im Sport von Frauen
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 151)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Dass der Breiten- und Freizeitsport zu Beginn der achtziger Jahre zunehmend an Bedeutung im Leben der Frauen und Mädchen gewann, ließ sich auch zahlenmäßig an der Mitgliederstatistik des DSB nachweisen. Analog dem gestiegenen Anteil von Mädchen und Frauen an der Mitgliedschaft in den Vereinen (1984: 35 Prozent) hatte sich auch der Anteil der ehrenamtlichen weiblichen Führungskräfte in den Vereinen erhöht. Die Vollversammlung des Bundesausschusses Frauensport des DSB am 13. Mai 1984 in Trier, die unter dem Thema "Ehrenamtliche Arbeit von Frauen im Sport" stand, beschloss eine umfangreiche Resolution, die Schwerpunkte in der Arbeit des Bundesausschusses für die künftigen Jahre festlegte. Die Resolution hatte folgenden Wortlaut:

"Der Bundesausschuss Frauensport steht in der Tradition der deutsche Turn- und Sportbewegung sowie der deutschen Frauenbewegung: Frauen im Sport setzen sich vermehrt seit Ende des 19. Jahrhunderts in vielfältiger Weise für den Sport und für die Rechte der Frauen ein. Ihre Arbeit beeinflusst die Entwicklung in beiden Bereichen. Zugleich sind die Stellung der Frau in der Gesellschaft und die Stellung des Sports in der Gesellschaft wesentliche Faktoren für die Beteiligung der Frauen am Sport. Seit Ende der sechziger Jahre hat sich hier eine veränderte Situation ergeben:

- Sport und Gesellschaft
Die Erweiterung der Sportangebote, steigende Mitgliederzahlen, die Übernahme neuer sozialer Aufgaben und die Festlegung sportpolitischer Positionen haben den organisierten Sport in der Bundesrepublik Deutschland zu einem wichtigen gesellschaftlichen Faktor werden lassen.


- Frau und Gesellschaft
Das Aufbrechen tradierter Rollenbilder, die verbesserte Ausbildung von Mädchen und Frauen und ein sich änderndes Selbstverständnis der Frauen führten zu einer breit angelegten Diskussion über die Gleichberechtigung der Frau und zu einer höheren Sensibilität für Frauenfragen in der Bundesrepublik Deutschland.

- Frau und Sport
Neue Sportinteressen und ein steigender Anteil weiblicher Mitglieder haben die Mitglieds- und Angebotsstruktur der Turn- und Sportvereine verändert, ohne dass sich diese Entwicklungen in der Führungsstruktur widerspiegelnd.

Unter diesen Bedingungen setzt sich der Bundesausschuss Frauensport das Ziel: Gleichberechtigte Teilhabe der Frauen am Sport. Diese Teilhabe umfasst nicht nur eine zahlenmäßig stärkere Beteiligung vor Frauen am Sport, sondern verlangt auch eine Verbesserung der Stellung der Frau im Sport und in der Gesellschaft. Frauen sollen mehr und vielseitiger Sport betreiben und Sport auf allen Ebenen

- mitorganisieren,
- mitverwalten,
- mitbestimmen und
- mitverantworten.

(...) Die Stellung des Sports als wichtiger gesellschaftspolitischer Faktor verpflichtet den Bundesausschuss Frauensport, einen eigenen aktiven Beitrag zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in der Bundesrepublik Deutschland zu leisten. Die stärkere Einbeziehung von Frauen in den Sport, insbesondere die Übernahme von mehr Verantwortung für den Sport, kann zu einer Verbesserung der Stellung der Frau in der Gesellschaft führen. Auf der Grundlage dieser Überlegungen und in Anlehnung an Ziele und Maßnahmen des DSB setzt sich der Bundesausschuss Frauensport für die zukünftigen Jahre folgende Schwerpunkte:

Breiten- und Freizeitsport
Gewinnung von bislang im Sport unterrepräsentierten Frauen

- Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit für einen gesundheitsorientierten, sportartübergreifenden, geschlechts- und altersunabhängigen Sport;

- Durchführung von gezielten Werbemaßnahmen für ältere Frauen und verstärkte Einrichtung von Seniorensportgruppen sowie Patenschaften zu Seniorenheimen und Altentagesstätten;

- stärkere Förderung neuer sportlicher Angebote in Wohngebieten mit hohem Anteil an gewerblichen Arbeitnehmer-Familien;

- Auswertung bisheriger Erfahrungen mit der "Bewegungspause am Arbeitsplatz" unter besonderer Berücksichtigung von belastenden Arbeitsplätzen, z. B. an Bildschirmen.


Verminderung der Austrittsquote von Mädchen und jungen Frauen aus Sportvereinen

- Durchführung einer Fluktuationsanalyse für Altersgruppen bis zu 55 Jahren;

- Entwicklung von Maßnahmen zur Vermeidung des Ausscheidens von weiblichen Mitgliedern aus Turn- und Sportvereinen.


Leistungssport
Erweiterung der Wettkampfmöglichkeiten für Mädchen und Frauen

- Vervollständigung der Auswertung von Regelwerken der Spitzenverbände, u. a. im Hinblick auf Einschränkungen im Bereich des Leistungssports von Frauen;

- Zusammenarbeit mit Spitzenverbänden, um benachteiligende Regelungen für Sportlerinnen in Wettkampfbestimmungen auszuschließen;

- Unterstützung der Bemühungen in den Spitzenverbänden, neue Sportarten und -disziplinen für Frauen aufzunehmen.


Abbau der Ungleichbehandlung von Sportlerinnen im Training und im Wettkampf

- Überprüfung der Situation von Mädchen und Frauen im Training und im Wettkampf;

- Verbesserung der Trainings- und Wettkampfmöglichkeiten einschließlich ihrer Bedingungen.


Sportführung und -verwaltung
Verbesserte Beteiligung der Frauen an der ehrenamtlichen Führung und Verwaltung des organisierten Sports, insbesondere die Verwirklichung einer partnerschaftlichen Führung

- verstärkte Einbeziehung von Frauen in die Weiterbildungs- und Öffentlichkeitsarbeit;

- Fortsetzung der Lehrgangsarbeit zur Gewinnung und Qualifizierung von Mitarbeiterinnen auf allen Ebenen der Sportorganisation;

- Einwirkung auf die Gestaltung von Satzungen und Ordnungen, um Frauen bessere Chancen zur Mitarbeit in der Führung zu ermöglichen;

- Überprüfung, ob Quotierungsverfahren eine bessere Delegation von Mitarbeiterinnen zu Verbands- und Bundestagen gewährleisten.


Sensibilisierung der Mitarbeiter für die besonderen Probleme, die sich für Frauen in Führungspositionen stellen

- Einbeziehung von Themen zu gesellschaftlichen Rahmenbedingungen der Frauen im Sport in die Weiterbildungsarbeit der Sportorganisation;

- Thematisierung von partnerschaftlicher Führung in allen Ausbildungsmaßnahmen und in den Arbeitsmaterialien des Sports;

- Überwindung geschlechtsspezifischer Zuschreibungen von Sportarten und Abschaffung der Begriffe "Männersport" und "Frauensport";

- Änderung des Namens des Bundesausschusses Frauensport.


Gesellschaftspolitische Mitwirkung
Verstärkte und bessere Darstellung der gesellschaftspolitischen Bedeutung des Sports in den Frauenorganisationen

- Ausbau der Kontakte zum Deutschen Frauenrat (Veröffentlichungen im Publikationsorgan des Deutschen Frauenrates, intensive Mitarbeit in Arbeitskreisen, in Seminaren und bei Jahreshauptversammlungen);

- Bestandsaufnahme der Aktivitäten auf Landes- und Kreisebene in bezug auf die Zusammenarbeit mit den jeweiligen Zusammenschlüssen von Frauenverbänden;

- Erarbeitung von Vorschlägen zum Ausbau der Zusammenarbeit mit anderen Frauenorganisationen auf Kreis- und Landesebene - unter Einbeziehung der Landessportbünde;

- Organisation eines Erfahrungsaustausches und gegenseitiger Informationen bereits in Frauenverbänden bzw. entsprechenden Zusammenschlüssen tätiger Frauen aus dem Sport;

- Durchführung von "Grundsatzgesprächen" mit gesellschaftlich relevanten Frauenverbänden, Frauengruppen, Parteien, Kirchen, Gewerkschaften u.a. (...)"


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 5 / 31. Januar 2012, S. 27
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. Februar 2012