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GESCHICHTE/307: Die Olympischen Spiele im August 1936 in Berlin (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 30 / 26. Juli 2011
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Die Olympischen Spiele im August 1936 in Berlin


Wegen der Unruhen vor dem spanischen Bürgerkrieg war nur eine Minderheit der Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) zur 29. Session 1931 in Barcelona erschienen. Deshalb wurde die Abstimmung über die Vergabe der XI. Olympischen Sommerspiele anschließend durch eine schriftliche Umfrage unter den nicht anwesenden Mitgliedern zu den einzigen verbliebenen Kandidaten Barcelona und Berlin ergänzt. Dabei wurden die Spiele mit großer Mehrheit Berlin übertragen und damit den Repräsentanten der demokratischen Weimarer Republik mit dem Vorsitzenden des Deutschen Reichsausschusses für Leibesübungen (DRL) und IOC-Mitglied Theodor Lewald an der Spitze.

Wenn auch schon von 1896 an immer die Politik bei der Vergabe der Olympischen Spiele eine Rolle gespielt hatte, so konnte man doch 1931 nicht voraussehen, welches politische System dann tatsächlich fünf Jahre später Gastgeber für die sportliche Jugend der Welt sein würde. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 und der Auflösung des DRL trat der vom neuen Regime ernannte Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten an die Spitze des Deutschen Olympischen Ausschusses und übernahm die Gesamtorganisation im Sinne der NS-Machthaber, denen die Spiele für ihre Propagandazwecke national und vor allem international hochwillkommen waren.

Boykotterwägungen vor allem in den USA bewogen IOC-Präsident Henri de Baillet-Latour, eine mögliche Verlegung der Spiele auf die Tagesordnung der 31. IOC-Session in Wien zu setzen, sollte die deutsche Reichsregierung nicht bereit sein, eine schriftliche Garantieerklärung abzugeben, die Regeln der Olympischen Charta einzuhalten. Die NS-Regierung verpflichtete sich daraufhin, die olympischen Regeln konsequent zu erfüllen. In den USA setzten sich die Befürworter einer Teilnahme in einer Abstimmung Ende 1935 mit knapper Mehrheit durch.

Die NS-Regierung verpflichtete sich gegenüber dem IOC dazu, "für alle Rassen und Konfessionen" freien Zugang in die Olympiamannschaften zu gestatten, damit auch deutsche Juden prinzipiell nicht von den Spielen auszuschließen. Schließlich gehörte allerdings nur eine, von den Nazis so genannte "Halbjüdin" der deutschen Mannschaft an: die Fechterin Helene Mayer, die mit dem Florett Silber gewann.

Systematisch wurde von den nationalsozialistischen Verantwortlichen der spätere organisatorische wie sportliche Erfolg vorbereitet: Das alte Deutsche Stadion im Berliner Grunewald wurde von Architekt Werner March zu einem modernen Olympiastadion mit Glockenturm, Reit- und Schwimmstadion, Freilichtbühne und dem Maifeld umgebaut. Dieses Reichssportfeld war zu jener Zeit einzigartig und ist auch heute noch beeindruckend für alle Besucher. Zu den baulichen Maßnahmen gehörten auch das landschaftlich herrlich gelegene Olympische Dorf in Elstal vor den Toren Berlins und die umfangreichen Verkehrsverbindungen durch U-Bahn, S-Bahn und Zufahrtsstraßen. Ebenso wurde das Sportforum großzügig zu einer Reichsakademie für Leibesübungen ausgebaut.

Auch sonst setzte Berlin neue Maßstäbe für die olympische Bewegung: Täglich wurde in einer Auflage von bis zu 500.000 Exemplaren eine "Olympia-Zeitung" herausgegeben, erstmalig gab es Fernsehübertragungen aus dem Olympiastadion. Generalsekretär Carl Diem hatte die Idee des Olympischen Fackellaufs und ließ die Flamme nach ihrer Entzündung im Heiligen Hain im griechischen Olympia von mehr als 3.000 Läufern quer durch Europa nach Berlin tragen. Zu den Besonderheiten des Rahmenprogramms zählten auch das "Festspiel der Olympischen Jugend" mit der Musik von Werner Egk und Carl Orff in der Freilichtbühne und die künstlerische Gestaltung der Eröffnungs- und der Schlussfeier.

Zwar hatte das IOC die Gastgeber gemahnt, ihre Rolle nicht zur Selbstdarstellung zu missbrauchen; und doch nutzten die NS-Machthaber ihre gigantische olympische Inszenierung, um die wahren Zustände im Lande zu verdecken.

Den rein sportlichen Rahmen dieser Spiele jedoch bestimmten großartige Athleten, die aber alle von einem Mann überstrahlt wurden: dem 22-jährigen Leichtathleten Jesse Owens aus Cleveland in den USA. Er verbesserte während der Berliner Spiele in mehreren Disziplinen neunmal den olympischen und fünfmal den Weltrekord, gewann schließlich vier Goldmedaillen über 100 Meter, 200 Meter, 4 x 100 Meter und im Weitsprung.

Mit 4.069 Teilnehmern aus 49 Ländern in 142 Einzelwettbewerben und 6 Mannschaftsspielen wurden in Berlin in jeder Hinsicht Beteiligungsrekorde erreicht. Erstmals waren Handball und Basketball olympische Wettbewerbe, und auch die Kanuten - 1924 in Paris nur in Vorführungswettbewerben dabei - hatten Rennen in neun Klassen. Nach der Eröffnungsfeier am 1. August 1936 gab es bis zum 16. August sportliche Höhepunkte am laufenden Band. Dabei gewann die deutsche Mannschaft, die jahrelang planmäßig auf dieses Ereignis vorbereitet worden war, insgesamt 89 Medaillen, 33 goldene, 26 silberne und 30 bronzene.

Auch die Deutsche Turnerschaft, die 1934 in den Internationalen Turnverband eingetreten war, hatte ihre olympische Abstinenz aufgegeben und holte mit Alfred Schwarzmann an der Spitze in der Mannschaft und in den Einzelwettbewerben insgesamt fünf Gold-, eine Silber- und sechs Bronzemedaillen.

In der Leichtathletik bestätigten die Amerikaner ihre Favoritenrolle, die Deutschen Hans Wölke (Kugelstoßen), Karl Hein (Hammerwurf) und Gerhard Stöck (Speerwurf) gewannen drei der vier Wurfwettbewerbe. Im Schwimmsport hielten die Japaner gut mit den US-Schwimmern mit. Die schwerathletischen Wettbewerbe im Gewichtheben, Ringen und Boxen fanden in der Deutschlandhalle statt und brachten zahlreiche Erfolge für die Gastgeber. Die Segler ermittelten in der Kieler Förde ihre Besten. Dort war ein besonderes Organisationskomitee gebildet worden, unterstützt von der Kriegsmarine.

Die deutschen Reiter gewannen alle sechs Wettbewerbe in Döberitz und auf dem Maifeld sowie im Preis der Nationen vor der Schlussfeier im Olympiastadion. Nur die deutschen Fußballer enttäuschten die Erwartungen ihrer Anhängerschar und schieden durch eine 0:2 Niederlage gegen Norwegen bereits in der Zwischenrunde aus.

Von den anderen Mannschaftsspielen wurde das Handballturnier erwartungsgemäß von den deutschen Gastgebern gewonnen. Wesentlich mehr - nämlich 22 Mannschaften - nahmen an dem erstmals ausgetragenen Basketballturnier teil, in dem die Lehrmeister aus den USA im Finale über Kanada siegten. Sieger des Hockeyturniers wurde die Mannschaft Indiens, die Deutschland im Endspiel 8:1 bezwang.

Fünfzehn Tage dauerte das Fechtturnier im Kuppelsaal des Hauses des Sports, in dem die Italiener die Überlegenheit ihrer Schule demonstrierten. Für die Radsportwettbewerbe war am Funkturm eine neue Holzbahn errichtet worden, die schnelle Rennen ermöglichte. Die Wettbewerbe der Schützen wurden in der Deutschen Versuchsanstalt für Handfeuerwaffen in Berlin-Wannsee ausgetragen.

Am Abend des 16. August leuchtete schließlich nur noch die Olympische Flamme im Stadion, und die Olympiaglocke rief die Jugend der Welt zu den nächsten Spielen für 1940 nach Tokio. So endeten die Propagandaspiele des NS-Regimes vor 110.000 ergriffenen Zuschauern, von denen wohl kaum jemand ahnte, dass der Überfall auf Polen und der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges nur drei Jahre später folgte. (FM)


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 30 / 26. Juli 2011, S. 29
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2011