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GESCHICHTE/243: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 83 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 26 / 29. Juni 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1971/III: Um die Mitverantwortung der Frauen im Sport
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 83)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Im März 1970 hatte die Frauen-Vollversammlung des DSB einen Quotierungsantrag für eine Satzungsänderung verabschiedet. Er hatte folgenden Wortlaut:

"Bei Mitgliedsorganisationen mit mehr als 50.000 Mitgliedern sollen die weiblichen Mitglieder durch mindestens eine Delegierte vertreten sein." In dieser Form war der Antrag bereits im DSB-Präsidium gescheitert. Doch der der DSB-Bundestag am 7. Mai 1970 in München beschloss dann eine Kompromissformel. Danach hieß es in Paragraph 7 der DSB-Satzung nunmehr: "Bei Mitgliedsorganisationen mit Frauensport sollen weibliche Mitglieder angemessen vertreten sein."

Im April 1971 befasste sich die Frauen-Vollversammlung in Berlin mit dem Thema "Die Frau in der Mitverantwortung." DSB-Präsident Wilhelm Kregel hielt dazu ein Grundsatzreferat:

"Das Thema 'Die Frau in der Mitverantwortung' ist von besonderer Bedeutung, denn schließlich gilt die deutsche Turn- und Sportbewegung zwar auch als größte Frauen-Organisation im Lande; wir wissen aber allesamt nur zu gut, dass es um die Mitwirkung der Frau im Sport und viel mehr noch um die Mitverantwortung der Frau in unseren Vereinen und Verbänden immer noch nicht so bestellt ist, wie wir es uns wünschen.

Frauen und Mädchen werden im Sport - im Gegensatz zu anderen gesellschaftlichen Organisationen - wohl in wachsenden Zahlen ausgewiesen, und der Trend ist günstig; aber dennoch befindet sich die Frau auch bei uns noch in der Minderheit. Weitaus mehr Frauen und Mädchen, als bisher von unseren Vereinen betreut werden, haben Interesse an persönlicher sportlicher Betätigung. Viele Umfragen weisen diesen Tatbestand eindeutig nach, nur dass die Vereine auf ihn bislang ungenügend eingegangen sind. Viele Frauen tragen eine doppelte Beanspruchung; darauf muss der Sport auch in seinen Programmen, Zeiten und Formen Rücksicht nehmen. Neue und die Öffentlichkeit sichtlich ansprechende Formen, wie Trimm Dich durch Sport, Volkswettbewerbe, Orientierungsläufe, Kurse für Anfängerinnen und Fortbildungsmaßnahmen für das Sportabzeichen finden gerade bei den Frauen und Mädchen ganz besondere Gegenliebe. Hier besteht ein großer Nachholbedarf. Der nächste Fortschritt im Sport wird nur so groß sein, wie der Zuwachs an Frauen und Mädchen! Dabei spielt der Einzug der Frau auch in Führungs- und Verwaltungsstellen dieser 10-Millionen-Bewegung eine große Rolle. Aber das lässt sich nicht mit einem einfachen Abzählreim für den Proporz zwischen Männern und Frauen machen, sondern nur schaffen, wenn wir alle gemeinsam mithelfen, die Frau gezielter als bisher auf diese neuen wichtigen Aufgaben vorzubereiten. Dazu gehört Geduld, viel Geduld auf beiden Seiten, Toleranz und Respekt.

Auch hier gilt das Wort vom Sport, der keine Männersache sein soll. Die Turn- und Sportbewegung hat versprochen, die Vereine für jedermann zu öffnen; jetzt müssen wir feststellen, dass es immer noch mehr als 30 Prozent unserer Vereine sind, die nur Männersportarten anbieten, bei denen die Frauen und Mädchen noch keinen Platz gefunden haben. Dies mag nur ein Hinweis darauf sein, wie weit der Weg noch ist, der vor uns liegt.

Wir wollen auch keine isolierten Alibi-Funktionen für Frauenwartinnen, sondern klar definierte und eindeutig delegierte Aufgaben (mit voller Verantwortung) für die Frauen. Sie sollen eben nicht irgendwo an der Peripherie tätig werden, sondern im Zentrum dieser Turn- und Sportbewegung. Das ist unser Ziel, ohne das es weder die angestrebte Demokratisierung des Sports noch den laut propagierten Sport für alle gibt.

Die Mitverantwortung der Frauen und Mädchen in unseren über 40.000 Vereinen und Verbänden kann also gar nicht ernst genug genommen werden. Im übrigen ist die hier aufgeworfene Frage nicht begrenzt auf den Sport, sondern eine Existenzfrage unserer Gesellschaftspolitik überhaupt. Die staatsbürgerliche Gleichheit wird der Frau wohl in ganzer Fülle rechtlich garantiert. Ungezählte soziale Voraussetzungen z. B. in Familie, Bildungswesen und Beruf fehlen aber noch, um dieses wesentliche demokratische Grundrecht verwirklichen zu können.

So kann die reale Macht gesellschaftlicher Vorurteile heute immer noch Verhältnisse schaffen und zementieren, die längst überwunden sein müssten. Vieles im sozialen Verhältnis der Frau, was als primär gegebener Zug ihres Wesens angesehen worden war, hat sich doch längst als geschichtlich, kulturell bedingtes Merkmal entpuppt. Und so, wie es die einheitlich vorgeschriebene soziale Rolle der Frau nicht mehr gibt, so hat doch auch die "männliche Welt" ihre alte Rolle längst ausgespielt.

Uns helfen Patentrezepte von Schnelldenkern ebensowenig weiter wie halbe Gedanken, die in den Dornen von Schlagzeilen hängen bleiben, sondern nur in langfristiger Konzeption entwickelte Vorstellungen für die Veränderung des etablierten Bildes von der (Abseits-)Stellung der Frau und dementsprechende Maßnahmen."


Endgültig mit Bundesadler und Nationalhymne bei Olympischen Spielen

Mit den Konsequenzen aus dem Scheitern der Gespräche mit der DDR über die Bildung weiterer gesamtdeutscher Olympiamannschaften befasste sich zu Jahresbeginn 1971 das Präsidium des NOK für Deutschland und erklärte dazu:

"Die Olympiakämpfer aus dem Gebiet der deutschen Bundesrepublik werden bei den 20. Olympischen Spielen in München und Kiel 1972 - entgegen bisheriger Gepflogenheit - mit einem roten Brustring und mit dem Bundesadler in der Form des Olympia-Emblems von 1928 im Ring auf dem weißen Trikot antreten. Überdies wird der Mannschaft beim Einmarsch die Bundesflagge vorangetragen; sie wird auch bei Siegerehrungen am Fahnenmast gehisst. Anstelle von Beethovens 'Neunter' (Hymne an die Freude) wird die Bundeshymne - das Deutschlandlied - gespielt werden.

Diese schon früher getroffene Entscheidung hat jetzt das Präsidium des Nationalen Olympischen Komitees auf seiner Sitzung Ende Januar 1971 endgültig bestätigt. Im Zusammenhang damit betonte das Präsidium des NOK, dass es eine weitere Verwendung des schwarz-rot-goldenen Symbols mit den Olympischen Ringen für ausgeschlossen halte, da die gesamtdeutsche Mannschaft, für die das Internationale Olympische Komitee dieses Symbol geschaffen hatte, nicht mehr bestehe. Damit ist die Rechtsgrundlage für seine Verwendung durch nur einen Partner nicht mehr gegeben."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 26 / 29. Juni 2010, S. 17
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Juli 2010