Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/242: Bedeutende Sportpersönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte - Teil 18 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 25 / 22. Juni 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Karl Ritter von Halt - sportliche Karriere in allen politischen Systemen
Bedeutende Sportpersönlichkeiten der Nachkriegsgeschichte (18)


Karl Ritter von Halt hat sich für den Sport in der Zeit des Dritten Reiches mit den national-sozialistischen Machthabern arrangiert und nach dem Ende des NS-Regimes bitter dafür gebüßt. Als letzter - ehrenamtlich tätiger - Reichssportführer kurz vor Kriegsende 1945 zum Volkssturm einberufen, wurde er von den sowjetischen Truppen gefangengenommen, im Internierungslager Buchenwald inhaftiert und von dort erst 1950 freigelassen, um anschließend nahtlos wieder eine führende Rolle im Olympischen Sport auf deutscher und internationaler Ebene zu spielen.

Karl Halt wurde als Sohn eines Schlossers am 2. Juni 1891 in München geboren, war bereits als Schüler in der Münchner Turngemeinde ein hervorragender Mehrkämpfer und gewann zwischen 1911 und 1921 u. a. fünfmal die Deutsche Meisterschaft im Zehnkampf. Bei den Olympischen Spielen 1912 in Stockholm war er Fahnenträger der deutschen Mannschaft und lernte dort den amerikanischen Mehrkämpfer und späteren IOG-Präsidenten Avery Brundage kennen und schätzen, mit dem ihn dann eine lebenslange Freundschaft verband. Als Freiwilliger nahm Karl Halt am Ersten Weltkrieg teil und wurde als Leutnant im Bayerischen Infanterie-Leibregiment für hervorragende Tapferkeit an der Front 1917 mit dem Max-Joseph-Orden und dem persönlichen Adel ausgezeichnet. Sein 1918 begonnenes Studium der Staatswissenschaften schloss er mit der Promotion als Nationalökonom ab und begann anschließend seine berufliche Karriere im Bankwesen in München, die ihn bis zum Direktor und Personalchef der Deutschen Bank führte.

1922 beschloss er in München seine aktive sportliche Laufbahn und begann eine steile Funktionärskarriere im Sport mit den wichtigsten Stationen Sportwart der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik (1925 bis 1931), Vorsitzender der Deutschen Sportbehörde für Leichtathletik (1931 bis 1933), Reichsfachamtsleiter Leichtathletik im Nationalsozialistischen Reichsbund für Leibesübungen (1933 bis 1945), Reichsfachamtsleiter Bob- und Schlittensport (1938 bis 1945), Vizepräsident des Handball-Weltverbandes (1931 bis 1938), OK-Präsident der Olympischen Winterspiele in Garmisch-Partenkirchen (1936 bis 1940) und Vorsitzender der Europakommission der IAAF (1942 bis 1945). Im Jahre 1929 als Mitglied in das IOC gewählt, gehörte er von 1937 bis 1945 dem IOC-Exekutivkomitee an. Am 18. September 1944 wurde von Halt nach dem Tod des 1943 verstorbenen bisherigen Reichssportführers Hans von Tschammer und Osten von Heinrich Himmler zum Reichssportführer ernannt und blieb es bis zur deutschen Kapitulation 1945.

Nach seiner Entlassung aus Buchenwald kehrte von Halt 1950 nach München zurück und wurde im Herbst als Nachfolger des Herzogs von Mecklenburg zum Präsidenten des 1949 wiedergegründeten Nationalen Olympischen Komitees gewählt. Er nahm seine Arbeit im IOC wieder auf und bemühte sich vor allem um eine Anerkennung des NOK und die Teilnahme an den Olympischen Spielen 1952, die bei der 45. IOC-Session im Mai 1951 in Wien auch erreicht wurde. Als NOK-Präsident, später als Ehrenpräsident, gehörte von Halt dem Präsidium des Deutschen Sportbundes von 1951 bis 1964 an und war im gleichen Zeitraum auch Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes. Im Mai 1959 war er Gastgeber der 55. IOC-Session in München, der ersten Konferenz des IOC in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg.

Im bundesdeutschen Sport verlor er jedoch zunehmend an Bedeutung, zumal er nie seine politischen Belastungen aus der Vergangenheit abstreifen konnte. Nicht nur im Ausland gab es zum Teil erhebliche Kritik daran, dass Halt im westlichen Nachkriegsdeutschland wieder eine olympische Führungsrolle übernehmen konnte, auch in der Bundesrepublik selbst mehrten sich die kritischen Stimmen.

Im Verhältnis zu Willi Daume, der 1956 in Melbourne als Mitglied ins IOC gewählt worden war, gab es vor allem in der gesamtdeutschen Sportproblematik wachsende unterschiedliche Auffassungen. Diese Zweigleisigkeit endete, als am 4. Februar 1961 in Wiesbaden Daume den fast 70jährigen Halt als Präsident des NOK für Deutschland ablöste.

Einen letzten Höhepunkt für Ritter von Halt brachte die von Willi Daume glanzvoll gestaltete 60. Session des IOC 1963 in Baden-Baden. Bereits von Krankheit gezeichnet nahm er im Februar 1964 noch an der IOC-Session im Rahmen der Olympischen Winterspiele 1964 in Innsbruck teil. Am 5. August 1964 starb Halt nach langer Krankheit in München.


*


Quelle:
DOSB-Presse Nr. 25 / 22. Juni 2010, S. 27
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Tel. 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juli 2010