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GESCHICHTE/217: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 73 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 16 / 20. April 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1969/IV: Vertrauenserklärung des NOK für OK-Generalsekretär Kunze
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 73)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Im Vorfeld der Olympischen Spiele 1972 in München stand bei der Hauptversammlung des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) am 21. Juni 1969 im Kölner Rathaus neben den turnusmäßigen Wahlen und Regularien eine Vertrauenserklärung von NOK-Willi Daume, zugleich Präsident des Organisationskomitees, für OK-Generalsekretär Herbert Kunze im Mittelpunkt der Tagung. Über die Versammlung berichteten die Sportverbandszeitschriften:

"Ein wenig Farbe in das sachliche Grau der Hauptversammlung des Nationalen Olympischen Komitees von Deutschland in Köln brachten die Olympiasieger von Grenoble und Mexiko-City, die als Gäste auf den Ehrenplätzen saßen. Willi Daume, der NOK-Präsident, überreichte den Athleten die Goldene Nadel des NOK und knüpfte daran die Feststellung, dass die "Einordnung der Olympiamedaillen in das nationale Image vollzogen sei". Zugleich händigte er dem Ruderer Nico Ott (Konstanz) eine Goldmedaille aus, die absoluten Seltenheitswert hat. Ott erhielt vom NOK die naturgetreue Nachbildung des Olympischen Goldes, weil er noch in Mexiko die dort erhaltene Medaille seinem Kameraden Roland Böse weitergegeben .hatte. Ott war zum Achter-Finale für den plötzlich erkrankten Böse eingesprungen und wollte für ein einziges Rennen nicht denselben Lohn einstreichen, den Böse für seine strapazenreiche Saison verdient hatte. (...)

Nach der Vollversammlung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland setzt sich das höchste Gremium des NOK folgendermaßen zusammen: Präsident Willi Daume, geschäftsführender Vizepräsident Dr. Danz, Vizepräsidenten Dr. Wülfing und Dr. Heine. Schatzmeister Dr. Jannsen, Beisitzer: Bernhard Baier (Hannover), Dr. Hermann Karg (München), Max Depke (Lübeck), Hans Kilian (Garmisch-Partenkirchen), Vertreter der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG): Jan Eilers (Oldenburg) und Dr. Peterssen. Mitglieder: Georg von Opel und Georg Wilhelm Prinz von Hannover. Hinzu kommen die Persönlichen Mitglieder außer den bereits im Vorstand genannten: Casimir, Griebel, Gisela Mauermayer, Professor Nöcker, Professor Reindell, Schlegel, Stock, Reinberg, Hansen und Neckermann.

Im Mittelpunkt der Vollversammlung stand (...) ein Referat von Willi Daume, in dem er die Bilanz der Olympischen Spiele von 1968 zog und einen Ausblick auf die Spiele 1972 in München gab. Es wurde zu einer Vertrauenserklärung für den Chef des Organisationskomitees, Herbert Kunze, der sich in jüngster Zeit Angriffen ausgesetzt gesehen hat. Der Beruf des Organisators Olympischer Spiele, so sagte Daume, sei nicht erlernbar und deshalb müsse man einige Fehler oder falsche Entscheidungen zumindest anfangs als unabwendbar akzeptieren.

Daume stellte sich mit folgender Erklärung (im Auszug) vor Generalsekretär Kunze und seine Mitarbeiter:

"Ein gewaltiges Stück Arbeit ist geleistet. Ein noch größeres steht vor uns. Jeder, der an der Organisation der Olympischen Spiele in München beteiligt ist, mußte und muß mehr als seine Pflicht tun. Die Auseinandersetzung der letzten Monate, deren Ursachen hier im einzelnen nicht dargetan werden müssen, hat dies häufig erschwert. Teils mißverständliche, teils nicht zutreffende Darstellungen in der Öffentlichkeit haben vor allem Generalsekretär Herbert Kunze betroffen. Der Generalsekretär des Organisationskomitees und seine Mitarbeiter haben mein Vertrauen! Ich bin überzeugt, daß alle ihre schwierigen Aufgaben gut lösen werden. (...) An erster Stelle muß jetzt die sachliche Arbeit stehen. Zu anderem ist auch keine Zeit. 1972 Olympische Spiele in München veranstalten zu dürfen, ist ein Vertrauensbeweis der ganzen Welt zu den Menschen in dieser Stadt und in diesem Staat. Er darf nicht enttäuscht werden."


Scharfe Reaktion des DSB auf BMI-Sportbeirat

Das Präsidium des Deutschen Sportbundes hat in seiner 72. Sitzung am 14. Juni 1969 in Peldafing zur Schaffung eines Beirates für Sportfragen beim Bundesminister des Innern folgende Stellungnahme abgegeben (in Auszügen):

"Dem Herrn Bundesminister des Innern sind die Bedenken des Deutschen Sportbundes gegen seine Absicht, beim Bundesinnenministerium einen eigenen Beirat für Sportfragen zu schaffen, seit langem bekannt. Sie sind grundsätzlicher Art: Der Deutsche Sportbund als freie Gemeinschaft der Turn- und Sportverbände, Vereine und Institutionen der Bundesrepublik Deutschland hat die gemeinschaftlichen Interessen der deutschen Turn- und Sportbewegung gegenüber Staat und Gemeinden und in der Öffentlichkeit zu vertreten.

Diese auf eigener freiwilliger Initiative beruhende Aufgabenstellung ist ein wichtiger Dienst am Volke, er verträgt nach unserer Gesellschaftsordnung jedoch keinen staatlichen Dirigismus. Aus diesem Grunde muß es der DSB als einen recht ungewöhnlichen Vorgang in unserem parlamentarischen Leben werten, wenn sich der Bundesminister des Innern (...) aus den deutschen Turn- und Sportverbänden und Vereinen Persönlichkeiten herausgreift und auf den 16. Juni 1969 zur konstituierenden Sitzung eines Beirates des Bundesinnenministeriums für Sportfragen nach Bonn einlädt.

In unserer demokratischen Ordnung wird dies als Eingriff in die inneren Angelegenheiten der deutschen Turn- und Sportbewegung gewertet (...).

Der DSB steht dem Herrn Bundesminister des Innern jederzeit mit seinem Präsidium beratend zur Verfügung, ohne daß davon in den letzten Jahren Gebrauch gemacht worden wäre (...). Dem DSB scheint im übrigen wichtiger als die Schaffung von Bei- oder anderen Räten die Notwendigkeit zu sein, daß - soweit eine behördliche Zuständigkeit in Betracht kommt - eine stärkere Koordinierung aller sportlichen Fragen in den Regierungsstellen von Bund und Ländern und vor allem mit den kommunalen Behörden erfolgt, um den Sport angesichts seiner tiefgreifenden Wirkung auf den Menschen angemessen in die Gesellschafts-, Bildungs-, Finanz- und Steuerpolitik einzuordnen oder die politischen Protokollfragen bei internationalen Sportveranstaltungen auf dem Gebiet der Bundesrepublik endlich verbindlich zu regeln.

Auf diese Weise würde eine zielgerichtete Aufwertung des Sports, seine weitere Verbreitung in allen Volksschichten, die notwendige Einordnung in die Bildung und Erziehung junger Menschen, eine ausreichende Förderung des Spitzensports und damit die ausgewogene Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 1972 erreicht werden können."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 16 / 20. April 2010, S. 14
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. April 2010