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GESCHICHTE/206: März 1990 - Noch neun Monate bis zur sportlichen Einheit - Teil 9 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 9 / 3. März 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

März 1990: Noch neun Monate bis zur sportlichen Einheit (9)
Mit dem Bobsportler Martin Kilian (Werningerode) wird erstmals ein DTSB-Präsident demokratisch gewählt

Von Friedrich Mevert


Am 18. März 1990 hatte es nicht nur die ersten - und gleichzeitig auch letzten - freien Wahlen zur Volkskammer, dem Parlament der DDR, gegeben, sondern vierzehn Tage zuvor, am 3./4. März, auch die ersten demokratischen Wahlen für eine neue Führung des Deutschen Turn- und Sportbundes (DTSB) beim außerordentlichen Turn- und Sporttag mit mehr als tausend Delegierten im Ostteil Berlins.

Aus den Volkskammerwahlen ging die Allianz für Deutschland, ein Bündnis von CDU, Deutscher Sozialer Union (DSU) und Demokratischem Aufbruch (DA), als klarer Sieger (48,0%) vor der SPD (21,9%) und der PDS (16,4%) hervor. Zwei Tage später einigte sich die Bundesregierung darauf, dass eine Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion mit der DDR bis zum Sommer 1990 erreicht werden solle.

Beim außerordentlichen DTSB-Tag in Berlin wurde der Präsident des Deutschen Bob- und Schlittensportverbandes der DDR, der Werningeroder Bürgermeister Martin Kilian, zum neuen - jetzt ehrenamtlichen - DTSB-Präsidenten gewählt. Der zweimalige DDR-Meister im Bobsport und seit 1983 auch Vizepräsident des Internationalen Bob- und Schlittensportverbandes (FIBT) war damit der neue Gesprächspartner von DSB-Präsident Hans Hansen für die künftigen Ost-West-Verhandlungsrunden. Zu DTSB-Vizepräsidenten wurden die spätere PDS-Bundestagsabgeordnete Dr. Margitta Gummel und der heutige Hauptgeschäftsführer des LSB Thüringen, Rolf Beilschmidt, gewählt. Generalsekretär blieb Jochen Grünwald, weitere Präsidiumsmitglieder wurden Prof. Dr. Hans-Georg Hermann, Gustav-Adolf "Täve" Schur, Prof. Dr. Heinz Frankiewicz, Ulf Timmermann, Ulrich Wehling, Dr. Detlef Eckert und Uda Ernst. Die Versammlung beschloss ein neues DTSB-Statut und eine "Leitlinie zur Erneuerung des DTSB".

Im Monat März setzten vor allem im DDR-Fußballsport starke Bemühungen ein, die parteihörigen Strukturen des Deutschen Fußball-Verbandes (DFV) zu demokratisieren und aus der früheren personellen Abhängigkeit vom Zentralkomitee (ZK) der SED zu lösen. Schon am 1. März wurde in der Sportschule Bad Blankenburg der Thüringer Fußballverband aus den Bezirksfachausschüssen Erfurt, Gera und Suhl gegründet.

Während einerseits die Altgenossen der Führungsclique um DFV-Präsident Günther Schneider und Generalsekretär Wolfgang Spitzner ("Die Einheit sehe ich in den nächsten fünf Jahren nicht....") darum bemüht waren, die alten Strukturen so lange wie möglich zu erhalten, baute die um Reformen bemühte Basis den 48jährigen Magdeburger Hans-Georg Moldenhauer, früherer Torhüter des 1. FC Magdeburg, als ihren Mann für die neue Verbandsführung auf.

Dabei konnte Moldenhauer auch auf die besondere Unterstützung des Präsidenten des Niedersächsischen Fußball-Verbandes und DFB-Vizepräsidenten Engelbert Nelle zählen, aus der später eine nun schon zwei Jahrzehnte alte enge persönliche Freundschaft erwuchs.

Am 31. März setzte sich dann beim DFV-Verbandstag in Strausberg bei Berlin mit Dr. Hans-Georg Moldenhauer mit 55 Prozent der Stimmen der Kandidat der Basis gegen die bisherige Führungsriege um Günther Schneider, die - so Michael Barsuhn vom Portsdamer Arbeitsbereich Zeitgeschichte des Sports in seinem Artikel "Befreiung von der Altlast" - aus Verärgerung und sich als "Opfer eines Dolchstoßes" fühlend nicht einmal mehr zum abendlichen Bankett erschien. Die Delegierten aber verabschiedeten im Verlauf ihrer Konferenz noch eine Reihe von Reformen, die alle auf dem Weg zur deutschen Fußball-Einheit dem Ziel der Rechtseinheit mit dem DFB der Bundesrepublik dienten. Diese wurde dann am 21. November 1990 durch den Beitritt des DFV als Nordostdeutschem Fußball-Verband zum Deutschen Fußball-Bund auch in der Praxis vollzogen.

Im Monat März 1990 gab es aber auch

vom 2. bis 4. März die Rückkehr der DDR-Tischtennis-Spieler nach jahrzehntelanger Unterbrechung auf die internationale Bühne durch die Teilnahme an den Europameisterschaften im schwedischen Göteborg;
am 4. März ein erstes Gespräch zwischen dem bundesdeutschen NOK-Präsidenten Willi Daume und dem designierten Präsidenten des NOK der DDR, Joachim Weiskopf, der im Juni dann in dieses Amt gewählt wurde;
am 7. März die Olympiaqualifikation der Handballer der (späteren) gesamtdeutschen Mannschaft in Barcelona 1992 durch einen 25:20 Erfolg der DDR-Auswahl bei der Handball-WM in der CSSR;
am 9. März die Entscheidung der Bundesregierung, die deutsch-deutschen Sportveranstaltungen des laufenden Jahres mit 7,8 Millionen D-Mark zu fördern;
am 12. März einen dreispaltigen Bericht in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" mit detaillierten Enthüllungen über das jahrelange systematische Doping im Schwimmsport der DDR;
am 14. März die letzten Gespräche des "Runden Tisches des Sports" der DDR, die mit der Verabschiedung einer Resolution an die Volkskammer der DDR endeten;
am 15. März die Aufhebung der Anordnung vom Dezember 1976 zur Verleihung des bisherigen DDR-Sportabzeichens "Bereit zur Arbeit und zur Verteidigung der Heimat";
am 21. März die erste Pressekonferenz des neuen DTSB-Präsidenten Martin Kilian in Berlin-Ost, mit der der Werningeroder Bobsportler die Erwartungen an die DDR-Führung für eine weitere umfassende Unterstützung des Sports aussprach;
und am 24. März eine erste gemeinsame Tagung der beiden deutschen Basketballverbände DBB und DBV in Berlin-West.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 9 / 3. März 2010, S. 22
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2010