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GESCHICHTE/203: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 66 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 8 / 23. Februar 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1968/II: Die Resolutionen des Stuttgarter DSB-Bundestages
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 66)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Nach ausführlichen Diskussionen in den drei Arbeitskreisen "Sport und Staat", "Führungsnachwuchs" und "Sport der Frauen und Mädchen" verabschiedete der 11. Bundestag des DSB am 23. Mai 1968 einstimmig die folgenden drei Resolutionen:

Sport und Staat

"Für das Verhältnis von Sport und Staat ist die jeweilige Gesellschaftsordnung von grundlegender Bedeutung. Ein freier Sport, wie ihn der Deutsche Sportbund repräsentiert, kann sich nur in einem freiheitlichen Gemeinwesen entfalten. Der deutsche Sport bekennt sich deshalb zur Staatsform der freiheitlichen Demokratie.

Staat und Sport sind sich über die gesellschaftspolitische Bedeutung des Sports einig. Beide haben das gemeinsame Ziel, daß die im Sport gegebenen Chancen von möglichst vielen Menschen genutzt werden können. Im Rahmen dieser gemeinschaftlichen Aufgabe stellt der Bundestag 1968 des DSB Verpflichtungen sowohl für den Sport wie auch für den Staat fest. Die deutsche Turn- und Sportbewegung bekennt sich zu ihrer Verpflichtung,

1. ein vielfältiges Angebot für Menschen aller Altersstufen, beider Geschlechter und unterschiedlicher körperlicher Leistungsfähigkeit im Sport zu schaffen;

2. alle sportlichen Begabungen zu entfalten und die Spitzensportler, die der Jugend Vorbild sind und vielen Menschen Anreiz zu eigener sportlicher Tätigkeit geben, gezielt zu fördern;

3. die organisatorischen Grundlagen und methodischen Grundsätze im Spiel- und Übungsbetrieb an die Erfordernisse der sich wandelnden Umwelt und an die Bedürfnisse der Bürger anzupassen;

4. für einen vielschichtigen Übungsbetrieb und eine wirkungsvolle Organisation und Verwaltung ehren-, neben- und hauptamtliche Leiter auszubilden und anzustellen;

5. auf allen Ebenen eine gesamtverantwortliche überfachliche sportliche Repräsentanz zu bilden, die eine vernünftige und wirkungsvolle Kooperation zwischen Sport und Staat ermöglicht. Der Sport erwartet vom Staat, daß er die rechtlichen und sachlichen Voraussetzungen für die Sportausübung verbessert. Bund, Länder und Gemeinden müssen den Sport angesichts seiner tiefgreifenden Wirkung auf den Menschen stärker als bisher fördern und ihm einen angemessenen Rang in ihrer Gesellschafts-, Bildungs-, Finanz- und Steuerpolitik einräumen.

Das gilt grundsätzlich

a) für die angemessene Einordnung des Sports und der Leibeserziehung in die Programme der Bildung und Erziehung, Lehre und Forschung an den Schulen und Hochschulen;

b) für den Bau von Sportstätten in gemeinschaftlicher Aufgabe von Bund, Ländern und Gemeinden sowie deren mietfreie Überlassung; die Richtlinien des Goldenen Planes bilden dafür eine brauchbare Leitlinie;

c) für die ausreichende Ausstattung des Leistungssports mit Trainern, Forschungs- und Leistungszentren sowie für die Förderung des Breitensports u. a. durch Ausbildung und Honorierung von Übungsleitern und die Hilfe bei der Unterhaltung vereinseigener Anlagen;

d) für den Aufbau einer sportgerechten Verwaltung, die in anstehenden organisatorischen oder finanziellen Fragen - gegebenenfalls durch Koordination - den Verbänden und Vereinen die gebotene Hilfestellung gibt.


Führungsnachwuchs

1. Für die Zukunft der deutschen Turn- und Sportbewegung ist die Lösung des Führungsproblems von entscheidender Bedeutung.

2. Bei der Erfüllung ihrer Aufgaben geht die Turn- und Sportbewegung nach wie vor vom Prinzip der ehrenamtlichen Führung aus. Zur Entwicklung sach- und -zeitgerechter Betriebsformen im DSB und in seinen Mitgliedsorganisationen ist zwingend geboten, in verstärktem Maße nebenamtliche und hauptberufliche Mitarbeiter in Übungsbetrieb, Organisation und Verwaltung einzusetzen.

3. Die ehren- und hauptamtlichen Führungskräfte des deutschen Sports sind auf die aktuellen Aufgaben des Sports vorzubereiten. Darüber hinaus müssen umgehend entschlossene Maßnahmen zur Heranbildung eines befähigten Führungsnachwuchses ergriffen werden.

4. Die Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte des deutschen Sports sollte in folgenden Sachgebieten erfolgen:

a) Grundsatzfragen: Stellung und Funktion des Sports in der modernen Gesellschaft, Organisation des Sports, Menschenführung, Sport und Politik, Sport und Kirche.

b) Spezialthemen: Verwaltungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Rechts- und Pressefragen, Werbung, internationale Kontakte, Jugendpflege, Frauensport, musische Bildung, Geselligkeit im Verein.

5. Der Bundestag 1968 des DSB fordert das Präsidium auf, ein Programm für die Heranbildung des Führungsnachwuchses sowie die Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte des deutschen Sports zu entwickeln.

6. Aufbau und Abwicklung der Kurse, Lehrgänge und Seminare sowie die Erarbeitung des notwendigen Lehr- und Informationsmaterials machen die Berufung von Bildungsreferenten in den Landessportbünden und Bundesfachverbänden erforderlich; die Einrichtung eines hauptamtlich besetzten Referats für Führungsfragen beim DSB ist zu prüfen.

7. Für die Entwicklung eines organischen, mit allen Verbänden abgestimmten Programms der Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte des deutschen Sports ist vom Präsidium des DSB ein Arbeitskreis zu berufen.

8. Die Führungsgremien der Verbände und Vereine sollen möglichst frühzeitig fähige Nachwuchskräfte ausfindig machen und sie - entsprechend ihren Begabungen und Erfahrungen - auf die Übernahme von Ämtern in der Turn- und Sportbewegung vorbereiten.


Sport der Frauen und Mädchen

Der DSB ist die größte Frauenorganisation in der Bundesrepublik Deutschland; dennoch sind Frauen und Mädchen immer noch eine Minderheit in dsr Turn- und Sportbewegung. Sie besitzen die gleichen Rechte wie männliche Mitglieder, aber sie haben noch nicht die gleichen Chancen. Das gilt sowohl für das sportliche Angebot wie für die Vertretung in der Führung. Der Bundestag 1968 des DSB beschließt deshalb, einen "großen Schritt im Frauensport" vorzubereiten.

Der "große Schritt im Frauensport" erfordert vordringlich folgende Maßnahmen:

1. Feststellung der Orte und Stadtteile ohne sportliches Angebot; Feststellung der Vereine, die nur männliche Teilnehmer betreuen. Fortführung der Erhebungen über die sportlichen Interessen der weiblichen Bevölkerung.

2. Starthilfen bei der Gründung von neuen Abteilungen (Mädchen, "Er + Sie", Frauen, Mutter und Kind, Familien). Dies gilt insbesondere für die Honorierung von Übungsleitern. Gerätebeschaffung und Werbemaßnahmen.

3. Vermehrte Ausbildung von Übungsleiterinnen; Weiterentwicklung und Verbreitung einer Methodik des "Sports für alle" in sämtlichen geeigneten Sportarten. Dabei sind gemischte und Familien-Gruppen, Sportabzeichenkurse, Feriensport, Fitness-Tests und Volkswettbewerbe besonders zu berücksichtigen.

4. Verstärkte Zusammenarbeit von Männern und Frauen an den gemeinsamen Aufgaben. Größere Beteiligung der Frauen an der Führung des Sports auf Vereins-, Landes- und Bundesebene, auch in den herkömmlich von Männern ausgeübten Ämtern. Gewinnung von Frauen aus dem öffentlichen Leben zur Mitarbeit im Gremium des DSB. Einrichtung von Referaten für Frauensport in den Geschäftsstellen der Mitgliedsverbände.

5. Aufklärung der Bevölkerung über den modernen Frauensport durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit in Verbindung mit Presse, Funk, Fernsehen, Ausstellungswesen und durch Zusammenwirken mit Frauen- und Familienorganisationen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 8 / 23. Febraur 2010, S. 17
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Februar 2010