Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/198: Deutsche Sportpolitik und Sportgeschichte vor 110 Jahren (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 5 / 2. Februar 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Deutsche Sportpolitik und Sportgeschichte vor 110 Jahren
Am 28. Januar 1900 wurde in Leipzig der Deutsche Fußball-Bund gegründet

Von Friedrich Mevert


Als im Sommer 2006 die Bundesrepublik Deutschland als Ausrichter der 18. Weltmeisterschaften der FIFA im Mittelpunkt der Fußballwelt stand, da dürfte wohl nur einem kleinen Prozentsatz der großen Anhängerschaft von "König Fußball" bewusst gewesen sein, dass dieser beliebte Mannschaftssport schon Jahrhunderte alt und bereits von Reliefs aus der vorchristlichen Zeit aus Europa, Vorderasien und China bekannt ist. Im 12. Jahrhundert in England erstmals urkundlich belegt und im Mittelalter auch in Italien gespielt, wurde das Fußballspiel in seiner modernen Form ab 1830 von den großen englischen Schulen wie Eton, Westminster und Harrow geprägt. Von der britischen Insel kam das Spiel auch nach Deutschland, wo 1874 Prof. Dr. Konrad Koch in Braunschweig einen Schülerfußballverein gründete und zwei Jahre später auch die ersten deutschen Fußballregeln entwarf.

Im Herbst 1874 war er mit dem Turnlehrer August Hermann nach Großbritannien gereist, um sich über den Sport an den britischen Universitäten zu informieren. Dort hatte er dann auch ein Fußballspiel zwischen den Teams von Oxford und Cambridge gesehen. Das regte ihn dazu an, diesen Mannschaftssport auch in Deutschland einzuführen.

Um 1880 entstanden die ersten Fußballvereine in verschiedenen deutschen Städten, jedoch erste Verbandsgründungen blieben in ihrem Einfluss begrenzt. Als am 28. Januar 1900 der Deutsche Fußball-Bund als sechster deutscher Sportverband von 86 Vereinen und drei Verbänden in Leipzig gegründet wurde, gab es bereits einen regen Spielbetrieb.

Der auf Einladung der Deutschen Sportbehörde für Athletik im Leipziger "Mariengarten" zusammengetretene "Erste Allgemeine Deutsche Fußballtag" war um 10.40 Uhr vom Vorsitzenden des Verbandes Leipziger Ballspielvereine, E. J. Kirmse, eröffnet worden und hatte nur einen Tagesordnungspunkt, nämlich die Frage, ob und wie eine Einigung sämtlicher Fußballvereine in Deutschland möglich sei. Dies wurde nach einer mehrstündigen Debatte mit großer Mehrheit bejaht und mit 86 zu 22 Stimmen die Gründung des Deutschen Fußball-Bundes beschlossen.

Der 2. Bundestag des DFB fand bereits am 2./3. Juni 1900 in Erfurt statt. Dabei standen drei Punkte im Mittelpunkt der Tagesordnung: die Beratung einer Satzung, die Einsetzung einer Kommission zur Beratung der Spielregeln und die Beschlussfassung über die Teilnahme an den Olympischen Spielen. Schon vier Monate später fand am 6./7. Oktober 1900 in Frankfurt/Main der 3. Bundestag statt, auf dem die einheitlichen Spielregeln angenommen und der Prager Professor Dr. Ferdinand Hueppe zum Ersten Vorsitzenden gewählt wurde.

1903 wurde auf dem Altonaer Exerzierplatz das erste Endspiel um die Deutsche Fußballmeisterschaft ausgetragen und vom VfB Leipzig mit 7:2 gegen den DFG Prag gewonnen. Das erste Länderspiel endete im April 1908 in Basel mit einer 3:5 Niederlage gegen die Schweiz. Vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 umfasste der DFB bereits 2.000 Vereine mit rund 200.000 Mitgliedern. Auch die Wirtschaftskrise der 30er Jahre hemmte die Entwicklung nur vorübergehend, hatte doch der DFB die Millionengrenze an Mitgliedern bereits erreicht. Die NS-Zeit machte auch vor dem Fußballspiel nicht halt: Aus dem Deutschen Fußball-Bund wurde das "Fachamt Fußball" im NSRL. Als Präsidenten des DFB wirkten von 1900 bis 1904 der Wissenschaftler Prof. Dr. Ferdinand Hueppe, von 1904 bis 1905 der Sprachlehrer Friedrich-Wilhelm Nolte, von 1905 bis 1925 Gottfried Hinze und von 1925 bis zum Zusammenbruch 1945 Felix Linnemann.

Nach Kriegsende begann schon Ende 1945 in Kreisen und Bezirken ein Meisterschaftsspielbetrieb in Kleinen. 1946 gab es bereits die ersten Landesverbände; 1948 wurde der "Deutsche Fußball-Ausschuss" mit Sitz in Stuttgart als Koordinierungsstelle geschaffen. Die Wiedergründung des DFB erfolgte am 10. Juli 1949 in Stuttgart-Bad Cannstatt und bereits ein Jahr später am 22. September 1950 die Wiederaufnahme in die FIFA. Beim ersten Nachkriegsländerspiel am 21. November 1950 in Stuttgart war wiederum die Schweiz der Spielgegner. Als erster DFB-Präsident der Nachkriegszeit von 1949 bis 1962 erwarb sich der Kölner Dr. Peco Bauwens besondere Verdienste um den Wiederaufbau des Sports. 1962 übergab er dieses Amt beim Dortmunder DFB-Bundestag an den Osnabrücker Rechtsanwalt Dr. Herrmann Gösmann, der den DFB 13 Jahre führte.

1975 übernahm in Hamburg der Saarländer Hermann Neuberger die Präsidentschaft, der sich bereits in der FIFA als Organisationsfachmann einen großen Namen erworben hatte, aber nach 17jähriger Amtszeit 1992 im Alter von erst 72 Jahren verstarb. Sein Nachfolger war von 1992 bis 2001 der heutige Ehrenpräsident Dr. Egidius Braun. Seit 2006 führt der promovierte Steuer- und Verfassungsrechtler Dr. Theo Zwanziger, der sich in besonderer Weise auch als Kämpfer gegen Rechtsextremismus, Diskriminierung und Fremdenfeindlichkeit verdient gemacht hat, den größten deutschen Sportverband.

Aus dem sportlichen Bereich ist aus dem Jahr 1900 aus deutscher Sicht noch folgendes Wesentliche zu berichten,

dass Kaiser Wilhelm II für die Förderung des Schwimmsports den "Kaiserpreis" stiftete. Dieser entwickelte sich in den folgenden Jahren zum bedeutendsten Wettbewerb auf dem europäischen Kontinent;
dass am 27. Mai in Berlin der Deutsche Automobil-Verband (DAV) gegründet wurde, der auf die weitere Entwicklung des Motorsports großen Einfluss nahm;
dass die deutsche Olympiamannschaft mit 74 Teilnehmern unter der Führung von Dr. Willibald Gebhardt mit nur vier Gold- und je einer Silber- und Bronzemedaille grollend von den 2. Olympischen Spielen aus Paris zurückkehrte, musste sie doch zusätzlich zu den sportlichen Niederlagen in der französischen Hauptstadt auch andere Demütigungen in ihrer Unterkunft an der Pariser Bastion hinnehmen;
und
dass die Deutsche Turnerschaft am Jahresende/bereits fast 650.000 Mitglieder zählte und damit die größte Organisation der Welt auf dem Gebiet der Leibesübungen war.

*


Quelle:
DOSB-Presse Nr. 5 / 2. Febraur 2010, S. 25
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Tel. 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Februar 2010