Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → FAKTEN

GESCHICHTE/178: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte Teil 56 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 46 / 10. November 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1966/I: Städtebund unterstützt DSB-Forderungen. Vier Deutsche im IOC
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 56)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Sehr eindringlich unterstützte der Deutsche Städtebund jene Forderungen, die der Deutsche Sportbund in seinem einige Monate zuvor überreichten "Memorandum zum Stand der schulischen Leibeserziehung" erhoben hatte. Das geht aus einem Brief hervor, den der Deutsche Städtebund zu Jahresbeginn 1966 der Ständigen Konferenz der Kultusminister zugeleitet hatte. In dem Schreiben heißt es einleitend: "Wir bekennen uns erneut zu dem Grundsatz, daß die Leibeserziehung untrennbarer Bestandteil der Gesamterziehung der Jugend ist. Der erzieherische Wert der Schulung und Bildung des Körpers ist zumindest nicht geringer einzuschätzen als der Wert der Erziehung im geistigen Bereich." Die Leibeserziehung könne nicht durch andere Bildungsmaßnahmen ersetzt werden.

Der Deutsche Städtebund weist darauf hin, dass der Leibeserziehung der Jugend in der Schule darüber hinaus eine große gesundheitspolitische Bedeutung zukomme. "Wenn die Bundesrepublik Deutschland Wert darauf legt, im internationalen Bereich als Sportnation wettbewerbsfähig zu bleiben, so muß erkannt werden, daß dies nicht allein durch spezielle Förderungsmaßnahmen für eine geringe Zahl von Aktiven möglich ist, sondern nur auf der Grundlage einer guten und wirkungsvollen Leibeserziehung unserer Jugend in den Schulen." Nach Ansicht des Deutschen Städtebundes ist die unbefriedigende Situation der schulischen Leibeserziehung vor allem dadurch gekennzeichnet, dass

a) der erzieherische Wert der Leibesübungen in der Öffentlichkeit vielfach noch immer nicht erkannt wird,

b) ein erheblicher Mangel an geeigneten Lehrkräften besteht und

c) teilweise noch immer die erforderlichen Übungsstätten fehlen.

Die vom Deutschen Sportbund erhobenen Forderungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten werden als geeignet und bei gutem Willen aller Beteiligten auch als realisierbar bezeichnet. Abschließend heißt es in dem Brief: "Die erheblichen finanziellen Aufwendungen von Ländern und Gemeinden für den Bau schulischer Übungsstätten sind nur dann zu rechtfertigen, wenn der schulischen Leibeserziehung im Rahmen der Gesamterziehung endlich wieder der Wert beigemessen wird, der ihr zukommt."


Vier deutsche Vertreter im IOC

Zum ersten Mal in der Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees gehören ihm vier Männer aus einem Land an. Bei der 65-IOC-Session im April 1966 in Rom, bei der auch München den Zuschlag für die Sommer-Spiele 1972 erhielt, wurden Georg von Opel, Prinz Georg Wilhelm von Hannover und Heinz Schöbel in gewählt. Zuvor war Deutschland nach dem Tode Ritter von Halts nur von Willi Daume vertreten. Die Presse stellte die neuen Mitglieder vor:

"Dr. Georg von Opel
Er gehört dem Jahrgang 1912 an und ist dem Sport seit Jahrzehnten verbunden. Dr. von Opel ist Vorsitzender der Deutschen Olympischen Gesellschaft, die sich mit großer Tatkraft um die Förderung des Breitensports bemüht und dem Übungsstättenbau in der Bundesrepublik große Impulse gegeben hat. Er ist darüber hinaus Präsident des Deutschen Schützenbundes. Siebenmal war er Deutscher Meister im Rudern (Einer, Vierer und Achter), er hat in seiner Jugend Radrennen bestritten, Ski gelaufen, Eishockey gespielt und geschwommen. Wenn ihm seine vielfachen beruflichen Bindungen - Dr. von Opel ist Aufsichtsrats-Vorsitzender der größten deutschen Gummiwerke und an weiteren Unternehmen beteiligt - Zeit lassen, hält er sich in seinem Privat-Zoo im Taunus auf.

Prinz Georg Wilhelm von Hannover
Er ist ein Bruder der Mutter des Königs Konstantin von Griechenland und erhielt seinen Sitz im IOC als Leiter der Olympischen Akademie. Prinz Georg Wilhelm wurde am 25. März 1915 in Braunschweig geboren, legte auf der Schule Schloß Salem, die er später leitete, das Abitur ab und promovierte 1948 zum Dr. jur. Bis 1944, als er auf Befehl Hitlers entlassen wurde, war er aktiver Offizier bei der Kavallerie, zuletzt als Major. Georg Wilhelm fand Freude am Hockeyspiel, am Skilaufen und am Schwimmen und gehörte 1940 zu den Anwärtern auf einen Platz in der Military-Olympiamannschaft. Von 1959 bis 1961 war er Leiter einer Reiterakademie in München.

Dr. h. c. Heinz Schöbel
Er wurde am 14. Oktober 1913 geboren und ist seit 1955 Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Ostdeutschland. Der Leipziger kommt aus der Arbeiter-Turn- und Sport-Bewegung und führt das Stammhaus eines weltbekannten Verlages für schöngeistige Literatur. Er ist seit langem Mitglied der SED und leitete früher die Sektion Fußball, den jetzigen Deutschen Fußballverband der Zone. Vor sechs Jahren wurde er zum Ehrendoktor der Deutschen Sporthochschule für Körperkultur (DHfK) Leipzig ernannt. Sein kürzlich erschienenes Buch 'Olympia und seine Spiele' wurde vom IOC gut aufgenommen, ist schon im Ausland erschienen und soll in weiteren Ländern noch aufgelegt werden. Heinz Schöbel trat, der offiziellen Sprachregelung in der Zone folgend, für die Trennung der gesamtdeutschen Olympiamannschaft ein. Von seiner Wahl in das IOC verspricht er sich eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den beiden deutschen NOK."


Internationaler Sportärztekongress forderte Doping-Kontrollen in Mexiko 1968

"Das vorolympische Mexiko warf seine Schatten über das zweite Doping-Symposium des Deutschen Sportärztebundes 1966 in Hamburg. Beim Internationalen Sportärztekongreß wurde ein Antrag an das IOC befürwortet, der die Dopingkontrolle bei den Olympischen Spielen 1968 zum Inhalt hat. Die Dringlichkeit dieser Maßnahme ist nicht zuletzt in der Kritik des belgischen Arztes Dr. Dirix zu suchen, der die bisherige Nichtbeachtung der 'tödlichen Kombination' - Doping und Höhenlage - in Mexiko bemängelte.

Der Deutsche Sportärztebund kann sich in dieser Beziehung von Vorwürfen freisprechen; denn in Hamburg wurde zum zweiten Mal in nie dagewesener wissenschaftlicher Abgeklärtheit über das Problem Doping diskutiert. Die Breite des Themas beleuchtet sich selbst in den verschiedenen wissenschaftlichen Sektoren, die in der Hansestadt von den Standpunkten des Sportarztes, Pharmakologen, Psychologen, Psychiaters und Neurologen vertreten wurden. Die Unerschöpflichkeit des Problems folgert allein aus der Tatsache, dass dieses Gebiet selbst für den Sportarzt nie völlig zu erschließen sein wird. Daraus ergibt sich auch der Mangel einer exakten Definition des Begriffes Doping.


Drogen als Hilfestellung

Nach einer Auslegung des Deutschen Sportärztebundes ist jedes Präparat, das eine Leistungssteigerung hervorruft, verboten. Dennoch tritt man nicht als Pharisäer auf, sondern ist zum Beispiel bereit, unruhigen Menschen mit abgewogenen Drogen eine Hilfestellung zu geben. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Sportler soll jedoch Bedingung sein. Die im Sport verwendeten Substanzen wurden vom Ärztebund in eine gegenwärtig verbindliche Dreiteilung gegliedert, die die Gruppen Doping-Gifte (Kokain, Morphin, synthetische Opiate), erlaubte Pharmaka (Koffein, Beruhigungsmittel, Schlafmittel, Vitamine und manche Hormonpräparate) und Kräftigungs- und Unterstützungsmittel (Zuckerpräparate, Nährpräparate, Phosphan und Kalkpräparate) umfaßt.

Während die erste (gefährliche) und dritte (ungefährliche) Kategorie diskussionslos erkannt werden, entzünden sich die Geister an der zweiten Gruppe. Hier kommen die Einwände in erster Linie von den Pharmakologen. Daß ihre Vorsicht nicht als übertrieben betrachtet werden darf, belegt der Tod eines dänischen Radsportlers bei den Olympischen Spielen im Rom, der lediglich ein harmloses B-Vitamin eingenommen hatte.


Dopingnachweis schwierig

Doping wird beim Deutschen Sportärztebund auch drastisch als 'Seuche' bezeichnet. Hier weist automatisch der Finger auf die Radsportler, von denen nach einer Untersuchung fast 50 Prozent aller Aktiven stimulierende Mittel zu sich nehmen. Die Droge erhöht die Leistung kaum und kann auf der anderen Seite das krasse Gegenteil bewirken. Die meisten Sportler greifen auch nicht zur Droge, um allein Steigerung zu erwarten, sondern der Beruhigung wegen. Die beste Voraussetzung aber ist und bleibt das Training!

Die Schwierigkeit des Problems zeigt sich auch in der Nachweisführung. Die technischen Mittel reichen vielfach nur so weit, daß erst lange nach dem Wettkampf ein Untersuchungsergebnis erzielt werden kann, dessen Wert beeinträchtigt ist.

Der Deutsche Sportärztebund will keine staatliche Kontrolle, wie sie in Belgien und Frankreich mit der Einführung von Strafgesetzen geschaffen wurde. Die Sportfachverbände sollen jedoch Satzungen einführen und als ständige Hüter über das Dopingunwesen wachen."


*


Quelle:
DOSB-Presse Nr. 46 / 10. November 2009, S. 33-35
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
Otto-Fleck-Schneise 12, 60528 Frankfurt/M.
Tel. 069/67 00-255
E-Mail: presse@dosb.de
Internet: www.dosb.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2009