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GESCHICHTE/162: Am 2. Oktober vor 50 Jahren - "Goldener Plan" zum Sportstättenbau (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 40 / 29. September 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Am 2. Oktober vor 50 Jahren
In Hannover wird der "Goldene Plan" der Deutschen Olympischen Gesellschaft für den Sportstättenbau verkündet

Von Friedrich Mevert


Bereits im Juli dieses Jahres hatte Dr. Johannes Eulering, der Vorsitzende des Beirats des Internationalen Arbeitskreises für den Sportstättenbau (IAKS), im "IAKS-Special" die Befürchtung geäußert, dass unter den zahlreichen politischen, kulturellen, sportlichen und sonstigen Jubiläen des Jahres 2009 ein Jubiläum ganz besonderer Art zu kurz kommen werde, nämlich der 50. Geburtstag des "Goldenen Plans für Gesundheit, Spiel und Erholung", der am 2. Oktober 1959 bei der 5. Bundestagung der Deutschen Olympischen Gesellschaft (DOG) in Hannover der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Auch die "DOSB PRESSE" möchte deshalb an die Verkündung dieses großen Plans erinnern, der für die weitere Entwicklung des Sports in der zehn Jahre vorher begründeten Bundesrepublik von ganz außergewöhnlicher Bedeutung war.

Professor Carl Diem hatte bereits 1953 einen "Zehn-Jahres-Plan" für den Turn- und Schwimmhallenbau im noch weitgehend zerstörten Nachkriegsdeutschland gefordert. Seine Verwirklichung sah die Errichtung von 10.000 Turnhallen und 700 Schwimmhallen in diesem Zeitraum vor. 112 Millionen DM waren zur Finanzierung pro Jahr erforderlich, die zur einen Hälfte von den Gemeinden und zur anderen aus einem gemeinsamen Fonds der Bundesländer aufgebracht werden sollten. Der Deutsche Städtetag hatte sich bereits grundsätzlich positiv zu diesem großen Vorhaben ausgesprochen, und die Ständige Konferenz der Kultusminister (KMK) forderte im gleichen Jahr in einem Beschluss sogar "keine Schule ohne ausreichende Sportstätte mit Umkleide- und Duschräumen!" In der Jugend Versäumtes könne später nur schwer wieder gutgemacht werden, hieß es in der entsprechenden KMK-Erklärung damals.

Auch Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer schrieb zwei Jahre später am 25. April 1955 an DSBPräsident Willi Daume nach einer vorangegangenen Besprechung mit dem DSB-Präsidium und dem Studium eines vom DSB dabei überreichten Memorandums, dass die Leibeserziehung der Jugend in der Bundesrepublik auch wegen der weitgehenden Zerstörung vieler Übungsstätten in Rückstand geraten sei. Die Leibeserziehung der Jugend dürfe aber - so der erste Bundeskanzler weiter - "nicht länger vernachlässigt werden. Sie muss im Interesse der heranwachsenden Generation als besonders kulturelle, soziale und staatsbürgerliche Aufgabe angesehen werden ....". Dr. Adenauer begrüßte deshalb "die vom Deutschen Sportbund ergriffene Initiative zur Intensivierung des Sportstättenbaus im Interesse einer ausreichenden Leibeserziehung der Jugend und zur Förderung der Volkserholung durch Sport."


Die Geburtsstunde des "Goldenen Plans" für den Sportstättenbau

Die eigentliche Geburtsstunde des "Goldenen Plans" aber schlug dann bei der 5. Bundestagung der DOG am 2. Oktober 1959 in Hannover. Bei der "Festlichen Kundgebung" in der Aula des traditionsreichen Ratsgymnasiums rief DOG-Präsident Dr. Georg von Opel in einem eindrucksvollen, ja beschwörenden Appell die Bundesregierung, die Bundesländer und die Gemeinden dazu auf, gemeinsam eine Regelung der Planung und Finanzierung von Erholungs-, Spiel- und Sportanlagen in Angriff zu nehmen. Mit den Worten "Ich würde das einen "Goldenen Plan" nennen! Nicht weil er einige Mittel verlangt, sondern weil doch wohl die Gesundheit eines der höchsten Güter des Menschen ist!" fand von Opel die treffende Formulierung, die auch in den verantwortlichen Kreisen der Politik viel Zustimmung und durchschlagenden Erfolg fand.

Wegen ihrer zukunftsweisenden Bedeutung sollen einige wesentliche Passagen aus dem Grundsatzreferat von DOG-Präsident Dr. Georg von Opel nachfolgend wiedergegeben werden:

"Wir haben" - und damit sprach Dr. von Opel 'seine' DOG an - "in engster Zusammenarbeit mit dem Deutschen Städtetag und dem Deutschen Sportbund soeben eine erste Gesamterhebung über den Fehlbestand an Erholungs-, Sport- und Spielanlagen in der Bundesrepublik abgeschlossen. Vorsichtig, wie Statistiker nicht immer zu sein pflegen, sind die Zahlen ermittelt. Wir haben es also mit einer Bedarfsanmeldung zu tun, die sich später voraussichtlich noch erhöhen wird. Auch das werden wir noch sorgfältig feststellen. Wer soll das bezahlen? Dass man in dieser Hinsicht noch keine umfassenden Überlegungen angestellt hat, mag zum Teil mit daran liegen, dass man bis heute wohl noch keine rechte Vorstellung davon hatte, welcher Bedarf auf diesem Gebiet - also zum Beispiel auch zur Einführung der täglichen Turnund Spielstunde in den Schulen - eigentlich vorliegt. Auch die viel diskutierte Denkschrift der Kommunalen Spitzenverbände mit ihren Vorschlägen zur Verbesserung der Finanzlage in den Gemeinden gibt darüber - im Gegensatz zu allen anderen, genau aufgeschlüsselten Aufgaben - keine Auskunft.

Diese Denkschrift, die ich sehr sorgfältig studiert habe, verweist lediglich auf eine kommende Untersuchung, wobei die Deutsche Olympische Gesellschaft zitiert wird. Nun, diese Untersuchung liegt jetzt vor, von Herrn Stadtbaurat Hillebrecht (Hannover) überzeugend vorgetragen. Lassen Sie mich nun den aufgeführten Fehlbestand einmal in harte D-Mark umsetzen, wobei die Kostenberechnung nach den in den letzten beiden Jahren gefundenen Mittelwerten für diese Anlagen erfolgt.

1. Da fehlen zunächst 9.500 Sportanlagen mittlerer Größe, insgesamt einschließlich der kleineren Schulsportanlagen rd. 117 Millionen Quadratmeter. Der Ausbau eines Quadratmeters erfordert heute 11,30 DM. Das sind rd. 1,32 Milliarden DM.

2. Allein für die achtklassigen Schulen benötigen wir noch 11.350 Turnhallen in den von den Kultusministern geforderten Größen, das heißt von 10 x 18 bis 18 x 30 Metern. Bei der errechneten Durchschnittsgröße von 330 Quadratmetern sind das insgesamt 3.745.000 Quadratmeter. Ein Quadratmeter Turnhallenfläche kostet heute etwa 561 DM. Das sind also für Turnhallen rd. 2,1 Milliarden DM.

3. Ordnen wir nur jeder vierten der 16.000 wenig gegliederten Landschulen - und wir sollten diese nicht unter "ferner liefen" führen - eine kleinere Halle zu, erhöht sich dieser Betrag um rd. 500 Millionen DM.

4. Die errechnete Durchschnittsgröße der fehlenden 2.200 Freibäder beträgt 800 Quadratmeter Wasserfläche, insgesamt mithin 1.750.000 Quadratmeter. Ein Quadratmeter erfordert heute rd. 400 DM. Das sind weitere 700 Millionen DM.

5. Die fehlenden Hallenbäder der verschiedensten Größen, unter denen wir uns allerdings nicht die sogenannten "Schwimmopern" für 12 Millionen DM vorstellen, sondern für die wir Kosten zwischen 800.000 und 2 Millionen DM ansetzen, erfordern rund 700 Millionen DM.

6. Die kleineren Lehrschwimmbecken sind in der von Herrn Hillebrecht genannten Statistik nicht - besser gesagt: noch nicht - enthalten. Doch können sie hier nicht unerwähnt bleiben, da die Herren Kultusminister diese für alle Schulen mit 13 und mehr Klassen fordern, in deren Nähe keine Schwimmhalle erwartet werden kann. Im Vergleich zu der Anzahl dieser Schulen - in Niedersachsen sind es 530, in Hessen 445 - bewege ich mich mit insgesamt 3.000 für das Bundesgebiet an der unteren Grenze. Ein Lehrschwimmbecken kostet heute 200.000 DM, das sind weitere 600 Millionen DM.

7. Bleiben zum Schluß dieser Zusammenfassung die erwähnten 30.000 Kinderspielplätze, deren Bedeutung Herr Hillebrecht ja so eindringlich herausgestellt hat und deren rascher Ausbau uns allen besonders am Herzen liegen sollte, so kommt als letztes noch ein Betrag von rd. 300 Millionen DM hinzu. Das sind - zusammengerechnet - rund 6,3 Milliarden DM! Auf den ersten Blick eine ungeheuerlich anmutende Zahl. Doch in ihr offenbart sich in Ziffern, die nicht mehr wegzudiskutieren sind, dass das System "Leib und Seele" - "und Seele"!, gegenüber den anderen Symptomen im großen Katalog unserer Bedürfnisse bisher eine unvergleichbare Nichtachtung gefunden hat.

In der schon erwähnten Denkschrift der Kommunalen Spitzenverbände sind die Katalogwerte - soweit sie sich auf Gemeindeaufgaben beziehen - aufgeführt. Lassen Sie uns einmal vergleichen:

1. Auf den Schulbau, und zwar für rund 66.000 fehlende Klassenräume, ohne Anlagen der Leibeserziehung, entfallen 5,4 Milliarden DM.

2. Kanalisation, Müllabfuhr, Feuerlöschwesen, Fuhrpark, Schlacht- und Viehhöfe melden sich mit 10,4 Milliarden DM.

3. Zuschüsse zum sozialen Wohnungsbau erfordern 2,5 Milliarden DM.

4. Versorgungs- und Verkehrsbetriebe benötigen 12,0 Milliarden DM.

5. Übrige Verwaltungszweige, wie Fürsorge- und Kulturbauten, Polizei, Wirtschaftsförderung usw., heischen 8 Milliarden DM, und

6. der kommunale Straßenbau - wie könnte es nach Herrn Hillebrechts Ausführungen auch anders sein - steht an der Spitze mit 25 Milliarden DM. Und das ist der Bedarf für die nächsten 10 Jahre! Hat aber die Erfüllung dieses Bedarfes nicht nur dann einen wirklichen Sinn, wenn sie einem gesunden Volksganzen zugute kommt?


Entscheidendes tun!

Niemand bestreitet die Notwendigkeit und Dringlichkeit dieser Ausgaben. Insbesondere werden sie gerade von mir wohl nicht erwarten, dass ich mich irgendwie gegen den Ausbau unserer Schulen oder gar unserer Straßen ausspreche. Wogegen wir uns aber zur Wehr setzen, und ab heute auch unablässig zur Wehr setzen werden, ist die Abdrängung unseres Anliegens auf die letzten Seiten des Bedarfskataloges! Kann man, so frage ich, noch eindringlicher die Gefahren schildern, wie dies Herr Hillebrecht soeben getan hat? Und - ist es nicht höchste Zeit, dass nun aber wirklich etwas Entscheidendes für Erholung, Sport und Spiel getan wird?. Das heißt, dass mehr Mittel dafür auf allen Ebenen der Zuständigkeiten zur Verfügung gestellt werden? Erlauben Sie mir bitte dazu einmal den Herrn Bundeswirtschaftsminister zu zitieren. Er schreibt zum 10. Jahrestag der Währungsreform:

"Die moderne Technik wird den Menschen in zunehmendem Maße aus der bloßen Verrichtung zu einer kontrollierenden Beherrschung der Apparaturen führen. Dies wiederum kann nicht ohne Wirkung auf die psychische und physische Substanz unseres Volkes bleiben. Es sollte uns gelingen, zwischen allen Bereichen unseres Seins eine glückliche Synthese zu finden. Die Bundesrepublik wird darum in der Folgezeit erheblich mehr Mittel für Erziehung, Bildung, Kultur und Geistesleben bereitzustellen haben." Sie sehen, Herr Erhard hat mir eigentlich mein Thema schon vorweggenommen!"


1960 folgte ein "Memorandum zum Goldenen Plan"

Bereits ein Jahr später konnte die DOG 1960 in einem "Memorandum zum Goldenen Plan für Gesundheit, Spiel und Erholung" detaillierte Angaben über den damaligen Gesundheitszustand der Bevölkerung und über den Fehlbestand an Sportstätten machen und die Maßnahmen darlegen, die zur Beseitigung dieses Fehlbestandes erforderlich waren - einschließlich der Finanzierung mit einem Gesamtvolumen von über sechs Milliarden DM.

1967 folgte das "Zweite Memorandum" sowohl als Rechenschaftsbericht über die erfolgreiche erste Hälfte der Laufzeit des "Goldenen Plans" als auch mit Vorschlägen für die zweite Hälfte des Zeitraums. 1984 beschloss dann der Hauptausschuss des Deutschen Sportbundes - der DSB hatte zwischenzeitlich 1979 die Verantwortung für den Plan von der DOG übernommen - das "Dritte Memorandum zum Goldenen Plan" mit aktualisierten Entwicklungszielen und Bedarfsanforderungen.

Anschließend lag fast zwanzig Jahre lang nach der deutschen Wiedervereinigung der Schwerpunkt der sportpolitischen Bemühungen im Sportstättenbau auf dem "Goldenen Plan Ost" zur Sanierung vorhandener und Errichtung neuer Sportstätten in den Städten und Gemeinden der ehemaligen DDR. Der "Goldene Plan Ost" war vom DSB-Bundestag am 27./28. November 1992 in Berlin beraten und beschlossen worden und sah Investitionen in Höhe von 25 Milliarden DM über einen Zeitraum von 15 Jahren zur Sanierung der vorhandenen und für den Neubau fehlender Anlagen in den neuen Bundesländern vor. Im Zusammenhang mit der Finanzierung des "Aufschwungs Ost" machte der DSB immer wieder auf die vielfältige Bedeutung des Sports aufmerksam.

"Jetzt muss das Hin- und Herschieben der Finanzierungsfragen beendet werden. Wir brauchen eindeutige Prioritäten - und die Zusage des Bundes, die Sportstättenfrage nicht auf die lange Bank zu schieben. 1993 muss gehandelt werden! Jede weitere Verzögerung verschärft die Probleme und erhöht die Kosten", mahnte DSB-Präsident Hans Hansen die Politiker im Bund und in den Ländern und Gemeinden.

So wie der bereits einige Wochen später im November 1959 vom DSB bei einem außerordentlichen Bundestag in Duisburg verkündete "Zweite Weg des deutschen Sports" war auch der "Goldene Plan" ein weitsichtiger Beschluss der DOG, der eine großartige Entwicklung für den Sport mit der Schaffung von rund 50.000 Sportstätten mit Investitionen von 18 Milliarden DM in den folgenden 15 Jahren in der damals gerade zehn Jahre alten Bundesrepublik Deutschland in Gang setzte und damit erst die Voraussetzungen für die heutige Bedeutung des Breiten- und Freizeitsports für die deutsche Bevölkerung schuf. Deshalb sollte - neben DOG-Präsident Dr. Georg von Opel - auch der Mann nicht vergessen werden, der durch seine Kompetenz und Strategie, sein Verhandlungsgeschick, seine Überzeugungskraft und seinen unermüdlichen Einsatz für dieses großartige Werk als "Vater des Goldenen Plans" national und international in die Sportgeschichte einging: die Rede ist von Gerd Abelbeck, dem langjährigen Hauptgeschäftsführer der DOG, der am 5. Januar 1997 im hohen Alter von 84 Jahren entschlief und dieses Jubiläum "seines" Plans nicht mehr miterleben konnte.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 40 / 29. September 2009, S. 21-24
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Oktober 2009