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GESCHICHTE/153: Deutsche Sportpolitik vor 10 Jahren (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 34 / 18. August 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Deutsche Sportpolitik vor 10 Jahren
1999 startete der DSB eine sportpolitische Offensive für den Goldenen Plan Ost

Von Friedrich Mevert


"Die in der Koalitionsvereinbarung der Regierung getroffene Formulierung zum Goldenen Plan Ost muss endlich umgesetzt werden", forderte DSB-Präsident Manfred von Richthofen bei zahlreichen sportpolitischen Gesprächen zu Beginn des Jahres 1999, so u. a. mit den Fraktionsvorsitzenden der im Bundestag vertretenen Parteien in Bonn, mit der Vorsitzenden der Sportministerkonferenz der Länder, Angelika Peter (Brandenburg), in Berlin und bei einer Rundreise mit Stationen in allen neuen Bundesländern. Massiver Protest formulierte sich im Sport aber auch gegen die von der Bundesregierung beabsichtigten Neuregelungen bei den 630-Mark-Beschäftigungsverhältnissen und den Regelungen zur Scheinselbständigkeit. Schwerpunktthema im Gespräch des DSB-Präsidiums mit Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer war der Gesundheitssport. Die Ministerin lobte zwar die Bedeutung der qualifizierten Sportangebote der Vereine im Präventivbereich, konnte aber eine Aufnahme des Präventivsports in den Paragraphen 20 des Sozialgesetzbuches nicht zusichern.

Auch bei der 62. Sitzung des DSB-Präsidiums am 30. April in Magdeburg mit Vizepräsident Dr. Hans-Georg Moldenhauer als Gastgeber dominierten die sportpolitischen Themen, u. a. die Wahlprüfsteine für die Wahl des Europäischen Parlaments 1999. Diese Wahlprüfsteine richteten sich an die im Europaparlament vertretenen deutschen Parteien und deren Abgeordnete oder Kandidaten, aber auch an die DSB-Mitgliedsorganisationen als sportpolitische Orientierungshilfen für deren eigene Europa-Aktivitäten. Die acht Fragen betrafen - von der Rolle des Sports bei der zukünftigen Entwicklung Europas bis zur Stärkung der Bereitschaft Jugendlicher zu ehrenamtlichem Engagement - wesentliche Bereiche, die schon in früheren Resolutionen und Verhandlungen des DSB eine wichtige Rolle gespielt hatten.

Wenige Tage zuvor hatten die nichtstaatlichen Sportdachverbände Europas anlässlich ihrer ENGSO-Generalversammlung vom 22. bis 25. April 1999 auf Malta kritisch zur Vorlage der Europäischen Union "Das Europäische Sportmodell" Stellung genommen und beschlossen, ihre Zusammenarbeit weiter zu verstärken. Alle Parteien antworteten eingehend und umfangreich auf die Wahlprüfsteine und sicherten dem DSB eine verlässliche Partnerschaft gegenüber dem Sport für die kommende Legislaturperiode zu.

Malta war im Herbst vom 29. September bis 1. Oktober 1999 nach der ENGSO-Tagung dann auch Gastgeber für die 14. Europäische Sportkonferenz (ESK). Vertreter von 38 Ländern unseres Kontinents diskutierten unter dem Generalthema "Sport - business as usual?" zahlreiche Referate, die sich mit den einschneidenden Entwicklungen befassten, die den europäischen Sport im 21. Jahrhundert prägen werden. Einen Höhepunkt für die deutsche Delegation stellte die Vorkonferenz der "European Women and Sports"-Gruppe (EWS) am 29. September dar, wo Dr. Christa Thiel, Vorsitzende des DSB-Bundesausschusses Frauen im Sport mit breiter Zustimmung der Vorsitz der EWS-Gruppe für die Amtszeit 2000 - 2002 übertragen wurde. Dies schloss den Auftrag zur Ausrichtung der 5. Europäischen Frauensportkonferenz 2002 in Berlin mit ein.


Kritik an Nichtberücksichtigung der Sportorganisationen

Am 28. Mai hatte das DSB-Präsidium Anlass, im Zusammenhang mit dem vorliegenden Referentenentwurf zur Neufassung des Paragraphen 20 im Sozialgesetzbuch V (Gesundheitsförderung und Prävention) in einer Erklärung von der Bundesgesundheitsministerin nachdrücklich eine Änderung des Gesetzentwurfes "mit deutlicher Berücksichtigung der Sportorganisationen" zu fordern. Mit einem Positionspapier zur Gesundheitsförderung durch Sport hatte das DSB-Präsidium zuvor in seiner Sitzung am 26. Februar in Bonn Forderungen zur gesetzlichen Neuregelung der Förderungsmöglichkeiten erhoben.

In dem Positionspapier hieß es u. a.: "Der gesundheitliche Wert von Sport und Bewegung im Rahmen der Gesundheitsförderung und Prävention ist umfassend belegt. Der gemeinnützig organisierte Sport in Deutschland, vertreten durch die im Deutschen Sportbund vereinten Sportverbände und -vereine, hat ein anerkanntes Netzwerk an sportlicher Prävention aufgebaut. Diese Angebote sind gefährdet, seit unter Bundesgesundheitsminister Seehofer wesentliche Inhalte des § 20 im Sozialgesetzbuch I (SGB V) gestrichen wurden. Der Deutsche Sportbund fordert von der neuen Regierung, dass die im Beitragsentlastungsgesetz bzw. die im 'Zweiten Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung' vorgenommene Reduzierung der Fördermöglichkeiten von präventiven Sportangeboten rückgängig gemacht wird." Dann folgten die begründeten Einzelforderungen.

Das Ehrenamt stand im Mittelpunkt der 5. Konferenz Breitensport des DSB im Jahr 1999 in Bad Honnef. Dass gerade das Ehrenamt im Deutschen Sportbund so nötig gebraucht wird wie niemals zuvor, machte der für den Breitensport damals verantwortliche DSB-Vizepräsident Prof. Dr. Peter Kapustin deutlich: "1952 sind gerade mal 6,7 Prozent der Bevölkerung in 22.075 Turn- und Sportvereinen registriert worden, und rund 30.000 Menschen haben die Prüfungen zum Deutschen Sportabzeichen bestanden. Heute sind es 32,5 Prozent in 86.000 Vereinen, und die Zahl der erfolgreichen Sportabzeichenabsolventen ist auf 800.000 gestiegen."

Statistisch gesehen - so Kapustin weiter - kämen täglich zwei bis drei neue Vereine hinzu, und um diese gewaltige Organisation am Leben und am Laufen zu erhalten, seien derzeit rund 2,6 Millionen Bürgerinnen und Bürger in ihrer Freizeit im Einsatz. Angesichts dieser riesigen Dimensionen wundere es nicht, dass der Deutsche Sportbund das "Pflänzlein Ehrenamt" hege und pflege und auf politischer Ebene möglichst gute Rahmenbedingungen für die Arbeit in den Vereinen und Verbänden sichern wolle.


Unterstützung durch die Bundeswehr

Die hervorragende Rolle der Bundeswehr als einem der wichtigsten Förderer des Spitzensports stellte DSB-Vizepräsident Ulrich Feldhoff bei einem Gespräch des DSB-Präsidiums mit Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping in Bonn heraus. Durch die "Institution" Bundeswehr würden den Athletinnen und Athleten der Spitzenverbände optimale Rahmenbedingungen für ihre leistungssportliche und berufliche Laufbahn garantiert. Seit dem 1. Januar 1999 wurden 704 Stellen für Spitzensportlerinnen und -sportler in 25 Sportfördergruppen durch das Bundesverteidigungsministerium zur Verfügung gestellt, die der DSB auf olympische Sommersportarten, olympische Wintersportarten und den nichtolympischen Bereich aufteilte. "Die Bundeswehr wird auch zukünftig unsere internationale Konkurrenzfähigkeit entscheidend mit sichern helfen", betonte der für den Leistungssport zuständige DSB-Vizepräsident dann auch mit Dank und Anerkennung.

Als eine weitere "unverzichtbare Säule der Spitzensportförderung" würdigte DSB-Präsident Manfred von Richthofen beim Festakt "25 Jahre Trainerakademie" am 28. September in Köln die bisherige Entwicklung dieser Ausbildungsstätte und machte dabei auch einige Grundsatzbemerkungen zur Situation des Spitzensports im Allgemeinen und zur Rolle der Trainer im Besonderen. Auch Henrik Lotz, der Vorsitzende des Vereins Trainerakademie Köln e.V., erinnerte bei dem Festakt unter anderem an die Gründung im Jahre 1974: "Ich kenne keinen Athleten, dem der Sprung in die nationale oder internationale Spitze geglückt ist ohne die Betreuung bzw. qualifizierte Arbeit eines Trainers. Wenn also unsere Gesellschaft auch in Zukunft Spitzenleistungen von deutschen Athleten erwartet, bzw. wenn das derzeitige Niveau im Spitzensport und die Erfolge im internationalen Vergleich Bestand haben sollen, so brauchen wir gut ausgebildete Trainerinnen und Trainer. Diese benötigen auf der Grundlage ethischer Prinzipien neben einer hohen trainingsmethodischen Fachkompetenz zunehmend Qualifikationen für ein wettkampfunterstützendes Coaching und soziale Handlungskompetenz."

"Von der Mädelwartin zur Sportfunktionärin" lautete das Thema der Vollversammlung des Bundesausschusses Frauen im Sport vom 1. bis 3. Oktober in Wiesbaden. Es sollte bewusst machen, welche Entwicklungen und Perspektiven sich für Frauen in den ehrenamtlichen Gremien des Sports im Lauf der Jahrzehnte ergaben. Die Fortschreibung der Rahmenrichtlinien zur Bekämpfung des Dopings und damit verbunden eine Verschärfung des Strafkatalogs bei Manipulationen waren die wichtigsten Beschlüsse bei der Hauptausschuss-Sitzung des DSB am 27. November in Frankfurt, bei der zehn Jahre nach dem Fall der Mauer DSB-Präsident Manfred von Richthofen auch ausdrücklich die Aufbauleistung des Sports in Ostdeutschland würdigte.


Doping-Problematik vor dem Hauptausschuss

"In der Sportbewegung in Deutschland ist wirklich weitgehend zusammengewachsen, was zusammen gehört", sagte von Richthofen vor den rund 160 Gästen und Delegierten aus 74 Mitgliedsorganisationen, Diesen positiven Eindruck - so von Richthofen weiter - könnten auch aktuelle Diskussionen nicht trüben, die, wie zum Beispiel in der Doping-Problematik, immer mal wieder tiefe Gräben zwischen West und Ost diagnostizierten. So sagte von Richthofen unter großem Beifall: "Im deutschen Sport gibt es kein Ost-West-Gefälle in der Bewertung von Doping-Vergehen, und es darf auch keine Beckmesserei in der Beurteilung von Gut und Böse geben".

Der DSB-Präsident stellte vor dem Hauptausschuss weiter fest, dass die gemeinsame Anti-Doping-Kommission von DSB und NOK mit jedem neuen Doping-Fall, so enttäuschend und besorgniserregend er auch sein möge, in ihrer Arbeit bestätigt werde, denn es werde der Beweis angetreten, "dass unser Doping-System greift". Von Richthofen behandelte in seinem Bericht alle aktuellen Themen von der schwierigen Finanzsituation des Hochleistungssports über die Probleme mit dem Schulsport, der Gesundheitspolitik, dem 630-Mark-Gesetz und der Sportstättenentwicklung in den neuen Bundesländern und Fragen zu Europa bis hin zum Breitensport, dem Ehrenamt und den Sportvereinen, mit denen die Gesellschaft ein unersetzliches Netzwerk der sozial-, kultur- und gesundheitspolitischen Selbsthilfe besitze. Der Präsident der größten Bürgervereinigung unseres Landes appellierte dabei auch an die Politiker, immer offen und ehrlich mit dem Sport umzugehen.


Das NOK feierte den 50. Geburtstag

Mit Bundespräsident Roman Herzog, Bundeskanzler a. D. Helmut Kohl und IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch an der Spitze feierte - mit sechswöchiger Verspätung - das Nationale Olympische Komitee für Deutschland (NOK) seinen 50. Nachkriegs-Geburtstag im Rahmen einer Mitgliederversammlung und eines Festaktes am 6. November im Gästehaus der Bundesregierung auf dem Petersberg bei Bonn.

In einer Festschrift "Deutschland in der Olympischen Bewegung - Eine Zwischenbilanz" hatten unter der Konzeption und Redaktion des Kölner Sporthistorikers Prof. Dr. Manfred Lämmer zwölf Autoren ein Mosaik deutscher Sportgeschichte zusammengestellt, in dem sich - so NOK-Präsident Prof. Walther Tröger - das NOK "den Höhen und Tiefen, den Gemeinsamkeiten, den Kompromissen und Unversöhnlichkeiten, den Erfolgen und Leistungen, den Zwiespälten und Torheiten, den Fortschritten und Entartungen" der mehr als hundertjährigen Geschichte der Olympischen Bewegung in fünf unterschiedlichen politischen Strukturen in Deutschland stellte. Im Mittelpunkt der Feier standen - neben den Festansprachen - die Auszeichnungen von Dr. Helmut Kohl, Rosi Mittermaier-Neureuther, Michael Krause und Prof. Dr. Wolfgang Maennig mit dem Olympischen Orden durch IOC-Präsident Samaranch.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 34 / 18. August 2009, S. 26
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2009