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GESCHICHTE/145: 16.-17. Juli 1949 - deutsch-alliierte Sportkonferenz (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 29 / 14. Juli 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Am 16./17. Juli 1949 im Taunusstädtchen Bad Schwalbach
Deutsch-alliierte Sportkonferenz legte die Strukturen für den deutschen Sport fest

Von Friedrich Mevert


Als die Vertreter der zwischenzeitlich gebildeten Landessportbünde/Landessportverbände und die der Ausschüsse der - formell noch nicht gegründeten - Fachverbände bereits am 23./24. Oktober 1948 in Bad Homburg die Bildung einer vorläufigen Dachorganisation für den (west-)deutschen Sport unter der Bezeichnung Arbeitsgemeinschaft Deutscher Sport (ADS) beschlossen hatten, war es bei der Wahl des ADS-Präsidenten zu einer Überraschung gekommen. Obwohl es ein klares Stimmenverhältnis von 23:16 zugunsten der Fachverbände gab, wurde nicht deren Kandidat - der Fußballvertreter und NRW-LSB-Präsident Dr. Peco Bauwens -, sondern mit 20:19 Stimmen mit dem Darmstädter Heinz Lindner (Hessen) überraschend ein Repräsentant der Landessportbünde zum ADS-Präsidenten gewählt.

Nach diesem Eklat aus der Sicht von Bauwens konnte der Bruch der Konferenz nur durch die geschickte Verhandlungsführung und Vermittlung von Prälat Ludwig Wolker von der Katholischen Deutschen Jugendkraft (DJK) verhindert werden. Willi Daume (Handball) als Sprecher der Fachausschüsse und Robert Henle (Ski) wurden zu Stellvertretern Lindners gewählt. Zwar hatte der deutsche Sport nun eine provisorische Dachorganisation, doch war es bis zur Gründung eines umfassenden Dachverbandes Ende 1950 noch ein weiter schwieriger Weg über mehr als zwei Jahre mit zahlreichen Konferenzen, Kontroversen, persönlichen Streitereien, Schlichtungsbemühungen und nicht zuletzt auch hemmenden Auflagen der Besatzungsmächte.

Das künftige Ringen um die neuen Strukturen des deutschen Sports wurde natürlich durch dieses Homburger Wahlergebnis über lange Zeit erheblich belastet. Spannungen entstanden aber insbesondere auch dadurch, dass einerseits Persönlichkeiten Ansprüche auf eine führende Mitwirkung einforderten, die bereits vor und während des NS-Regimes im "Dritten Reich" die olympische Bewegung und die Sportorganisation in Deutschland mitgetragen hatten, denen andererseits politisch unbelastete Sportführer mit ihren Vorstellungen gegenüberstanden, die in der NS-Zeit aus ihren Ämtern verdrängt, politisch verfolgt worden oder zum Teil ins Ausland emigriert waren. Dies führte natürlich neben den unzureichenden organisatorischen Rahmenbedingungen und den unterschiedlichen Vorbehalten der alliierten Kontrolloffizieren der drei Besatzungsmächte immer wieder zu Verzögerungen.

Die ADS und die Landessportbünde arbeiteten dessen ungeachtet weiterhin unbeirrt an ihrem Ziel der Gründung einer umfassenden Dachorganisation. Nachdem mit der Verkündung des Grundgesetzes im Mai 1949 die Konstituierung der Bundesrepublik Deutschland die ersten Formen angenommen hatte, und nachdem nun auch die Landessportbünde der französischen Besatzungszone zu den ADS-Mitgliedern zählten, galt es für die deutschen Sportfunktionäre, durch konstruktive Arbeit und konkrete Zielvorstellungen die Sportoffiziere der drei westlichen Besatzungsmächte von der Bedeutung einer einheitlichen Dachorganisation für alle Sportverbände zu überzeugen. Das Präsidium der ADS, erweitert um Vertreter aus dem Fußball- und Turnerlager, lud daher die Sportverantwortlichen Offiziere der Besatzungsmächte zu einer Deutsch-Alliierten Sportkonferenz für den 16./17. Juli 1949 nach Bad Schwalbach (Taunus) ein, um eine endgültige Zustimmung der - noch - machthabenden Alliierten zu den deutschen Vorstellungen zu erreichen.


"Schwalbacher Erklärung" zu den künftigen Strukturen

In Bad Schwalbach standen neben sportpädagogischen und sportethischen Themen vor allem personelle und organisatorische Fragen im Vordergrund, über die - auch mit den alliierten Vertretern - Übereinstimmung erzielt wurde. Als Kompromisslösung erkannten sich die Landessportbünde und Fachverbände dann auch als gleichberechtigte Partner in der neuen Dachorganisation an.

In einer "Schwalbacher Erklärung" wurden die Ergebnisse der Konferenz in folgenden sechs Punkten zusammengefasst:

"Die anwesenden Vertreter des deutschen Sports bekennen sich einstimmig zu folgenden Erklärungen:

1. Sie begrüßen die Zusammenarbeit der amerikanischen, britischen und französischen Militärregierung in Fragen des deutschen Sportes. Sie schlagen eine deutsche Arbeitsgemeinschaft vor, der die Vertreter der Militärregierungen beratend zur Seite stehen bei der Verwirklichung der nachstehenden Pläne.

2. Die Organisation des deutschen Sportes soll ausgehen von den Vereinen als den Trägern der Rechte und Pflichten.

3. Die Vereine sollen in jedem Land einen Landessportbund und je einen Fachverband für jede Sportart bilden, der Mitglied des Landessportbundes ist.

4. Die Vereine sollen in jedem Land das Recht haben, unmittelbar durch ihre bevollmächtigten Vertreter diejenigen Personen zu wählen, welche nach der von ihnen beschlossenen Satzung

a) den Vorstand ihres Landessportbundes,

b) den Vorstand ihrer Fachverbände bilden.

5. Über die Länder hinaus soll die deutsche Sportorganisation wie folgt föderalistisch ausgebaut sein:

a) Die Fachverbände der Landessportbünde bilden für jede Sportart einen Spitzenfachverband, dem nicht die Vereine, sondern die Fachverbände der Landessportbünde als gleichberechtigte Mitglieder angehören. Diese Spitzenfachverbände sollen diejenigen sportlichen Aufgaben regeln, die im Interesse der einheitlichen Ausübung der Sportarten in allen Ländern einschließlich des internationalen Sportfachverkehrs geregelt werden müssen.

b) Die Spitzenfachverbände bilden gemeinsam mit den Landessportbünden in voller Gleichberechtigung die Spitzengemeinschaftsorganisation des deutschen Sports. Diese soll die Einigkeit im deutschen Sport wahren und die allgemeinen Aufgaben des deutschen Sportes überfachlicher Art regeln.

6. Die erzieherischen und sozialen Werte des Sportes sollen besondere Beachtung finden, und die Grundsätze, die während dieser Konferenz seitens der Militärregierungen vorgetragen worden sind, finden einstimmig die Zustimmung der deutschen Vertreter. Diese versichern auch, dass sie alles tun werden, um zu verhüten, dass der deutsche Sport zu anderen als sportlichen Zwecken missbraucht wird."



Willi Daume profilierte sich als Vermittler

Bereits am 18. Juli 1949 teilte Heinz Lindner in seiner Punktion als ADS-Präsident mit einem Rundschreiben die Ergebnisse der Schwalbacher Konferenz mit. Dr. Bauwens, der an der Konferenz nicht teilnehmen konnte, dessen Vertreter des Fußballverbandes aber den dort erzielten Kompromissen zugestimmt hatte, reagierte verärgert "über den fehlenden Willen, den fachlichen Wünschen mehr Rechnung zu tragen". Als Konsequenz beschloss der von Dr. Bauwens geführte fachverbandlich strukturierte Landessportbund Nordrhein-Westfalen am 6. August 1949 in Duisburg, aus der ADS auszuscheiden.

Um die erzielte Einigkeit im deutschen Sport nicht zu gefährden, wurde ein Dreier-Ausschuss unter der Leitung von Willi Daume eingesetzt, der die Kontroversen zwischen Dr. Bauwens und Lindner beilegen sollte. Spätestens von diesem Zeitpunkt an begann Willi Daume, wesentlich von Prälat Wolker beeinflusst, sich als Vermittler zu bewähren und sich als Persönlichkeit für künftige spätere höhere Aufgaben im deutschen Sport zu empfehlen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 29 / 14. Juli 2009, S. 35-36
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2009