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GESCHICHTE/095: Olympia - im Oktober vor 40 Jahren in Mexico-City (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 39 / 23. September 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Im Oktober vor 40 Jahren in Mexico-City
Olympische Spiele 1968 voller Farben, Musik und Fröhlichkeit

Von Friedrich Mevert


Von der Leidenschaft und dem Temperament des mexikanischen Volkes wurden die XIX. Olympischen Sommerspiele im Herbst 1968 geprägt, die sportlich zu einer Leistungsexplosion sondergleichen führten, für die sowohl vor allem die Höhenlage von Mexico-City wie auch die hervorragenden Sportstätten in der mexikanischen Millionenstadt ausschlaggebend waren. Die Höhenlage von 2.300 m brachte aber auch erhebliche sportmedizinische Probleme mit sich und erforderte von allen Athleten ein vorheriges Training auf ähnlicher Höhe zur Anpassung. Die studentischen Unruhen in der ganzen Welt machten auch vor der Olympiastadt nicht halt und sorgten für erhebliche politische Probleme. Doch die Begeisterungsfähigkeit der mexikanischen Gastgeber kannte keine Grenzen und überdeckte auch gewisse technische und organisatorische Mängel. Schon die Eröffnungsfeier am 12. Oktober war ein einmaliges Erlebnis, ein Rausch von Farben, Musik und Fröhlichkeit, und am Vorabend der unvergessliche Empfang der Olympischen Flamme bei den Azteken-Pyramiden von Teotihuacan, der Stadt der Götter, die vor mehr als tausend Jahren erbaut worden war!

Dann standen einmal mehr die leichtathletischen Wettbewerbe im Olympiastadion im Universitätsviertel im Mittelpunkt der Spiele. Zu einer Domäne der farbigen Athleten wurden die Läufe. Nur die Rennen über 400 m und 800 m wurden von weißen Sportlern gewonnen. Im Finale über 100 m standen nur farbige Läufer, wobei Sieger Jim Hines (USA) mit 9,9 Sekunden einen neuen Weltrekord erzielte. Noch phantastischer die Leistung von Bob Beamon im Weitsprung. Mit 8,90 Metern verbesserte er den über 20 Jahre alten Weltrekord seines Landsmannes Jesse Owens gleich um 77 Zentimeter. Einmalig auch AI Oerter mit seiner vierten Goldmedaille hintereinander im Diskuswerfen. Die Siegerehrung im 200-m-Lauf nutzten die farbigen amerikanischen Sprinter Tommie Smith und John Carlos zu einer Demonstration für die "Black Power"-Bewegung und wurden dafür anschließend aus der amerikanischen Olympiamannschaft ausgeschlossen.

Die Ruderkämpfe auf der neuen Regattastrecke von Xochimilco, ganz in der Nähe der berühmten "Schwimmenden Gärten", wurden zu den wohl härtesten Prüfungen der Spiele. Eine ganze Armada von Ärzten und Sanitätern musste sich um die vielen schweren Zusammenbrüche und Kreislaufkollapse bemühen, die aufgrund des Sauerstoffmangels auftraten. Auch Ruderer des Ratzeburger Achters, Goldmedaillengewinner vor Australien, brachen im Ziel zusammen und konnten erst eine Stunde später zur Siegerehrung antreten. Auf der gleichen Strecke litten auch die Kanuten stark unter dem Sauerstoffmangel. Hier konnten Roswitha Esser/Annemarie Zimmermann im Zweierkajak ihren großartigen Erfolg von Tokio wiederholen.

Ein Mammutprogramm von 33 Wettbewerben war im Schwimmsport zu absolvieren, das in
keinem Verhältnis zur Anzahl der Disziplinen in den anderen Sportarten stand. In der "Alberca Olimpica" gab es an zehn Abenden sowohl Favoritensiege wie auch Überraschungserfolge. Zwei Goldmedaillen über 100 und 200 m Rücken gewann der Jenaer Roland Matthes. In den Mannschaftskämpfen gewann Ungarn das Fußballfinale gegen Bulgarien, Pakistan siegte im Hockey knapp 2:1 gegen Australien, die USA stellten vor Jugoslawien das beste Basketballteam, und im Volleyball holte sich die UdSSR vor Japan bei den Damen wie bei den Herren die Goldmedaillen. Das Boxturnier in der alten "Arena Mexico" entsprach nicht den üblichen Vorstellungen von der edlen Kunst der Selbstverteidigung; vielmehr arteten viele Kämpfe in pausenlose Schlägereien aus. In den beiden Disziplinen der Ringer konnten die Sportler aus den westeuropäischen Ländern kaum noch mithalten. Eine erhebliche Leistungssteigerung gab es in fast allen Klassen des Gewichthebens, wobei die sowjetischen Schwerathleten ihre führende Stellung erneut unter Beweis stellten.

Im Turnen war Vera Cáslavská aus Prag auf dem Höhepunkt ihres Könnens und Liebling der Zuschauer im "Auditorio National". Sie gewann nicht nur vier Goldmedaillen, sondern heiratete auch während der olympischen Tage in einer mexikanischen Kathedrale ihren tschechischen Mannschaftskameraden Josef Odlozil. Den Zweikampf der Herren entschieden erneut die japanischen Turner vor den Russen für sich und stellten mit Akinori Nakayama und Sawao Kato auch die beiden erfolgreichsten Turner. Die Segelwettbewerbe wurden in der Bucht des mondänen Seebades Acapulco ausgetragen. Spannend verlief am Schlusstag der "Preis der Nationen" im vollbesetzten Olympiastadion, bei dem die deutschen Springreiter diesmal nicht ihre Erfolgsserie fortsetzen konnten, aber hinter Kanada und Frankreich mit dem hauchdünnen Vorsprung von 0,25 Punkten vor den USA noch die Bronzemedaille retteten. Unvergesslich wie die Eröffnung dann die Schlussfeier, die zu einer grandiosen Fiesta wurde und mit einem kaum beschreibbaren Volksfest mit Mariachi-Musik und Tanz im Stadion endete.

Das mexikanische Organisationskomitee hatte im Rahmen des Kulturprogramms auch zu einem hervorragend vorbereiteten Olympischen Jugendlager in das Erholungszentrum der mexikanischen Sozialversicherung in Oaxtepec eingeladen. In Deutschland hatten sich über 6.000 Jugendliche zwischen 17 und 20 Jahren zu dem Auswahlwettbewerb angemeldet, von denen nach den Regional- und Landesausscheidungen sowie schließlich dem Bundesauswahllager im Mai in Duisburg-Wedau sich die 100 Besten für die Mexikofahrt qualifizieren konnten. Sie wurden von Bundespräsident Dr. Heinrich Lübke am 4. Oktober in dessen Bonner Residenz verabschiedet und verlebten dann mit rund 1.000 Jugendlichen aus 17 anderen Ländern unvergessliche Wochen. Am Olympischen Jugendlager nahm erstmalig auch eine Delegation aus der DDR teil, die statt vom DTSB von der FDJ entsandt worden war. Die FDJ hatte anstelle von Jugendlichen wie die anderen Länder jedoch nur erwachsene linientreue Jugendfunktionäre ausgewählt, die das Lagerleben in Gaxtepec dann auch prompt zur politischen Agitation nutzten.

Die Spiele von Mexico-City wurden in der Zeit von 12. bis 27. Oktober ausgetragen. An ihnen nahmen 5.531 Sportler, davon 781 Frauen, aus 112 Ländern teil. Die größten Mannschaften entsandten die USA (360) und die UdSSR (311), die kleinsten Libyen, die Fidschi-Inseln, Malta, Paraguay, Surinam und Zentralafrika mit je einem Athleten. Insgesamt 4.457.242 Zuschauer sahen nach der offiziellen Statistik den Wettkämpfen zu.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 39 / 23. September 2008, S. 16
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2008