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GESCHICHTE/092: Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte - 2 (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 37 / 9. September 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

1946: Grundsätze für die Neuordnung des Sports vom 26. Januar 1946
Sportpolitische Dokumente aus sieben Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte (Teil 2)

Eine Serie von Friedrich Mevert


Mit der im September 1944 beginnenden Besatzung deutschen Reichsgebietes durch die alliierten Invasionsstreitkräfte wurden durch die Militärbehörden in unterschiedlicher Form zahlreiche Rechtsvorschriften erlassen, die auch den Sport als einen großen und wichtigen gesellschaftlichen Bereich betrafen. So wurde mit dem Vorrücken der alliierten Truppen durch das Verbot aller nationalsozialistischen Organisationen in den besetzten Gebieten nach und nach auch allen zum NS-Reichsbund für Leibesübungen (NSRIJ) zugehörigen Sportorganisationen und Sportvereinen auf der örtlichen Ebene die weitere Betätigung untersagt. Der Neuaufbau des Sports konnte sich in der Folgezeit im Nachkriegsdeutschland nur nach den von den vier Besatzungsmächten in ihren Zonen gesetzten Bedingungen vollziehen. Im Rahmen dieser Vorgaben konnten die von den Militärbehörden eingesetzten deutschen Verwaltungsstellen vielfach bereits im Sommer und Herbst 19^5 eigenständig auch Grundsätze für den Neuaufbau der örtlichen Sportvereine erarbeiten, die a. T. schon vor dem Erlass der Direktive 23 des Alliierten Kontrollrates zum Sport vom 17. Dezember 1945 formuliert waren und dann angepasst werden mussten.

Für den Bereich der britischen Besatzungszone wurde unter dem Datum vom 26, Januar 1946 ein Grundlagenpapier erarbeitet, das Staatsminister a. D. Adolf Grimme, damals Abteilungsleiter für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung beim Oberpräsidenten der Provinz Hannover, der britischen Militärregierung vorlegte und das dann bei der ersten Zonensporttagung der britischen Zone vom 6. bis 8. Mai 1946 in Detmold als Diskussionsgrundlage diente.

Die zehn "Grundsätze zur Neuordnung des Sports" hatten folgenden Wortlaut:

1. Die Neuordnung des Sportes erfolgt auf demokratischer Grundlage mit dem Ziele, in der englischen Zone eine Volksorganisation nach einheitlichen Richtlinien zu schaffen.

2. Die Turn- und Sportvereine dürfen die Mitgliedschaft nicht an rassische, parteipolitische und konfessionelle Bedingungen knüpfen. Der Erwerb der Mitgliedschaft darf nicht dadurch, eingeengt werden, dass ausschließlich oder in erster Linie Angehörige bestimmter Betriebe oder Behörden aufgenommen werden. Die Vereine arbeiten auf breitester Grundlage und gliedern sich in verschiedene Sparten. Den Sparten wird größtmögliche Selbständigkeit in technischer und finanzieller Hinsicht unter Wahrung der Satzung des Sportverbandes gewährt. Die Gründung mehrerer Vereine ist erst in Mittel- oder Großstädten erwünscht. Die Vereine bestehen aus aktiven und passiven Mitgliedern, Ehrenmitgliedern und Jugendlichen. Den Vereinen sind Kinderabteilungen bis 10 Jahren, Knaben- und Mädchenabteilungen bis zu 14 Jahren, Jugendabteilungen bis zu 18 Jahren angeschlossen.

3. Für die Leitung der Vereine kommen nur politisch einwandfreie Persönlichkeiten in Präge. Militärische Übungen irgendwelcher Art werden nicht betrieben.

4. Die Zulassung der Vereine mit Jugendabteilungen erfolgt nach Genehmigung durch die Kreissportausschüsse bei den Oberbürgermeistern oder Landräten, die der Vereine ohne Jugendabteilungen direkt durch die Kreissportausschüsse.

5. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dass Vereine ihren alten Warnen beibehalten, wenn der politische und konfessionelle Frieden im Sportverband, dadurch nicht gefährdet wird. Demgemäß bedarf die Verwendung alter Namen der- Genehmigung des Verbandes.

6. Auf Jugendbetreuung ist größte Sorgfalt zu legen. Die Behandlung von Jugendangelegenheiten erfolgt durch Jugendausschüsse nach den Grundsätzen der Erziehung. Vertreter der Jugendabteilungen sind in den Vereinen stimmberechtigt.

7. Aus der Grundform des Sportvereins ergibt sich eine einheitliche Sportorganisation, die sich in verschiedene Säulen gliedert (entsprechend den Sparten). Eine Aufspaltung der Sportorganisation in verschiedene selbständige Verbände getrennt nach politischen, konfessionellen oder gesellschaftlichen Fronten und Facharten widerspricht dem Sinn des Sports.

8. Die Turn- und Sportvereine wollen durch die körperliche und geistig-seelische Betreuung der Mitglieder die Gesundheit fördern, den Gemeinsinn wecken und die Liebe zur Heimat pflegen. Die Jugend soll durch freudebetonten Sport in Bucht und Ordnung hineinwachsen und gesunder Lebensführung und zur Lebensbejahung geführt werden.

9. Die Turn- und Sportvereine und ihre übergeordneten Organisationen sind politisch und konfessionell neutral.

10. Der völkerverbindenden Bedeutung des Sportes gebührt besondere Beachtung.

Im Gegensatz au früheren Planungen wurde in den "Grundsätzen" nun zwar nicht mehr ausdrücklich von der Gründung von "Einheitssportvereinen" ausgegangen, allerdings war die Gründung mehrerer Vereine innerhalb einer Kommune "erst in Mittel- oder Großstädten erwünscht". Interessant ist, dass trotz des Verbotes z. B. der Katholischen DJK-Vereine in der NS-Zeit nun (zunächst) auch deren Wiedergründung nicht möglich war, sondern die neuen Vereine und ihre übergeordneten Organisationen nicht nur politisch, sondern auch konfessional neutral sein sollten. So entstanden zwangsläufig zunächst in Kleinstädten, Dörfern und Stadtteilen gemischte Einheitsvereine mit Namen wie Turn- und Sportverein XY (TuS oder TSV), Verein für Volkssport (VfV) oder für Leibesübungen (VfL), Namen, die sich nur bei wenigen Vereinen bis heute gehalten haben. Meistens wurden schon bis Ende der 40er-Jahre diese zunächst vorgeschriebenen Gebilde wieder aufgelöst, um die früheren Traditionsvereine mit deren Namen wieder zu beleben und auch manche Sparten, wie insbesondere Fußball, Turnen und Tennis, wieder zu selbstständigen Vereinen zu machen.

Anders dagegen in der sowjetischen Zone. Hier gründeten zunächst neben den Kommunen auch die Freie Deutsche Jugend (FDJ) und der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) eigene politisch-ideologisch gesteuerte Sportgemeinschaften. In den Jahren 1950/51 wurden nach Gründung der DDR die Strukturen nach sowjetischem Vorbild verändert und 18 gewerkschaftliche Sportvereinigungen in der Zuordnung an die jeweiligen Industriegewerkschaften geschaffen. Namen wie "Motor" (für Fahrzeug- und Waggonbau), "Empor" (für Handel und Nahungsindustrie) oder "Aktivist"(für Bergbaubetriebe) bildeten nun die Bezeichnungen für die Betriebssportgemeinschaften in den einzelnen Orten* Einen besonderen Status erhielten die Sportvereinigungen "Dynamo" (von Polizei und Staatssicherheit) und "Vorwärts" (von der Armee), wobei - in Einzelfällen - der erstere Name und das zugehörige Logo auch noch heute erhalten geblieben ist.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 37 / 9. September 2008, S. 22
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. September 2008