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FORSCHUNG/162: Wie sich Athleten gut regenerieren - Ergebnisse aus dem Spitzensport (RUBIN)


RUBIN - Wissenschaftsmagazin
Ruhr-Universität Bochum

Wie sich Athleten gut regenerieren
Ergebnisse aus dem Spitzensport

von Katharina Gregor
2. August 2016

Was macht ein Olympia-Athlet eigentlich nach seinem Wettkampf? Er läuft noch eine gemütliche Runde, geht in die Sauna oder zur Massage. Wie sich das auf den Körper auswirkt, haben Sportwissenschaftler untersucht.


Der Schweiß tropft, die Muskeln brennen und der Ehrgeiz ist groß: Olympische Spiele in Rio de Janeiro. Jahrelang bereiten sich Spitzensportler auf diesen einen Moment vor. Hartes Training und Disziplin machen sich hier bezahlt - in Metern bei den Kugelstoßern, Sekunden bei den Schwimmern und Kilos bei den Gewichthebern. Für die eigene Höchstleistung sind allerdings nicht nur Trainingseinheiten ausschlaggebend, sondern auch das, was danach passiert: die Erholungsphase.

Die Regeneration nach einem Wettkampf oder Training ist wichtig. Muskelarbeit, Konzentration und Schwitzen haben den Körper und die Psyche stark beansprucht. Der Sportler muss sich erholen, um beim nächsten Training oder Wettkampf wieder alles geben zu können.

Vom einfachen Ausruhen über Auslaufen bis zur Massage: Es gibt sehr viele mögliche Maßnahmen. Doch wie erholt sich ein Athlet besonders effektiv? Und gibt es Maßnahmen, die für alle Sportarten empfehlenswert sind?

Gemeinsam mit Forschern der Universität des Saarlandes und der Universität Mainz arbeiten der Trainingswissenschaftler Prof. Dr. Alexander Ferrauti und der Sportpsychologe Prof. Dr. Michael Kellmann an Antworten auf diese Fragen. In dem Verbundprojekt "Regenerationsmanagement im Spitzensport - Regman" haben sie über mehrere Jahre Studien dazu durchgeführt.


Infografik - © Agentur der RUB, Weituschat

Sport wirkt auf Muskelzellen belastend und kann sie beschädigen. Bestimmte Maßnahmen können dazu beitragen, dass sie sich schneller regenerieren.
© Agentur der RUB, Weituschat

"Wir mussten zunächst Indikatoren für Ermüdung finden, die spezifisch auf verschiedene Sportarten und Sportartengruppen anwendbar sind. Schließlich kann die Belastung je nach Sportart ganz unterschiedlich sein", sagt Ferrauti. Unter anderem mit Sprungtests, Fragebögen und Blutuntersuchungen machte das Forscherteam Regenerationsverläufe messbar und überprüfbar.

Mit motorischen Tests, wie den Sprungtests, erfassten die Bochumer Wissenschaftler die Leistungsfähigkeit der Athleten kurz nach einem intensiven Training sowie nach der Erholungsphase. Dabei bewerteten sie die Sprunghöhe und Sprungeffizienz, um auf den Erholungsstatus in der jeweiligen Phase schließen zu können.

Die Sprungeffizienz ergibt sich aus der Sprunghöhe und der Bodenkontaktzeit beim Absprung. Ferrauti und Kollegen konnten so untersuchen, ob und wie durch verschiedene Regenerationsstrategien die Leistung wieder ansteigt. Hat sich ein Sportler besonders gut erholt, kann er effizienter springen als direkt nach dem Training.

Zusätzlich zu den Leistungstests führten die Wissenschaftler Blutuntersuchungen nach den Trainingseinheiten und der Regeneration durch. Im Blut steigt unter anderem der Wert des Muskelenzyms Creatinkinase an. Das Enzym ist ein Indikator für Muskelkater. Muskelkater entsteht durch kleinste Verletzungen in den Muskelzellen. Die Forscher sprechen dabei von Mikrotraumata. Erst nach mehreren Tagen fallen die Enzymwerte wieder ab.

Das Forscherteam besuchte für die Studie Spitzensportler direkt in ihren Trainingslagern und Olympiastützpunkten. Es nahmen zum Beispiel die deutschen Gewichtheber und die Volleyball-Nationalmannschaft der Männer an dem Regman-Projekt teil.

Mit den Sportlern als Probanden untersuchten die Wissenschaftler, welche Erholungsmaßnahmen besonders effektiv wirken. Bei den Gewichthebern verglichen Ferrauti, Kellmann und Kollegen unter anderem die Unterschiede von aktiver und passiver Erholung. Dafür erhoben die Forscher vor einem zweitägigen Trainingsblock mit Leistungstests und Blutuntersuchungen die Daten für den erholten Zustand der Athleten.

Zweimal am Tag trainierten die Probanden. Nach jeder Trainingseinheit erholten sich die Gewichtheber aktiv oder passiv - je nachdem in welche Testgruppe sie eingeteilt waren. Für die aktive Erholung nutzten sie ein Ruderergometer, wie vom Bundestrainer empfohlen. Bei der passiven Erholung ruhten sich die Kraftsportler einfach aus.

Einen Tag nach dem gesamten Trainingsblock erhoben die Forscher wieder die Werte, die für die Beurteilung der Regeneration relevant sind. Den gleichen Trainingsblock begleiteten die Wissenschaftler zwei Wochen später mit denselben Athleten. Die Sportler, die sich zuvor am Ruderergometer erholt hatten, nutzten nun die passive Variante und andersherum. Die Wissenschaftler sprechen hier von einem Cross-Over-Design.

In weiteren Teilstudien untersuchte das Forscherteam andere Regenerationsmaßnahmen. Sie verglichen passive Regeneration mit kombinierten Erholungsprogrammen, beispielsweise bestehend aus Stretching, Massagen und Eiswasserbädern.


Infographik: © Agentur der RUB, Zalewski

Eine Probandengruppe erholte sich in einer Teilstudie zunächst aktiv und wechselte nach einer zweiwöchigen Pause zur passiven Erholung. Eine andere Gruppe machte es genau andersherum.
© Agentur der RUB, Zalewski

Dafür organisierten die Forscher sogar ein Tennisturnier - die Regman-Open. Sie erfassten dabei die Leistung, Spielergebnisse und die Laufintensität semiprofessioneller Tennisspieler, um die Wirkung bestimmter Erholungsstrategien zu untersuchen.

Die Mittelwerte der Blutuntersuchungen und motorischen Leistungstests zeigten, dass es keine herausragend effektive Regenerationsmaßnahme gibt. Individuelle Werte wiesen aber darauf hin, dass bei manchen Athleten die aktive Regeneration oder auch das Eisbad die Leistung steigerte.

Die Athleten nahmen die Massage positiv wahr, auch wenn diese nicht zu einer Leistungssteigerung führte. Daher sollte das subjektive Empfinden im Erholungsprozess beachtet werden. Die Ergebnisse machen auch deutlich, dass Regenerationsmaßnahmen individuell unterschiedlich wirken.

Auch für andere Erholungsstrategien, wie beispielsweise das Tragen von Kompressionskleidung, zeigten sich ähnliche Ergebnisse. Es gibt daher keine allgemein wirksame Regenerationsmaßnahme, um Leistung generell steigern zu können.

"Regeneration ist ein sehr individueller Prozess", sagt Kellmann. Die Maßnahme, die der Sportler bevorzuge und die zu seiner Sportart passe, sollte er anwenden. Alexander Ferrauti gibt Beispiele dafür: "Einen Tennisspieler nach einem Match bei den sehr heißen Australian Open in die Sauna zu schicken, ist genauso wenig sinnvoll, wie einen Schwimmer in die Wassertonne zu setzen."

Die Forscher empfehlen den Sportlern, selbst herauszufinden, was ihnen guttut. "Doch es ist unbedingt notwendig, mehrere Maßnahmen schon vor einem Turnier oder Wettkampf zu testen und einzuüben", sagt Michael Kellmann. Für gute Regenerationseffekte ist eine Gewöhnungsphase an neue Maßnahmen von Vorteil. "Das Wichtigste ist allerdings, dass sich der Sportler darauf einlässt."

Eine Auswahl an Erholungsstrategien ermöglicht ihm, im Wettkampf auf die Bedingungen vor Ort zu reagieren. "Denn ein Ruderergometer steht in Rio wahrscheinlich nicht bei den Gewichthebern in der Umkleide. Sie müssen dann andere Maßnahmen ergreifen, um sich aktiv zu erholen", so der Bochumer Forscher.

Auch wenn das Regman-Projekt Ende 2016 ausläuft, verfolgen die Wissenschaftler ihre Forschung im Regenerationsmanagement weiter. "Wir wollen eine Toolbox mit Maßnahmen für unterschiedliche Sportarten zusammenstellen", sagt Kellmann. Die Strategien sollen damit sportartenspezifisch bewertet werden. Sportler und auch Trainer können sich so gezielter für bestimmte Maßnahmen entscheiden.

Auch über eine App für Erholungsmanagement denkt das Forscherteam nach. Mit dieser könnten die Athleten ihren Zustand selbst überprüfen. "Das ist allerdings noch Zukunftsmusik."


Mehr zum Projekt:
http://regman.org/broschuere-zum-regman-projekt-jetzt-online/


URL des Artikels auf der RUBIN-Homepage:
http://rubin.rub.de/de/wie-sich-athleten-gut-regenerieren

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Quelle:
RUBIN - Wissenschaftsmagazin
Herausgeber: Rektorat der Ruhr-Universität Bochum in Verbindung mit dem
Dezernat Hochschulkommunikation der Ruhr-Universität Bochum
Redaktion: Ruhr-Universität Bochum
Redaktion RUBIN, Universitätsstr. 150, 44780 Bochum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2016

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