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FORSCHUNG/141: Sportschießen für Kinder und Jugendliche im Fokus der Sportpädagogik (idw)


Julius-Maximilians-Universität Würzburg - 25.09.2012

Sportschießen für Kinder und Jugendliche im Fokus der Sportpädagogik



Wie verändern sich Jugendliche, die in einen Schützenverein eintreten? Was bewirken die motorischen Anforderungen? Welche Verantwortungen ergeben sich aus der Ambivalenz des Sportgerätes für die Trainer und Betreuer? Welche Erziehungsziele verfolgen die Vereine? Erreichen sie diese Ziele? Diese und weitere Fragen untersuchen Sportpädagogen am Lehrstuhl für Sportwissenschaft der Universität Würzburg in einem neuen Forschungsprojekt.

Die Situation ist durchaus ambivalent: Einerseits geriet der Schießsport zuletzt wiederholt in kontroverse öffentliche Diskussionen. Andererseits unternahm der Deutsche Schützenbund (DSB), einer der größten Spitzensportverbände Deutschlands, in den zurückliegenden Jahren große Anstrengungen, die Bildungsvorgaben und -konzepte des Deutschen Olympischen Sportbundes akribisch umzusetzen. "Mit Erfolg", wie DSB-Vizepräsident Jürgen Kohlheim unterstreicht. So wurde die Ausbildung der Trainer und Jugendbetreuer im Verband weiter professionalisiert. Schließlich übernehmen gerade sie eine verantwortungsvolle Aufgabe.

Jetzt wollen Sportpädagogen der Universität Würzburg die Debatte auf eine sachliche Basis stellen. Hierfür wurde eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der unter anderem zwei Doktoranden die Bildungsarbeit des Deutschen Schützenbundes untersuchen. Bei dieser Gelegenheit werden sie zugleich erforschen, ob und wie sich Jugendliche verändern, nachdem sie einem Schützenverein beigetreten sind und dort regelmäßig trainieren.

Die Debatten in der Öffentlichkeit seien der Auslöser für das neue Forschungsprojekt gewesen, berichtet Professor Harald Lange, Leiter des Instituts für Sportwissenschaft der Universität Würzburg. "Wir haben uns gefragt, wie die Schützenvereine mit dem Thema umgehen: Betreiben sie Gewaltprävention? Wie bilden sie ihre Trainer aus? Was setzen diese davon um? Und was passiert eigentlich mit Kindern, die das Sportschießen erlernen", erzählt Lange. Bei ihrer Suche nach Antworten mussten die Forscher feststellen: Es gibt zwar viele Vorurteile, doch nur wenig fundierte Daten und Argumente. Und das sei genau der Punkt, "an dem kritische Wissenschaft gefragt ist", so Lange.


Aktenstudium und psychologische Tests

In den kommenden drei Jahren werden deshalb Lange und die Doktoranden Verena Oberst und Andreas Petko die Bildungsarbeit des DSB evaluieren. In einem ersten Schritt der Dokumentenanalyse werden sie Konzepte, Ordnungen und Lehrpläne des Schützenverbands sorgfältig studieren. Ihr Augenmerk gilt dabei auch der Ausbildung der Trainer und dem erzieherischen Potenzial der Trainingsmethoden. Im nächsten Schritt geht es dann um die Frage: Was kommt davon an der Basis, im Verein, beim Übungsleiter an?

Im Rahmen einer sportpsychologischen Längsschnittstudie werden die Wissenschaftler deshalb untersuchen, wie sich Kinder und Jugendliche verändern, die neu zum Sportschießen dazugekommen sind. "Mit psychologischen Tests und Online-Interviews über einen Zeitraum von ein bis zwei Jahren hinweg wollen wir erforschen, ob diese jungen Sportschützen sich in ihrer Aggressions- und Emotionsregulation verändern und - wenn ja - in welche Richtung", erklärt Lange. Dafür suchen die Wissenschaftler aktuell in ganz Deutschland nach Schießsport-Anfängern im Alter von 14 bis 17 Jahren.

"Unabhängig und ergebnisoffen" sei die Arbeit der Würzburger Sportwissenschaftler: Weder gehe es darum, dem Deutschen Schützenbund eine Rechtfertigungsstudie zu liefern, noch wollen die Forscher mit ihrer Arbeit potenzielle Amokläufer identifizieren, sagt Lange. Ziel der Untersuchungen sei es vielmehr, pädagogische Potenziale zu identifizieren, diese systematisch weiterzuentwickeln und somit die bestehenden Bildungskonzepte zu optimieren.


Was macht einen Gegenstand zur Waffe?

Differenziert geht Lange auch die Frage an, inwieweit eine Waffe eigentlich ein Sportgerät sein kann. Als Wissenschaftler müsse er diesen Punkt nüchtern betrachten, und das bedeutet: "In einem Gerät steckt nicht automatisch ein Verbrechen, aber auch kein pädagogisches Potenzial", sagt Lange. "Es geht letzten Endes um die Frage: Wie wird aus einem Gegenstand ein Sportgerät? Und was muss passieren, damit er zur Waffe wird?", sagt Lange. Für eine Antwort benötige man belastbare wissenschaftliche Daten und darauf basierende Erkenntnisse, um damit argumentieren und Vorurteile klären zu können.


Das Institut für Sportwissenschaft der Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Die pädagogische Auseinandersetzung mit den verschiedenen Facetten des Sports ist Harald Lange vertraut. Als Leiter des Instituts für Fankultur beschäftigt er sich intensiv mit Themen aus den verschiedenen Fanszenen. In einem anderen Projekt erforschen er und seine Mitarbeiter, inwieweit bei Jugendlichen Kampfsport-Trainings helfen können, Aggressionen auf unschädliche Art und Weise in den Griff zu bekommen. Gleichzeitig haben die Wissenschaftler des Lehrstuhls in Kooperation mit Kollegen aus Bayreuth in der Deutschen Vereinigung für Sportwissenschaft (DVS) die Kommission Kampfkunst & Kampfsport gegründet und fachdidaktische Projekte zur Thematisierung der Gewaltprävention im Setting Schule realisiert.


Der Deutsche Schützenbund

Der Deutsche Schützenbund wird Langes Forschungsprojekt in den kommenden Jahren unterstützen. Der Verband vertritt rund 1,4 Millionen Sportschützinnen und Sportschützen in Deutschland, die in 20 Landesverbänden und etwa 15.000 Vereinen organisiert sind. Er ist damit nach Fußball, Turnen und der Leichtathletik der viertgrößte und zugleich älteste Sportverband der Bundesrepublik. Der Deutsche Schützenbund vertritt mit dem Sport- und Bogenschießen zwei olympische Sportarten sowie zahlreiche nicht-olympische Disziplinen wie Laufende Scheibe, Vorderlader, Feldbogen, Armbrust und Sommerbiathlon.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/de/institution99

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Gunnar Bartsch, 25.09.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2012