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FINANZEN/085: Internationale Finanzkrise könnte den Fußball am stärksten treffen (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 44 / 28. Oktober 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Internationale Finanzkrise könnte den Fußball am stärksten treffen
Prof. Maennig: "Konzepte für Talentsichtung und Trainerschulung belohnen"

Von Holger Schück


Die ausgeuferte internationale Finanzkrise und die überdimensionalen Verwerfungen auf den Kapitalmärkten können möglicherweise den Sport ins Mark treffen. Darauf wies jetzt der Hamburger Volkswirtschaftler Prof. Wolfgang Maennig hin. Allerdings bleiben nach Meinung des 48 Jahre alten Ökonomen viele Entwicklungstendenzen noch im Reich des Spekulativen. Prof. Maennig: "Wir sind nicht in der Lage, bereits jetzt die Risiken richtig abschätzen zu können. Hierzulande haben beinahe alle Wirtschaftsinstitute ihre Wachstumsprognosen für 2008 und 2009 erheblich zurückgenommen. Derzeit stochern wir alle etwas im Nebel. Niemand kann wirklich genau berechnen, wie sich die Turbulenzen auf den Finanzmärkten nunmehr auf das Wirtschaftswachstum, auf die Beschäftigung und auf die Einkommen der Menschen auswirken werden. Das liegt auch daran, dass wir eigentlich gar nicht richtig in der Lage sind, die Schäden richtig einzuschätzen."

Der Olympiasieger im Ruder-Achter von 1988 gutachtete in einem Interview mit dem Deutschlandfunk: "Der Fußball ist mit Sicherheit eine der Sportarten, die der Finanzkrise am stärksten ausgesetzt sein könnten. Hier gibt es schließlich weltweit einige Vereine, die als Hauptsponsoren Finanzinstitutionen haben." Durch staatliche Garantien, wie sie von Bundestag und Bundesrat beschlossen wurden, könnten letztlich diese Sponsorenverträge mit Finanzdienstleitern zunächst weiter erfüllt werden. Jedoch: "Wenn ein Unternehmen insolvent geht, entfallen in der Folge natürlich auch die Einnahmen des Sports aus seinen Verträgen. Mit Sicherheit werden in Zukunft auch die politischen Entscheidungsträger, die Insolvenzvertreter oder wer auch immer Verantwortung für in Bedrängnis geratene Banken trägt, die bisher Sponsoren waren, versuchen, aus den Verträgen herauszukommen. Zumindest werden sie versuchen, wenn Vereinbarungen in den nächsten Monaten auslaufen, diese nicht mehr zu verlängern."

"Auch Zuschauer sind von der Krise betroffen", unterstrich der Volkswirtschaftler, der 1989 an der Technischen Universität Berlin mit dem Thema "Internationale Transmission und Koordinierung der Wirtschaftspolitik" habilitierte. "Die privaten Ersparnisse sind teilweise erheblich dahingeschmolzen. Ob Zuschauer dann noch soviel Möglichkeit haben, Eintritt für Fußballspiele zu zahlen, ist fraglich. Es ist allerdings heute so, dass teilweise vierzig, fünfzig Prozent der Bundesligavereine ihre Ticketeinnahmen nicht mehr aus dem normalen Verkauf erzielen, sondern aus den VIP- und Business-Logen. Ich könnte mir vorstellen, dass viele Business-Logen und VIP-Sitze, die von Finanzdienstleistern, aber auch anderen Firmen gebucht wurden, in Zukunft nicht mehr so stark nachgefragt sein werden." Prof. Maennig brachte generell zum Ausdruck, es gebe in vielen Sektoren, in denen sich der Sport sehr stark vermarktet, "durchaus Gefahren", von dem globalen Kredit-Infarkt betroffen zu werden: "Es sind weniger die Disziplinen, die keine typischen Mediensportarten sind und ohnehin stark vom Staat gefördert werden. Sie können vielleicht einmal eine zehnprozentige Haushaltssperre erleben, die der Bund verfügen könnte. Das ist beinahe schon das Schlimmste, was bisher in der Geschichte der Bundesrepublik geschehen ist."

Der international renommierte Ökonom, der an der Universität Hamburg mit den Spezialgebieten Wirtschaftspolitik, Sportökonomie, Verkehrswissenschaft lehrt, unterstützt die Forderungen der Berliner Politik, der Spitzensport müsse effizienter werden. Dies hatte zuletzt Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble, so wie viele seiner Amtsvorgänger bis Ernst Benda (CDU) zurück, formuliert. "Das Soll wurde erfüllt", meinte Maennig zum Abschneiden der deutschen Olympiamannschaft bei den Spielen in Peking - dies könnte man aus der "Berechnung aus dem Wettbewerbsumfeld, in dem sich Deutschland befindet", durchaus konzedieren. Allerdings: "Die Frage ist, ob man das auch mit weniger Geld hätte erreichen können. So etwas ist sehr schwer festzustellen. Faktum ist: So wie es Ineffizienz offensichtlich bei privaten Banken gibt, so gibt es auch Ineffizienz bei Verbänden und Vereinen - bei dem einen mehr, bei dem anderen weniger. Im Prinzip wissen die Verbände selber am besten, auf welchen Feldern es bei ihnen ineffizient ist. Sie wissen auch, dass man die Anreize für die Verbände stärker in Richtung einer Ineffizienzorientierung setzen müsste."

Die vergabepolitische Orientierung, Haushaltsmittel des Bundes für die Verbandsförderung an die Erfolge der letzten Olympiade zu koppeln, hat sich nach Prof. Maennigs Einschätzung nicht bewährt. "Das Argument ist: Wer einmal schlecht ist und keine Gelder mehr bekommt, gerät in einen Teufelskreislauf und wird noch schlechter. Deshalb hat man gesagt: Wir müssen dieses System wieder aufgeben und in Richtung Visionen gehen. Wer hat gute Konzepte? Das Argument ist nicht von der Hand zu weisen: Einem Verband, der ein gutes Konzept für Talentsichtung oder für gute Trainerschulung hat, sollte man konzedieren, dass er mehr Gelder bekommt. Nun aber das Kind mit dem Bade auszuschütten und mehr oder weniger nur Visionen gelten zu lassen, halte ich auch nicht für richtig. Denn Papier, auf das man Visionen schreibt, ist relativ geduldig. Man sollte die Verbände in die Verantwortung nehmen. Ich persönlich stelle mir vor, dass man zu 90 Prozent die Leistungen der Vergangenheit nehmen und zu 10 Prozent schauen könnte, welche Verbände gute Visionen haben."

Diese Vorgaben erzeuge bei den Verbänden erheblichen Druck, Erfolge zu generieren, schätzte der Hochschulprofessor ein. "Wir können darüber reden, ob es sinnvoll ist, dies an den Erfolgen eines Vier-Jahres-Zeitraums festzumachen. Dann entsteht natürlich auch ein Druck, lediglich kurzfristige Maßnahmen zu bedienen. Wir können darüber diskutieren, ob dies für zwei oder drei Olympiaden festgemacht wird, damit sich zum Beispiel Nachwuchsarbeit auch lohnt. Wenn lediglich die laufende Olympiade als Erfolgsparameter genommen wird, haben die Verbände nur Anreize, sehr kurzfristige Maßnahmen durchzuführen, mit denen sie bei den nächsten Olympischen Spielen gut abschneiden. Das könnte schlecht sein." Druck aufzubauen, um mehr Potentiale im Spitzensport abzurufen, ist laut Prof. Maennig eine zwiespältige Sache: "Es ist die Erfahrung, dass es gut und richtig ist, wenn Menschen oder Institutionen dafür belohnt werden, dass sie etwas Gutes leisten. Das ist auch die Erfahrung von den Systemen, die es anders probiert und alles gleich gefördert haben, unabhängig von den Leistungen: Dies wäre vielleicht kurzfristig für alle sehr angenehm, aber langfristig wird sich ein solches System nicht besonders gut entwickeln. Grundsätzlich sollte eine Beziehung zwischen der Leistung eines Sportlers, eines Verbandes und dem bestehen, was sie an Ressourcen und Zuwendungen erhalten. Natürlich kann eine solche Verbindung dazu neigen, dass dann der Druck hoch wird. Dann muss man die Rahmenbedingungen so setzen, dass dieser Druck nicht in einem delinquenten oder kriminellen Verhalten wie Doping ausartet." Überhaupt müssten eine darauf ausgerichtete Ordnungspolitik, aber auch Regeln und Gesetze sicherstellen, dass im Sport Doping entschieden bekämpft wird. Maennig: "Man kann auch die Rahmenbedingungen und die Geldmechanismen so gestalten, dass es zwar für Erfolge Gelder gibt, jedoch dann nicht, wenn diese auf Doping basieren." Auch beim Radsport könnten durch diese Ausrichtungskriterien und "geschickte finanzielle Anreize" viel mehr erreicht werden, als es in der Vergangenheit der Fall war.

Maennig sprach sich für klare Stoppregeln aus: "Wenn herauskommt, dass die sportlichen Erfolge aufgrund von Doping entstanden sind, muss die Förderung in Zukunft deutlich reduziert werden. Ob man die Rückzahlung verlangen kann, ist ein bisschen schwierig: Die Verbände sind alle knapp mit Geld. Gegen Doping muss man auf vielerlei Ebenen vorgehen. So muss der Sport die Wettkämpfe so ausrichten, dass die Athleten auch technisch in der Lage sind, diese zu überstehen, ohne zu dopen." Daneben hätte sich die Pharmaindustrie stärker in den Antidopingkampf einzubringen, forderte er. Zum anderen müsste sich auch das Zuschauerverhalten ändern: "Denn letztlich übertragen die Medien bestimmte Veranstaltungen nur deshalb, weil die Einschaltquoten so hoch sind. Solange wir uns selber so etwas angucken, sind wir auch ein bisschen mitverantwortlich für die Dopingproblematik."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 44 / 28. Oktober 2008, S. 21
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2008