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BERICHT/681: Palästinensische Behinderte erfüllt Teilnahme an Paralympics mit Stolz (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 17. September 2012

Nahost: Hauptsache dabei gewesen - Palästinensische Behinderte erfüllt Teilnahme an Paralympics mit Stolz

von Eva Bartlett


Mohammed Fanouna wird nach den Paralympics am Grenzübergang Rafah begrüßt - Bild: © Eva Bartlett/IPS

Mohammed Fanouna wird nach den Paralympics am Grenzübergang Rafah begrüßt
Bild: © Eva Bartlett/IPS

Rafah, Gazastreifen, 17. September (IPS) - Der Motor des Autos heult auf, die Räder drehen durch und graben sich immer tiefer in die Sandstraße nahe Rafah im Süden des Gazastreifens. Mitglieder des Palästinensischen Paralympischen Komitees (PPC) sind unterwegs, um zwei Sportler abzuholen, die an den jüngsten Spielen in London teilgenommen haben.

Khamis Zaqut und Mohammed Fanouna wurden schon mehrfach mit Goldmedaillen ausgezeichnet. Diesmal reichte es nur für den vierten beziehungsweise neunten Platz. "Trotzdem können sie stolz sein", meint Ala'a Shatali, Generalsekretär des PPC. Denn im Gazastreifen fehlt es an geeigneten Trainingsmöglichkeiten und Ausrüstung. "Doch die hohe Motivation unserer Sportler macht einiges wett", sagt er.

Doppelt benachteiligt sind Athleten mit Behinderung. Sie sind auf Transportmittel angewiesen und haben Schwierigkeiten, die passende Kleidung zu finden. Auch ist es für sie nicht leicht, die Anmeldegebühren aufzubringen. "Wir haben kein Geld, um für ihre Kosten aufzukommen oder sie für ihre Leistungen zu bezahlen", erklärt Shatali. "Im Idealfall können wir ihnen die Flugtickets und die Teilnahmegebühren an internationalen Wettkämpfen erstatten."

Behindertengerechte Fahrzeuge stehen nicht immer zur Verfügung. Deshalb schafft es Zaqut, der auf einen Rollstuhl angewiesen ist, nicht immer, von Khan Younis aus zu dem bescheidenen Trainingsgelände nach Gaza-Stadt zu kommen. "Solche Hindernisse machen es schwierig, im Sport voranzukommen", meint Shatali.

Einige der 298 registrierten Athleten mit Behinderung sind bereits von Geburt an gehandicapt Zaqut hingegen sitzt seit einem Arbeitsunfall vor 20 Jahren im Rollstuhl.


Wettkämpfe stärken das Selbstbewusstsein

"Für viele ist der Wettkampf Teil der Rehabilitierungsphase", erläutert Shatali, der auch Physiotherapeut ist. "Mehrere unserer Athleten wurden bei israelischen Angriffen verletzt, andere hatten Verkehrsunfälle. Nach der Physiotherapie kann das sportliche Kräftemessen ihr Selbstbewusstsein sehr stärken."

Fanouna und Zaqut waren die einzigen Palästinenser, die sich in diesem Jahr für die Paralympics in London vom 29. August bis 9. September qualifizieren konnten. Bis Juni hatte auch Hossam Azzam, der wie Zaqut im Rollstuhl sitzt, auf eine Teilnahme gehofft. Wie die beiden anderen qualifizierte er sich zwar für Standard A, konnte am Ende jedoch nicht die Voraussetzungen erfüllen.

Die Trainer und Mitglieder des PPC in Gaza müssen praktisch ohne Budget wirtschaften und mit erheblichen Beschränkungen bei den Trainingsmöglichkeiten zurechtkommen. Das zwingt sie dazu, sich auf bestimmte Sportarten zu konzentrieren.

"Wir trainieren Athleten in Kugelstoßen, Speerwerfen, Diskuswerfen, Weitsprung und im 200-Meter-Lauf", erklärt Shatali. "Es gibt auch Sportler, die im Rollstuhl Basketball und Volleyball spielen. Wir können es uns aber nicht leisten, eine ganze Mannschaft zu Wettkämpfen zu schicken. Wenn Athleten mehrere Disziplinen beherrschen, haben sie größere Erfolgsaussichten."

Auch Schwimmer haben im Gazastreifen kaum eine Chance. "Das beste Becken, das wir haben, ist nur halb so groß wie ein Olympiabecken. Dort kann man nicht ausreichend trainieren", sagt Shatali.

Fanouna, der bereits an den Paralympics in Athen und Peking teilgenommen hatte, ist teils blind und tritt als Läufer auf der 200-Meter-Strecke an. Längere Bahnen gibt es im Gazastreifen nicht.


Auch behinderte Frauen trainieren für internationale Meisterschaften

Auch wenn sich palästinensische Athletinnen nicht für die Paralympics 2012 qualifizieren konnten, bereiten sie sich weiter auf die Teilnahme an internationalen Wettkämpfen vor. Wie Shatali berichtet, belegte Fatema Al Halouli 2011 bei den Arabischen Spielen den vierten Platz.

Zahlreiche Jugendliche mit Behinderungen aus dem Gazastreifen haben bereits aus aller Welt Medaillen nach Hause mitgebracht. "Wir haben neun nach Tokio geschickt, wo sie an der Zehnten Asiatischen Jugend-Paraolympiade teilnahmen. Obwohl sie vorher nie bei internationalen Wettkämpfen dabei waren, gewannen sie acht Medaillen."

In der Empfangshalle am Grenzübergang Rafah zwischen Ägypten und dem Gazastreifen hören Freunde und Fans zu, wie Zaqut von seinen und Fanounas Erfolgen in London berichtet. "Wir sind stolz, dass wir an den Paralympics teilgenommen haben", meint er. "Vor allem, weil wir unter der israelischen Belagerung ständig mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben."

Nach Ansicht von Shatali haben die beiden Athleten die Botschaft in die Welt hinaus getragen, dass Palästinenser mehr könnten, als man sich gemeinhin vorstelle. "Die israelische Besatzung wird uns nie in unserer Existenz gefährden geschweige denn uns von der Teilnahme an Sportveranstaltungen abhalten." (Ende/IPS/ck/2012)


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http://www.ucas.edu.ps/alumni/sport.htm
http://www.ipsnews.net/2012/09/without-medals-with-pride/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. September 2012