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BERICHT/664: Berliner Sportaustausch mit Peking wird ausgebaut (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 44 / 2. November 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Berliner Sportaustausch mit Peking wird ausgebaut

Von Klaus Weise


Berlin ist nach eigenem Verständnis Deutschlands Sporthauptstadt. Dafür stehen eine Vielzahl von Sportarten und Disziplinen. Zum Beispiel Rudern: Da stellt Berlin mit zehn Aktiven - je fünf Frauen und Männer - immerhin ein Sechstel des 62-köpfigen Teams des Deutschen Ruderverbandes (DRV) für die Weltmeisterschaften, das aktuell Medaillen aus dem neuseeländischen Lake Karapiro fischen soll. Vier Trainer aus der Hauptstadt, die für Vorbereitung und Betreuung von sieben der gemeldeten 22 deutschen Boote verantwortlich waren, unterstreichen zusätzlich die geballte Berliner Kompetenz. Um die weiß man auch in der Volksrepublik China. Erst recht, seitdem die Cheftrainerin der Frauen-Skullerinnen im Reich der Mitte Jutta Lau heißt. Die 55-jährige Potsdamerin wechselte Anfang 2009 als erfolgreichste DRV-Trainerin nach China, um sich dort neuen Herausforderungen zu stellen. 2001 hatte der Weltverband FISA die einstige doppelte Olympiasiegerin und dreimalige Weltmeisterin, die bei den Olympischen Spielen 2000 und 2004 mit insgesamt viermal Gold, zweimal Silber und zweimal Bronze Triumphe als Ruder-Lehrerin feierte, als "Coach of the Year" geehrt. Nun machte sich Lau in der vorübergehenden Wahlheimat für den sportlichen Austausch mit der alten Heimat stark.

Die seit 2005 bestehende Kooperation zwischen den Berliner Ruderern und denen aus Peking wurde nach einer Stagnation in den vergangenen beiden Jahren auf Betreiben des Hauptstadt-LRV und mit Unterstützung von Jutta Lau jetzt wieder belebt. Eine Woche lang weilten der LRV-Vorsitzende Werner Stahr und sein Geschäftsführer Michael Hehlke Mitte Oktober in der Hauptstadt der Volksrepublik und führten intensive Gespräche.


Vereinbarung mit Leben füllen

Der Ideen- und Gedankenaustausch mit dem Chef der Pekinger Sportbehörde Sun Guohua und den Leitern der 3. Sportschule, wo Rudern gefördert wird und einer der sportlichen Schwerpunkte ist, war laut Stahr "sehr offen, konstruktiv und erfolgreich". Und er hatte eine primäre Quintessenz, über die auf beiden Seiten Einigkeit herrschte: "Die Beziehungen zwischen Beijing und Berlin auf dem Gebiet des Sports sollen fortgesetzt, weiterhin gepflegt und intensiviert werden." Für die Jahre 2011 bis 2014 wurden vorerst fünf gegenseitige Besuche vereinbart, bei denen Sportlergruppen dreimal nach Berlin und zweimal im Gegenzug nach Peking reisen.

2006 bis 2008 haben solche Freundschafts-Visiten bereits mehrfach stattgefunden, dann herrschte zwei Jahre Funkstille. Beim Besuch der Berliner 2013 in Peking soll dann das weitere Procedere besprochen und beschlossen werden. Außerdem ist geplant, dass ein Berliner Trainer hilft, die Pekinger Aktiven im Sommer 2013 auf die dortzulande eminent wichtigen China Games vorzubereiten.

Beiden Seiten sei sehr wohl bewusst, dass eine Vereinbarung auf dem Papier nur dann etwas wert ist, wenn man sie mit Leben erfüllt, sagt Werner Stahr, im Hauptberuf Lehrer. Deshalb sollen Pekinger Mannschaften an der Traditionsregatta "Quer durch Berlin" teilnehmen und im Gegenzug wird eine Veranstaltung gesucht, bei der die Berliner Talente ihr Können in China zeigen dürfen. Generell werden die Konditionen des Austausches wie folgt gehandhabt: die anreisende Mannschaft trägt die Kosten für den Flug, Kosten für Unterkunft, Verpflegung, Rahmenprogramm etc. werden vom Gastgeber übernommen.

Im Gespräch mit dem Direktor des chinesischen Ruderverbandes Chen Chunxin wurde des weiteren die Idee kreiert, in Berlin ein Trainingslager des chinesischen Nationalteams während des Europaufenthaltes 2011 zwischen den Weltcups in München und Hamburg und zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele 2012 in London abzuhalten.

Jutta Lau steht diesem Angebot sehr positiv gegenüber. Auch der LRV-Vorschlag, nach dem Vorbild von "Quer durch Berlin" mitten in Peking auf einem der zahlreichen Gewässer eine Regatta zu veranstalten, fand großes Interesse. Da Kanäle oder Seen jedoch direkt der Pekinger Stadtregierung unterstehen, gibt es hohe administrative Hürden, die - so die Anregung der einheimischen "Insider" - durch geschickte Diplomatie überwunden werden könnten. Zum Beispiel, in dem man ein "Offiziellen-Rennen" mit VIP's aus allen Bereichen des öffentlichen Lebens gegen die "Freunde des LRV Berlin" in die Regatta einbaut und damit die Behörden veranlassen könnte, das Projekt zu unterstützen.

Dass die Berliner Ruderer mit ihren Initiativen nicht nur im eigenen Saft zu schmoren gedenken, unterstreicht ein weiterer möglicher Austausch, über den am Rande des Ruderbesuchs in China gesprochen. Danach wollen die Beijing Lucheng Physical Education Sport Technical School und die Hockey-Abteilung des TC 1899 Blau-Weiß, deren 1. Männer gerade als Aufsteiger mit Platz 6 in der 1. Bundesliga beeindrucken, ein zunächst auf zwei Jahre befristetes Kooperationsprogramm aufnehmen.


Neue Qualität der Zusammenarbeit

Das Herren-Team wird im März 2011 zur Vorbereitung auf die Rückrunde gemeinsam mit dem Hockeyteam der Schule ein Trainingscamp in Peking absolvieren. Danach sollen bis zu drei Spieler aus Peking die Möglichkeit erhalten, drei bis vier Monate in Berlin zu trainieren und an Spielen teilzunehmen. Beim Blau-Weiß-Trainingslager in Peking sollen auch die nächsten Aktivitäten der Kooperation - wie ein Gegenbesuch der Chinesen in der deutschen Hauptstadt - festgezurrt werden.

Generell ist Peking schon seit dem 5. April 1994 Partnerstadt Berlins. Seit 1997 gibt es einen Sportaustausch zwischen den beiden Metropolen, der zunächst überwiegend im Handball stattfand. Mit einer Kooperationsvereinbarung zwischen dem Landessportbund Berlin und der Pekinger Sportverwaltung vom 5. März 2005 gewann die Zusammenarbeit eine neue Qualität, die Art und Umfang des Austausches festlegte.

Seitdem ist einiges geschehen und auf der Habenseite zu verbuchen. Gleichwohl gibt es aber nach wie vor auch Reserven, die im Geiste der Vereinbarung erschlossen werden können. Das betrifft zum Beispiel den Austausch von Spitzenathleten und Trainern oder auch den Austausch von Forschungsergebnissen in der Sportwissenschaft.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 44 / 2. November 2010, S. 25
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. November 2010