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BERICHT/654: Kölner Erklärung zur Situation des Hochleistungssports in Deutschland (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 26 / 29. Juni 2010
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Kölner Erklärung zur Situation des Hochleistungssports in Deutschland


"Im Rahmen des Ehrenkolloquiums der Trainerakademie Köln des DOSB am 16./17. Juni 2010 anlässlich der Emeritierung von Prof. Dr. Helmut Digel wurde die aktuelle Situation des Hochleistungssports in Deutschland diskutiert:

Der deutsche Hochleistungssport wurde und wird bei Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften durch herausragende Athletinnen und Athleten äußerst erfolgreich repräsentiert. Der Wettkampfsport kann sich dabei durch eine außergewöhnliche kulturelle Bedeutung für unsere Gesellschaft auszeichnen. Mindestens seit den Olympischen Spielen 2000 von Sydney zeigt sich jedoch, dass die internationale Rolle des deutschen Hochleistungssports nur noch mit großer Mühe gesichert werden kann. Er bedarf einer ständigen Erneuerung und muss intelligente Antworten auf die Fragen finden, die sich bei der Entwicklung des internationalen Hochleistungssports stellen.

Angesichts der noch immer wachsenden Probleme, deren Lösung dringend angeraten ist, ergeben sich folgende Empfehlungen an die Verantwortlichen des deutschen Hochleistungssports:

1. Die Trainerinnen und Trainer benötigen eine berufständige Organisation. Zwischen den Sportverbänden als Arbeitgeber und den Trainerinnen und Trainern als Arbeitnehmer bedarf es tarifvertraglicher Regelungen. Rechtswidrig angelegte Arbeitsverhältnisse sind auf ein sicheres arbeitsrechtliches Fundament zu stellen.

2. Die Mitbestimmung der Trainerinnen und Trainer muss entschieden verbessert werden; dafür ist ein Trainerbeirat einzurichten.

3. Die ehrenamtlichen Führungskräfte im deutschen Hochleistungssport sind auf eine kontinuierliche Weiterbildung zwingend angewiesen. Wie das hauptamtliche Personal bedürfen auch die ehrenamtlichen Führungskräfte einer kontinuierlichen Überwachung der erforderlichen Kompetenzen. Auch für ehrenamtliche Aufgaben sollte zukünftig das Instrument der Zielvereinbarung zur Anwendung kommen.

4. Ein professionelles Wissensmanagement in und zwischen den Sportverbänden muss möglichst schnell etabliert werden. Das bereits geplante "CoachNet" sollte dabei höchste Priorität erhalten und dauerhaft etabliert werden.

5. Die derzeit bestehenden unübersichtlichen und wenig effizienten Zuständigkeitsstrukturen im deutschen Hochleistungssport bedürfen dringend einer Vereinfachung und Straffung. In Fragen des Hochleistungssports muss die Richtlinienkompetenz der nationalen Spitzenverbände gestärkt werden. Die föderalen Strukturen müssen auf die Belange des internationalen Hochleistungssports ausgerichtet sein. Alle Förderstrukturen bedingen eine kontinuierliche Evaluation.

6. Die Trainerakademie bedarf einer gesellschaftspolitischen Aufwertung. Die Ausbildung der Trainerinnen und Trainer muss in einen Bachelor-Studiengang überführt werden.

7. Will der deutsche Hochleistungssport konkurrenzfähig bleiben, müssen der Trainerberuf und dessen Professionalität konsequent weiterentwickelt werden. Hierzu bedarf es genauer Bedarfsanalysen durch die Spitzenfachverbände. Diese Analysen müssen Bedingung für zukünftige Förderung sein.

8. Die Spitzenverbände sind aufzufordern, ihre Organisationsstrukturen den Anforderungen des internationalen Hochleistungssports anzupassen. Redundante und ineffiziente Kommunikations- und Entscheidungsstrukturen zwischen Landesverbänden und nationalen Spitzenverbänden sind aufzuheben.

9. Dem Steuerungsmodell für den Hochleistungssport des Deutschen Olympischen Sportbunds, das nach innen gerichtet ist, fehlt eine Entsprechung gegenüber dem IOC und den übrigen Weltsportorganisationen. Nur auf diese Weise kann den Veranstaltungsauswüchsen, dem überfüllten Sportkalender und der ständig wachsenden Überbelastung der Athletinnen und Athleten entgegengetreten werden.

10. Der Hochleistungssport benötigt dringend eine qualifizierte wissenschaftliche, an den Erfordernissen der Leistungssportpraxis orientierte Begleitung. Der Forschungs- und Serviceverbund Leistungssport bietet dafür sehr gute Voraussetzungen. Mit Unterstützung der Wissenschaftskoordinatoren, deren Position in den Spitzenverbänden auf- bzw. auszubauen ist, muss eine Forschungsagenda festgelegt werden, die den Belangen der Praxis der Hochleistungssportlerinnen und -sportler entspricht.

Köln, den 16. Juni 2010"


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 26 / 29. Juni 2010, S. 15
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juli 2010