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BERICHT/633: Der Betriebssport in Deutschland kann der Wirtschafts- und Finanzkrise trotzen (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 45 / 3. November 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stabile Verhältnisse
Der Betriebssport in Deutschland kann der Wirtschafts- und Finanzkrise trotzen

Von Andreas Müller


Offiziell sind in Deutschland derzeit fast 3,4 Millionen Menschen als arbeitslos registriert und weitere rund 1,4 Millionen Menschen befinden sich in Kurzarbeit: In der unternehmerischen Wirklichkeit zwischen Boden- und Nordsee ist die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht nur vor dem Hintergrund dieser Zahlen längst spürbar. Wer jedoch meint, auf den Betriebssport in Deutschland hätten sich die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse reflexartig und adäquat übertragen, der irrt gründlich. Uwe Tronnier, der Präsident des Deutschen Betriebssport-Verbandes (DBSV), kann Entwarnung geben: "Bei uns haben sich Wirtschafts- und Finanzkrise so gut wie nicht ausgewirkt. Wir haben stabile Mitgliederzahlen und nur unmerklich Rückgänge", lautet seine grundsätzliche Einschätzung. Gerhard Brillisauer, DBSV-Vizepräsident und langjähriger Vorsitzender in Hessen, kann diesen Trend sogar für die Bankenmetropole Frankfurt am Main bestätigen. "Wir haben durch die Bankenkrise keine Mitglieder verloren. Das scheint ein Phänomen zu sein, aber es ist so", sagt Brillisauer und rechnet zu Beginn des nächsten Jahres mit aktualisierten Zahlen.


Etwa ein Prozent Mitglieder weniger pro Jahr

Das grundsätzliche Zwischenfazit des DBSV beruht zunächst vor allem auf ausführlichem Analysematerial vom 31. Dezember 2008. Nach dieser Statistik gehören dem Verband rund 300.000 Mitglieder an, etwa 50.000 weniger als in den besten Zeiten vor zehn Jahren. Als Faustregel formuliert Tronnier, dass die Zahl der Mitglieder in der jüngeren Vergangenheit jährlich um etwa ein Prozent zurückgegangen ist. Das sei ein moderater Rückgang. Insgesamt könne man in Bezug auf die bundesweit rund 5.200 Betriebssportgemeinschaften (BSG) von "stabilen Verhältnissen" sprechen.

Im Gegenteil verstünde sich das BSG-Netzwerk angesichts der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zunehmend als sozialer Stabilisator, beispielsweise indem arbeitslos gewordene Kollegen ihrer BSG weiterhin angehören dürfen. Gerade für solche Menschen sei dies eine ganz wichtige Heimat, damit der Kontakt zu den Kollegen nicht abreißt und sie sozial etwas aufgefangen werden, berichtet Tronnier. Einen ganz ähnlichen Stellenwert habe die BSG für Kollegen, die in den Ruhestand gingen und auf diese Weise von ihren Firmen und Kollegen "nicht abgeschnitten" würden.

"Natürlich hätten wir gerne noch mehr Mitglieder", sagt der 56-Jährige, der als früherer Zöllner in Berlin Mitte der 70er Jahre eine Bowlingabteilung gründete und seit 1978 als Funktionär aktiv ist. Von 1995 bis 2004 war der Mann, der inzwischen in Bonn bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht arbeitet, Generalsekretär des 1954 gegründeten Verbandes. Im Jahre 2004 wurde Tronnier als Nachfolger von Reinhold Müller zum Präsidenten gewählt. In der Praxis würden im Betriebssport mehr Menschen bewegt, als es die Mitgliederzahlen aussagen, betont der Präsident. Für eine verschobene Wahrnehmung sorge insbesondere, dass manch große Firmen interne Sportangebote auflegen und unterstützen, ohne dass deren Teilnehmer einer BSG angehören und demzufolge auch nicht beim Dachverband als offizielle Betriebssportler organisiert sind.


70 Sportarten im Angebotskatalog

Rückgänge betreffen vornehmlich die Mitgliederzahlen in den Spielsportarten wie Fußball oder Handball, da die Teilnahme von Teams am Spielbetrieb unter dem Dach des DBSV wegen zunehmender Belastungen im Arbeitsalltag zunehmend betroffen sei. Im Dienstleistungsgewerbe zum Beispiel werde immer länger gearbeitet. Das habe natürlich Konsequenzen vor allem für die Mannschaftssportarten, die natürlich auch im Ligabetrieb auf komplette Teams angewiesen sind. Die Abmeldungen aus dem Teamsport könnten laut Tronnier durch die Individualsportarten größtenteils wieder aufgefangen werden, so dass keine großen Lücken entstehen. Insgesamt werden im Betriebssport momentan über 70 Sportarten angeboten, darunter auch Golf und mit zunehmender Beliebtheit Gymnastik oder Nordic Walking und alles, was sich sonst noch unter Gesundheitssport fassen lässt. Bei den Angeboten mit der Zeit gehen, heißt die Devise, während die Firmen den betriebssportlichen Part mit einem lachenden und einem weinende Auge sehen. Unternehmen, die den Betriebssport als reine Last betrachten, seien ihm zwar noch nicht vorgekommen, berichtet Tronnier von seinen langjährigen und sehr praktischen Erfahrungen.

Aber nicht wenig verbreitet sei in den Chefetagen die Sorge, dass sich Mitarbeiter oder Angestellte bei diesen freizeitsportlichen Aktivitäten verletzen und ausfallen könnten. Entsprechend werde es von der Geschäftsführung gern gesehen, wenn eher ungefährliche Sportarten betrieben werden, sagt Tronnier. Andererseits schätzten die Unternehmen durchaus, welch positive Effekte der Betriebssport mit sich bringe. Zum Beispiel was die Identifizierung mit dem eigenen Unternehmen betrifft oder was unter dem Begriff Teamwork zusammengefasst werden kann.


Weniger als fünf Prozent der BSG-Mitglieder werden von ihren Firmen nennenswert unterstützt

Nennenswert wirtschaftlich und finanziell unterstützt werden von den derzeit existierenden rund 5.200 Betriebssportgemeinschaften Tronnier zufolge lediglich um die 200. Das sind weniger als 5 Prozent. Für die BSG-Abteilungen in Firmen der öffentlichen Hand sei materielle Beihilfe ohnehin und von vorn herein ein Tabuthema. Andere Sportgruppen bekämen hin und wieder mal einen Satz Trikots oder Sportgeräte spendiert. Größere Zuschüsse der Unternehmen, etwa für Reisen zu den alljährlich ausgetragenen nationalen Meisterschaften in den einzelnen Sportarten, seien die große Ausnahme. Betriebssportadressen wie das Pharma-Unternehmen Bayer Schering oder die Dresdner Bank stächen laut Tronnier wohltuend hervor.

Das Resümee des DSBV-Präsidenten fällt eindeutig aus: "Die Basis für den betriebssportlichen Alltag bilden die Mitgliedsbeiträge. Im Wesentlichen lebt der Betriebssport vom Enthusiasmus der Mitglieder, die dafür sogar noch eigenes Geld mitbringen." Von den Geschäftsführungen werde dies in der Regel lediglich "wohlwollend zur Kenntnis genommen".


In der Mittagspause schnell mal die Mannschaftsaufstellung besprechen

Dass Mitarbeiter und Angestellte sich trotz relativ magerer Förderung durch ihre Unternehmen in den Betriebssportgemeinschaften zusammenfinden, sei relativ leicht zu erklären. Man verbringe eben einen sehr großen Teil der Zeit in der Firma oder in der Behörde. Entsprechend gebe es per se eine Bindung an das Unternehmen. Außerdem sei der intensive Kontakte zu den Mitarbeitern innerhalb des Unternehmens nicht zu unterschätzen. Hinzu kommt, dass man aufgrund der kurzen Wege das Sportorganisatorische schnell und unkompliziert erledigen kann. Man trifft sich schon mal in der Mittagspause oder muss nur eine Etage höher laufen, um sich fürs Training oder fürs abendliche Spiel in der Betriebssportliga zu verabreden und die Mannschaftsaufstellung zu besprechen.

Überdies gibt es die Möglichkeit, über das Gaststartrecht Familienangehörige einzubeziehen oder Mitarbeiter kleinerer Betriebe, die über keine eigene BSG verfügen. Die Organisation des Sportbetriebs ist relativ einfach. Das erklärt zum Beispiel auch, dass etwa 80 Prozent aller Betriebssportler am Ligabetrieb des DBSV und seiner Verbände teilnehmen. "Wir haben äußerst wenige passive Mitglieder", sagt Präsident Uwe Tronnier. Dies sei "ein Markenzeichen" des Betriebssports in Deutschland. Hintergrund der sportlichen Betriebsamkeit unter dem Firmendach mit wenig Passiven und ohne Karteileichen. Nur etwa zehn Prozent der BSG-Mitglieder sind zusätzlich in Sportvereinen organisiert. Die meisten haben in der BSG ihre ausschließliche sportliche Heimat. Angesichts dieser relativ kleinen Überlappung mit den Vereinen versteht sich der Betriebssport traditionell als eine sehr gute Ergänzung zum Vereinssport.


Die Gruppe der 27- bis 41-Jährigen als Sorgenkind

Das Durchschnittsalter der Betriebssportler sei allerdings relativ hoch, gesteht Uwe Tronnier. Nur etwa 4.000 Mitglieder sind Teenager im Alter zwischen 15 und 18, kapp 30.000 Mitglieder weist die Gruppe der 19- bis 26-Jährigen auf, während zirka 125.000 der Altersgruppe der 41- bis 60-Jährigen und immerhin noch etwa 40.000 der Mitglieder der Altersklasse Über 60 angehören. Die größte Sorge bereitet die Gruppe der 27- bis 41-Jährigen, die inmitten ihres Berufslebens steht und gewissermaßen das Herzstück des Betriebssports ausmachen müsste, doch andererseits beruflich und familiär den meisten Veränderungen unterworfen ist. Das sei eben genau diejenige Altersgruppe, die Familien gründet und von der in der Wirtschaft eine große Flexibilität erwartet wird. Entsprechend komme diese Gruppe bundesweit leider nur auf knapp 100.000 BSG-Mitglieder.


Wir fühlen uns vom DOSB gebührend beachtet und akzeptiert

Das wichtige Thema beschäftige Tronnier zufolge in regelmäßigen Abständen auch die ständige Konferenz der Spitzenverbände mit besonderen Aufgaben, zu denen unter dem Dach und Mitglied des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) der DBSV ebenso gehört wie der Deutsche Aikido-Bund, der Gesamtverband des CVJM, der Sportverband DJK der Verband Deutscher Eisenbahner-Sportvereine, der Deutsche Verband für Freikörperkultur, der Allgemeine Deutsche Hochschulsportverband, der Kneipp-Bundesverband, Makkabi Deutschland, das Deutsche Polizeisport-Kuratorium sowie der Rad- und Kraftfahrerbund Deutschland. "Wir fühlen uns vom DOSB gebührend beachtet und akzeptiert. Die Zusammenarbeit ist gut, wir können uns wirklich nicht beschweren", unterstreicht Tronnier, zugleich Stellvertreter von Barbara Oettinger (Aikido-Bund) als Sprecher der Verbände mit besonderen Aufgaben. Mit Genugtuung werde von deren Seite beispielsweise registriert, dass sowohl DOSB-Präsident Thomas Bach als auch DOSB-Generalsekretär Michael Vesper regelmäßig an den Treffen der Ständigen Konferenz teilnehmen und so ihr Interesse an den Themen dieser von der Öffentlichkeit kaum wahr genommenen Verbände dokumentierten. Eine Aufwertung ihrer Stellung im Verbund mit den olympischen und nichtolympischen Spitzenverbänden sei bereits gewesen, dass es für sie jetzt eine Ständige Konferenz gebe. "Zuvor", sagt Uwe Tronnier, "hatten wir immer nur eine Sprechergruppe."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 45 / 3. November 2009, S. 18-20
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. November 2009