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BERICHT/593: Das alte Olympia-Dorf wieder lebendig gemacht (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 25 / 16. Juni 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Das alte Olympia-Dorf wieder lebendig gemacht
Wo 1936 die Sportler aus aller Welt wohnten, wurde zum vierten Mal
der Jesse Owens-Memorial-Staffellauf ausgetragen

Von Hansjürgen Wille


Vor einem Monat fand im Auditorium der DKB-Bank in Berlin-Mitte mit dem Symposium "Von Jesse Owens zu Barack Obama - gesellschaftliche Anerkennung durch sportlichen Erfolg" der theoretische Teil einer vom Dallgow-Döberitzer Marie-Curie-Gymnasiums initiierten Aktion statt. Jetzt folgte auf dem Gelände des ehemaligen, inzwischen wieder einigermaßen restaurierten Olympischen Dorfs von 1936 in dem kleinen Ort Elstal, das nur wenige Kilometer von der Berliner Stadtgrenze entfernt liegt, die Praxis mit dem 4. Jesse-Owens-Memorial-Staffellauf für Grund- und Oberschulen, womit ein Zeichen für Toleranz und gegen Rassismus gesetzt werden sollte. Geboren wurde die Idee vor fünf Jahren, als sich im Geschichtsunterricht des Gymnasiums die Jungen und Mädchen der 9. Klasse mit der Problematik der damaligen Sommerspiele beschäftigten und dabei auch auf das Thema des freundschaftlichen Gedankenaustauschs zwischen dem Amerikaner Owens und dem Deutschen Luz Long bei der Weitsprung-Entscheidung stießen. Nach einem Besuch des nahe gelegenen Sportler-Dorfes, das übrigens in seinen Ursprüngen noch weitgehend erhalten ist und nicht wie anderswo längst wieder als Wohnsiedlung verschwand, machten sich die Schüler und Schülerinnen daran, etwas zu entwickeln, was so langsam zur Tradition wird.

Burkhard Jungkamp, Staatsekretär für Bildung, Jugend und Sport im Potsdamer Landtag, prognostizierte, dass dieser Lauf auch noch in 15 Jahren stattfinden wird, weil er fest davon überzeugt ist, dass die positive Entwicklung anhält. "Schließlich ist es gemeinsam mit Lehrern und Eltern gelungen, das einst zarte Pflänzchen durch fleißiges Gießen so zu kräftigen, dass es allen Stürmen standhält." Die gleiche Meinung vertrat auch der Bundestagsabgeordnete Steffen Reiche, Präsident des Brandenburgischen Leichtathletik-Verbandes und Mitglied der unabhängigen Kommission zur Überprüfung von Trainern/innen und Offiziellen mit Dopingvergangenheit des DOSB. Er ließ es sich nicht nehmen, persönlich den Startschuss abzugeben, was allerdings mit einer von Hand zu betätigen Klappe geschah.

"Ich finde die Initiative ganz toll. Laufen ist nämlich nicht nur gesund, sondern stärkt auch die Köpfe, wie ich in einer Studie gelesen habe." Danach müssen die Jungen der Waldorf-Grundschule aus Berlin-Kladow ja ganz besonders klug sein, denn sie benötigten für den zehnmal zurückzulegenden 650-m-Kurs zwischen ehemaliger Sport- und Schwimmhalle 18:54 Minuten, während bei den Oberschulen das Lise-Meitner-Gymnasium Falkensee in 1:14:21 Stunden erfolgreich war. Hierbei mussten acht Teilnehmer jeweils 1900 m zurücklegen, was auch bei der für alle offenen Ehrenrunde der Fall war.

Aufmerksamer Beobachter des munteren Geschehens auf historischem Terrain war Martin Honerla von der DKB-Stiftung für gesellschaftliches Engagement. Er berichtete, dass die Bank jährlich eine halbe Million Euro bereit stelle, um auf der Ende 2005 erworbenen, denkmalgeschützten Anlage notwendige Sanierungen vorzunehmen. "Unser wichtigstes Ziel war es zunächst, die noch vorhandene Substanz zu retten, nachdem die Anlage sechs Jahrzehnte lang für militärische Zwecke genutzt wurde." Nach den Olympischen Spielen 1936 zogen in die ehemalige Sportler-Unterkunft Ärzte, Pfleger und Krankenschwestern ein, die hier in der in der Abgeschiedenheit der Döbritzer Heide ein Lazarett errichteten. Und gleich nach dem Ende des 2. Weltkrieges machten sich Sowjettruppen breit, die bis zu ihrem Abzug 1992 blieben und eine wahre Brache hinterließen. Für so manch einen strahlt das alte Olympische Dorf etwas Geheimnisvolles, ja Mystisches aus. Andererseits begegnet man hier einer Faszination des Ungewöhnlichen. Einige Unterkünfte sind noch gut erhalten, auch das Haus der Amerikaner. Das darin befindliche, schlicht wirkende Jesse Owens-Zimmer ist beispielsweise total wieder hergerichtet und mit dem ehemaligen, sehr einfachen Mobiliar versehen worden. "Um jedoch das marode, dicht vor dem Zusammenfall stehende Schwimmbad sowie die alte Turnhalle wieder auf Vordermann zu bringen, bräuchten wir allerdings zusätzliche Fördermittel vom Bund und dem Land", erklärte DKB-Stiftungsrat-Vorsitzende Martin Honerla.

Sicherlich würden sich darüber auch jene Top-Athleten freuen, die hier an historischer Stätte stets im Herbst das Finale um den DKB-Cup bestreiten. Diesmal, bei der vierten Auflage, stehen der Stabhochsprung sowie das Kugelstoßen, Diskus- und besonders das Speerwerfen auf dem Programm, wo sich im vergangenen Jahr Christiana Obergföll mit 69,81 m und Steffi Nerius mit 68,34 m ein grandioses Duell mit Weltklasseleistungen lieferten. Vielleicht können die beiden Athletinnen bei der anstehenden WM im Olympiastadion etwas Ähnliches zustande bringen, indem sie sich daran erinnern, dass das Olympische Dorf nur 14 Kilometer entfernt von jener Stätte liegt, wo sie auf so großartige Weiten gekommen waren. Apropos erinnern. Leider gibt es nur noch wenige Zeitzeugen, die befragt werden können, so dass vieles im Verborgenen bleibt, vor allem die Jahre der russischen Besatzung "fehlen", weil es so gut wie keine Aufzeichnungen gibt.

Innerhalb von nur zwei Jahren (1934-1936) entstand auf einem 55 Hektar großen Waldgelände ein Sportler-Dorf, dessen architektonische Einzigartigkeit noch heute erkennbar ist; insgesamt 141 Wohnhäuser, Empfangs- und Wirtschaftsgebäude, ein Sportplatz mit Fußballfeld und Aschenbahn, dazu die Sport- und Schwimmhalle. Schon damals galt der Vorsatz, die schöne Landschaft weitestgehend zu erhalten. Extra wurde ein See mit angrenzender Sauna angelegt und zahlreiche Wasservögel und Tiere aus dem Berliner Zoo angesiedelt. Zweimal im Jahr findet jetzt ein Wiederaufleben des (fast) vergessenen Ortes statt - dank des Marie-Curie Gymnasiums mit dem Owens-Staffellauf, vor allem aber dank der Stiftung der Deutschen Kreditbank mit dem besonderen Leichtathletikfest.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 25 / 16. Juni 2009 , S. 20
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2009