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BERICHT/481: Heidelberger Ringvorlesung "Doping" - eine Bilanz (idw)


Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg - 21.07.2008

Heidelberger Ringvorlesung "Doping": eine Bilanz

Heidelberger Ringvorlesung zum Doping ist beendet: Auf dem Weg zur Integration von Theorie zur Praxis - Vergangenheit und Gegenwart bearbeiten, die Zukunft planen


Mit der Vorlesung von Prof. Dr. Wolfgang Knörzer (PH Heidelberg) ging die Veranstaltungsreihe des Sommersemesters 2008 von Universität und Pädagogischer Hochschule Heidelberg zu Ende. Der Anspruch dieser Veranstaltung erstreckte sich auf die historische und soziologische Bearbeitung des Dopingthemas aus interdisziplinärer, sozialwissenschaftlicher Sicht, als Grundlage für die Förderung von Dopingprävention im Sport.

Im Verlauf des Semesters kristallisierten sich in der durch Prof. Dr. Rüdiger Heim (Universität Heidelberg) und Prof. Dr. Gerhard Treutlein (Pädagogische Hochschule Heidelberg) geleiteten Veranstaltung durch die Beiträge von Hölz (NADA), Franke (DKFZ Heidelberg), Bette (TU Darmstadt), Rössner (Universität Marburg), Lehner (Heidelberg), Digel (Universität Tübingen), Geipel (FH Berlin), Ludwig ("Der Spiegel"), Pabst (PWC) folgende Grundzüge heraus:

Die Grundlagen und die Bereitschaft zum aktiven Angehen der Dopingprävention sind nicht ausreichend.
Problembewusstsein ist sowohl im organisierten Sport als auch in der Gesellschaft nur in geringem Umfang vorhanden und vorwiegend skandalorientiert.
Dieses Zentralthema des Leistungssports findet bisher kaum akademische Aufmerksamkeit und Berücksichtigung in Lehre und Forschung. Die wenigen Wissenschaftler und Leistungssportfreunde, die sich intensiv mit dem Thema beschäftigen, treffen häufig auf erhebliche Widerstände.
Doping wird es geben, so lange der Leistungssport in der heutigen Form existiert. Insofern kann es keine Problemlösung, sondern nur eine Problembearbeitung geben, verbunden mit der Hoffnung auf ein Bremsen oder Verringern des Problems.
Sensibilität für die Problemstellung ist bei Kindern und Jugendlichen im Sport weiter entwickelt als bei Erwachsenen.
Prävention in Form von Repression bringt nur kurzfristige Verbesserungen. Nur Dopingprävention eröffnet eine Aussicht auf eine bessere Zukunft.
Präventionsfundierende und -begleitende intensive Forschung wäre dringend nötig.

Moderne Präventionsansätze fordern das Zusammenspiel aller mit dem Leistungssport befassten Ebenen (Bette, Knörzer, Treutlein). Das Ansetzen nur am Individuum (Verhaltenprävention) ist kaum Erfolg versprechend (Bette). Eine alle Ebenen umfassende Verhältnisprävention (Sportlerumfeld, Verein, Verband, Sportpolitik, internationale Gremien wie IOC, UNESCO oder UN) wird leichter möglich, wenn entsprechende gesetzliche Regelungen und internationale Vereinbarungen (Rössner, Lehner, Digel) vorliegen. Letztlich entscheidend sind aber der politische und sportpolitische Wille, sauberen Leistungssport als Kulturgut zu erhalten und ihn vor Selbstzerstörungstendenzen zu schützen (Bette, Digel). Es geht um die Frage, wie viel Optimierungswahn und übertriebene Erfolgsorientierung die Gesellschaft (Geipel) aushält, bzw. ob man die Qualität einer Gesellschaft über Medaillen und Rekorde nachweisen kann, wie es in der DDR versucht wurde.

Wegen bisher nur geringer finanzieller, personeller und struktureller Voraussetzungen und wenig entwickeltem Problembewusstsein erfordert das Angehen der Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping erheblichen Mut und Risikobereitschaft. Hoffnung kann nur aus dem Bild des Zusammensetzens eines Mosaiks (ein Steinchen nach dem anderen, in der Hoffnung, dass daraus in der Zukunft ein Gesamtbild entstehen möge) und im Bewusstsein des Mythos des Sysiphus (intensive Arbeit ohne die Aussicht, je ans Ende kommen zu können) bestehen. Das Nahziel besteht in der Durchführung von Maßnahmen wie der Kampagne der Nationalen Antidoping-Agentur (NADA) bei den Eliteschulen des Sports oder der Produktion von Präventionsmaterialien und der Zusammenarbeit der deutschen Sportjugend (dsj) mit Partnern. Das Fernziel sollte in einer kompetenzorientierten Gesundheitsförderung bestehen (Knörzer/Amler/Bernatzky). Auf eine spezielle Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping kann bei erfolgreicher Durchführung des Ansatzes der Lebenskompetenzen und des Settingansatzes möglicherweise sogar verzichtet werden.

Im Sinne moderner Präventionsansätze muss Doping als Teilthema wesentlich weitergehender Themen (Medikamentenmissbauch, Alltagsdoping, gesunde Lebensführung) verstanden werden. Auf einer horizontalen Ebene geht es um die positive Beeinflussung der Lebenswelt (der Settings) der Sportlerinnen und Sportler, auf einer vertikalen um die Beeinflussung der strukturelle Zwänge erzeugenden Ebenen. Erst wenn alle Ebenen zusammenspielen, ist Nachhaltigkeit wahrscheinlich.

Prävention kann sowohl eine Krankheit (Doping als Krankheit des Spitzensports) vermeiden als auch die Gesundheit (die Individuen und die Systembedingungen betreffende) stärken wollen. Bei der ersten Ausrichtung stehen Aufklärung, Abschreckung und Repression im Mittelpunkt, bei der zweiten die Entwicklung von Lebenskompetenzen. Beide Ausrichtungen sollten miteinander kombiniert werden. Zunächst sollte die Entwicklung von Lebenskompetenzen im Mittelpunkt stehen; mit fortschreitender Leistungssportkarriere sollten dann Aufklärung, Abschreckung und Repression hinzu kommen. Eine unterstützende Rolle können Staat, Medien, Sponsoren und Zuschauer spielen, indem sie Erwartungen an einen sauberen Sport deutlich formulieren und Erwartungsdruck aufbauen - der Sport muss den Anspruch haben, besser als die Gesellschaft zu sein, sonst verliert er nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch die Möglichkeit der Förderung aus Steuergeldern.

Da die Schule Kinder und Jugendliche am umfassendsten erreicht, sollten Gesundheitsförderung und auch die Prävention von Medikamentenmissbrauch und Doping in den Kanon der Schule und damit auch in das Lehramtsstudium ebenso wie in die Übungsleiter- und Traineraus- und Weiterbildung gehören (Knörzer). Denn nur so besteht die Chance, alle Bereiche von Alltagsdoping, Medikamentenmissbrauch und Doping umfassend abzudecken.

Bei der Entwicklung von Lebenskompetenzen müssen vier wesentliche Kompetenzbereiche (Knörzer) entwickelt werden: Zielorientierung, Ressourcenaktivierung, Konzentration (als zentrale Ressource), Angst- und Stressresistenz; sie sollen Jugendliche davor schützen, in Drucksituationen zu versagen und Versuchungen zu erliegen. Die Kompetenzbereiche sind das notwendige Handwerkszeug; für die richtige Orientierung muss eine ethisch-moralische Fundierung hinzukommen.

Eine Zusammenfassung der Berichte über die Ringvorlesung wird von der Pressestelle der Universität Heidelberg demnächst ins Internet gestellt.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung unter:
http://idw-online.de/pages/de/institution5


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, Dr. Michael Schwarz, 21.07.2008
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juli 2008