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BERICHT/449: Die engagierten Tüftler von Berlin (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Die engagierten Tüftler von Berlin
Das FES versorgt Athleten mit dem besten Material, doch Siegen müssen sie allein

Von Hansjürgen Wille


"Nichts geht ohne Arbeit." So lautet ein gern benutzter Satz von Harald Schaale, dem Leiter und Chefkonstrukteur des Instituts für Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) in Berlin. Deshalb wurmte es ihn auch mächtig, dass Robert Bartko und der deutsche Vierer bei der Bahnrad-WM in Manchester sang- und klanglos eingingen und die angestrebte Peking-Teilnahme verpassten. Die Folge davon: Die neuen extra für die Olympischen Spiele angefertigten Rennmaschinen werden vorerst in einer der Lagerhallen "eingemottet", bis der Verband grünes Licht für einen Einsatz gibt.

Das Hightech-Labor vermag zwar den Athleten das bestmögliche Material in bestimmten Disziplinen zur Verfügung zu stellen und hat somit - wie es die Vergangenheit zur Genüge bewies - auch gewissen Anteil an den Medaillen, doch für den Erfolg beziehungsweise Misserfolg sind letztendlich ganz allein die Sportler verantwortlich. Selbstredend ist das Debakel von Manchester auch ein Schlag ins Kontor für die Tüftler, Konstrukteure und Techniker des FES gewesen, die sich im Vorfeld reichlich Gedanken gemacht und unendlich viel Mühe und Arbeit investiert hatten. Dennoch lassen sie sich nicht von ihrem Weg abbringen, Deutschlands Sportlern auch künftig hervorragende Voraussetzungen in punkto Material zu bieten. "Gerade erst brachte die für Olympia qualifizierte Frauen-Crew um Ulrike Schümann ihr Yngling-Schiff zu uns, um es genau vermessen, untersuchen und optimieren zu lassen", sagt Schaale, von Hause aus selbst Segler, 1977 Vizeeuropameister im 470er auf dem Neusiedler See und der auch heute noch mit seinem 20-qm-Jollenkreuzer Teilnehmer an verschiedenen Regatten ist. Fast drei Jahrzehnte gehört der aus Eichwalde stammende Wissenschaftler nun schon dem FES an. Nach dem Abitur mit Berufsausbildung, so hieß das damals in der DDR, wurde er zunächst Betonfacharbeiter, studierte dann Informatik und kam 1981 als Nachwuchs-Ingenieur zu der Forschungsstätte. Hier wurde er keine vier Jahre später Projektleiter für den Radsport beziehungsweise nach der Wende zum Forschungsdirektor berufen. Seit 1994 ist er Leiter eines geschätzten Unternehmens, in dem zur Zeit 53 hochqualifizierte Mitarbeiter tätig sind, Maschinenbauer, Konstrukteure, Physiker, Mathematiker, Luftfahrt- und Holztechniker, Mess-Ingenieure und Materialforscher.

Ihre Hauptaufgabe besteht darin, gerätetechnische Entwicklungen und Verbesserungen unter strikter Einhaltung der von den internationalen Verbänden ausgegebenen Regeln vorzunehmen und zwar für die Sportarten Kanu, Rudern, Radsport, Segeln, Bob, Rodeln, Skeleton, Eisschnelllauf sowie für Teilbereiche im Triathlon, Schwimmen und Skisport, wobei stets neue Technologien und Werkstoffe herangezogen sowie moderne Mess- und Rechenverfahren ausgeklügelt werden. Ein zweiter, sehr umfangreicher Komplex umfasst den Service und die Betreuung der Athleten, um zu erkunden, ob und wie die wissenschaftlichen Erkenntnisse in der Praxis umgesetzt werden. "Wir sind absoluter Marktführer in Sachen Messtechnik", meint der FES-Chef mit ein bisschen Stolz. Ohne wenn und aber bestätigt das auch der Sportdirektor des Deutschen Ruder-Verbandes, Michael Müller, der für die Olympia-Qualifikation in Posen extra einen Vierer für seine Leichtgewichts-Männer in Auftrag gab.

Durch den Einbau von Sensoren in ein Boot ist es beispielsweise möglich, von jedem einzelnen Ruderer die Zug- und Stemmbrettkraft, die Geschwindigkeits- und Beschleunigungsfähigkeit per Datenübertragung festzustellen, sodass die Trainer dank passender Software wichtige Erkenntnisse für ihre Arbeit erhalten. Nicht wenige Angestellte dieses in der Welt einmaligen Forschungs-Labors kommen aus dem Sport, einige sogar aus dem Hochleistungsbereich wie die Olympiasieger Wolfgang Gunkel (Rudern) und Thomas Flach (Segeln) oder der Radfahrer Sören Lausberg, Vizeweltmeister im 1000-m-Zeitfahren. Der für die Bobs zuständige Projektleiter und stellvertretende Instituts-Direktor Michael Nitsch ist beispielsweise Hobby-Marathonläufer und Schaale noch immer aktiver Segler.

Ehe ein bestimmter Prototyp zur Anwendung kommt, vergehen rund anderthalb bis zwei Jahre, so der FES-Boss, der schon jetzt die Winterspiele in Vancouver 2010 im Visier hat, während ein Großteil seiner Mitarbeiter noch voll mit Peking beschäftigt ist. So auch die Kanu-Spezialisten, die an neuen Renn-Kajaks und -Canadiern werkeln, damit die bislang so erfolgreiche DKV-Flotte auch weiterhin Medaillen scheffeln kann. Natürlich immer in Absprache mit den verantwortlichen Bundestrainern und Aktiven, zu denen enge Kontakte bestehen. So waren beispielsweise Wolfgang Böhmert und Peter Teller beim Lehrgang in Sabaudia dabei. Und sie kommen auch des öfteren nach Kienbaum, wenn dort ein Großteil der Olympiavorbereitung stattfindet. All das ist aber nur möglich, weil das BMI, die Politik in Form des Bundestags-Sportausschusses, natürlich der DOSB, die Spitzensport-Verbände und die Olympiastützpunkte voll hinter dem Institut stehen, das Anfang der 60iger Jahre als Entwicklungsabteilung für Sportgeräte von der Forschungsstelle der DHfK Leipzig gegründet wurde, um DDR-Athleten individuell angepasste Sportgeräte für das Training und den Wettkampf zur Verfügung zu stellen, damit sie international erfolgreich sein konnten. Was auch der Fall war, so beispielweise 1988 in Seoul, als der Straßen-Vierer Gold im 100-km-Mannschaftsfahren holte - dank Schaales Ideenreichtum mit neuen Rädern.

Nach der Wende wurde das Forschungs- und Entwicklungslabor laut Artikel 39 (Absatz 2, Satz 3) des Einigungsvertrages zwischen den beiden deutschen Staaten als erhaltenswürdig eingestuft und sorgt heute dafür, dass die deutschen Sportler mit bestem Material ausgerüstet sind, was die wiederum in ihren vielen Dankesschreiben und Fotos auch gern zum Ausdruck bringen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 21/20. Mai 2008, DOKUMENTATION VI-VII
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Mai 2008