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BERICHT/401: Sportausschuß debattierte über Neuorganisation der NADA (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Dr. Vesper: "Wir werden die bestehenden Probleme Schritt für Schritt lösen"
Sportausschuss debattierte über Neuorganisation der NADA und offene Fragen

Von Holger Schück


DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper hat der Neuorganisation der Arbeit der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) ein positives Attest ausgestellt. Im Sportausschuss des Deutschen Bundestages erklärte er: "Was die NADA seit ihrem Neustart Mitte dieses Jahres geleistet hat, ist schon beachtlich. Dichte und Qualität der Kontrollen sind deutlich erhöht worden. Besonders erfreulich ist, dass vom kommenden Jahr an endlich das international kompatible Adams-System endgültig durchgesetzt ist. Ohne Zweifel, es müssen weitere Schritte zur Effektivierung der Dopingbekämpfung hinzukommen. Jedoch: Wir dürfen die Verantwortlichen jetzt auch nicht überfordern. Denn in den letzten Monaten ist bei der NADA in Bonn eine Menge geleistet worden - und das mit zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich denke, dass wir die noch bestehenden Probleme Schritt für Schritt lösen können."

Der Ausschuss debattierte zwei Stunden lang über die Vergangenheitsbewältigung und Maßnahmen, die bei der unabhängigen Stiftung ab Frühjahr dieses Jahres eingeleitet wurden. Durch eine ARD-Fernsehreportage waren im Januar erhebliche administrative Versäumnisse bei den unangekündigten Trainingskontrollen bekannt geworden. Der Sportausschuss hatte daraufhin wenige Tage später eine Sonderbefassung durchgeführt. Der neue NADA-Geschäftsführer Dr. Christoph Niessen berichtete nun, er habe bei seinem Amtsantritt "waschkörbeweise" unbearbeitete Faxe gefunden: Abmeldungen einzelner Athleten, Sammelpost von Verbänden (die eigentlich gar nicht zulässig war - allerdings hatte, wie die Präsidentin des Deutschen Schwimmverbandes, Dr. Christa Thiel, ausführte, die Stiftung die Sammelabmeldungen angenommen und nie darauf hingewiesen, dass eigentlich die Athleten verpflichtet seien, sich selbst abzumelden). Auf alle Fälle: Niemand im Verwaltungsteam der NADA habe vor der Ausstrahlung des Fernsehfeatures diese Daten bearbeitet.

Angesprochen wurde im Sportausschuss auch, dass schon im April im NADA-Kuratorium frank und frei zugegeben worden war: Bisher habe es keinen "rechtsfesten" Nationalen Testpool für Spitzenathleten gegeben - obwohl Verantwortliche Ende Januar das Gegenteil erklärt hatten -, die ihre Erreichbarkeit für unangemeldete Trainingskontrollen zu garantieren haben. Das ist seit dem Sommer anders, auch diese schwere Panne wurde ausgemerzt. Einig waren sich Parlamentarier und Sportfunktionäre: "Es ist professionell aufgeräumt worden." Geschuldet seien die bürokratischen Unzulänglichkeiten der Vergangenheit dem seinerzeit geringen Personalstock der NADA. Die Unterfinanzierung werde mit dem Bundeshaushalt 2008 entscheidend abgesenkt, betonten Sprecher aller Fraktionen. Die NADA will nach eigener Darstellung jetzt weitere Personalpositionen besetzen. 18 Stellen sollten 2008 eingerichtet sein, hieß es, eine Ärztin und eine Apothekerin würden jetzt eingestellt.

Die ehemalige DOSB-Aktivensprecherin, die Fechterin Claudia Bokel, Silbermedaillengewinnerin von Athen, klagte deutlich darüber, dass für Athleten eine SMS-Abmeldung immer noch nicht möglich sei. Eigentlich unverständlich: Denn die "Short Message" ist seit beinahe zehn Jahren ein gängiges Kommunikationsmittel. Dr. Christa Thiel, Vorsitzende der Ständigen Konferenz der Spitzenverbände im DOSB, machte deutlich: "Ich bin völlig auf der Seite der Athleten, dass es so einfach und umkompliziert wie möglich sein muss, sich an- und abzumelden." Christoph Niessen wies darauf hin, es werde alles getan, um eine SMS-Abmeldung in Zukunft "auch zu ermöglichen". Allerdings: "Es liegt in den Händen der WADA, die für das elektronische internationale Abmeldesystem verantwortlich ist, dies umzusetzen. Unsere Anfragen liegen auf dem Tisch, und wir werden es mit Nachdruck weiter verfolgen."

Dr. Niessen, der mit dem Vorstandsvorsitzenden Armin Baumert und dem Kuratoriumsvorsitzenden Hanns Michael Hölz zum Sportausschuss gekommen war, machte vor den Parlamentariern deutlich, peu a peu werde jetzt das System Adams der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA aufgeschaltet. Und dabei beginnen neue Probleme: Die Computermaske, in der Athleten ihre Abmeldedaten eingeben müssen, zeigt englische Fragen auf. Dies sei nun einmal nicht für alle Sportler leicht zu handhaben, obwohl sie mit technischen Beschreibungen in englischer und deutscher Sprache ausgestattet wurden, hieß es. Auch hier: "Die NADA wird an diesem Problem arbeiten", so der Verwaltungschef.

Dr. Christa Thiel begrüßte die Einführung des neuen intelligenten Trainingskontrollsystems ab 1. Januar 2008. Dann soll beispielsweise jeder der 850 Athleten in der Kategorie A des Nationalen Testpools - in besonders gefährdeten Sportarten - bei unangekündigten Trainingskontrollen pro Jahr jeweils fünf Urin-und zwei Blutproben abgeben. "Der bisherige Urintest wurde mit 59 Euro abgegolten und soll dann 100 Euro kosten", erläuterte die DSV-Präsidentin. "Das ist beinahe eine Verdoppelung. Wenn man dann sieht, dass sich die Anzahl der Kontrollen verdoppelt, dann schlägt das erheblich zu Buche. Bei uns ist es das Dreifache, was wir zu bezahlen haben. Hinzu kommt dann noch, dass wir Wettkampfkontrollen erledigen wollen und müssen. 80.000 Euro haben wir insgesamt im Etat 2008 veranschlagt - ein erheblicher Kostenblock in unserem ordentlichen Haushalt. Es kneift. Probleme werden kleinere Verbände bekommen, dies zu finanzieren. Wir können unseren Breitensportlern nicht mehr länger vermitteln, dass alle Mitgliedsbeiträge der Landesverbände nur noch für die Dopingbekämpfung ausgegeben werden. Das könnte sogar langfristig zu schweren sportpolitischen Verwerfungen führen, zur möglichen Aufgabe des Ein-Platz-Prinzips."

Die Einführung einer neuen Schiedsgerichtsbarkeit, die über das bewährte System des in Köln ansässigen Deutschen Institut für Schiedsgerichtswesen (DIS) laufen soll, bereitet dem organisierten Sport möglicherweise neue Probleme - vor allem, was die zu erwartenden Verfahrenskosten betrifft. DOSB-Generaldirektor Dr. Michael Vesper erklärte: "Rechtsfindung kostet Geld - sowohl vor ordentlichen Gerichten als auch vor Schiedsgerichten. Wir haben mit dem DIS lange Gespräche geführt, weil uns die Gebührentarife überhöht erschienen. Immerhin haben wir jetzt Pauschalsätze für kleinere Streitwerte festgelegt, die bezahlbar und auch fair sind."

Frau Dr. Thiel unterstrich, die DIS-Offerte sei ein Angebot an die Verbände, die in den kommenden Wochen selbst zu entscheiden hätten, ob sie sich dieser Schiedsgerichtsbarkeit, die allein für die zweite (und somit letzte nationale) Instanz zuständig sein soll, anschließen wollen oder nicht. Satzungsänderungen seien hierfür erforderlich. Der Deutsche Leichathletik-Verband habe bereits sein Interesse bekundet, kleinere Verbände scheuten allerdings die immer noch hohe Kostenbelastung, die im Extremfall durchaus einen Verband oder einen unterlegenen Sportler in die Insolvenz zwingen könnte. Wer bereits heute ein gutes Sportgerichtssystem in erster und zweiter Instanz habe, das in allen olympischen Verbänden und darüber hinaus mit kompetenten ehrenamtlich tätigen Juristen besetzt sei, müsste nicht das DIS-System übernehmen. Christa Thiel: "Der Gang vor ein ordentliches Gericht kann sowieso nicht ausgeschlossen werden. Wenn etwa Menschenrechte oder elementare Rechtsdogmen wie Verhältnismäßigkeit und Ermessensausübung verletzt werden, kann jeder Athlet zum Amts- oder Landgericht gehen."


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 47, 20. November 2007, DOKUMENTATION II-III
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Dezember 2007